Mit der Thronbesteigung Wilhelms II. im Jahre 1888 war ein Monarch an die Spitze des Deutschen Reiches getreten, mit dessen Regentschaft viele Menschen in Deutschland hohe Erwartungen verbanden. Herausragende politische und gesellschaftliche Ereignisse und bewegende Momente stellten in dieser historischen Epoche die zahlreichen Besuche des Kaisers im Lande und die damit verbundenen Begegnungen mit der Bevölkerung und den führenden gesellschaftlichen und politischen Repräsentanten auf der lokalen und regionalen Ebene dar. Bei diesen Gelegenheiten zeigte sich die Bedeutung der für das kaiserliche Deutschland kennzeichnenden „Symbolpolitik“.
Viermal besuchte der Kaiser die frühere welfische Residenzstadt Celle
In diesem Sinne waren auch die vier Besuche des Kaisers in der früheren welfischen Residenzstadt Celle zu verstehen. Dies wurde zum Beispiel auch bei dem Besuch Wilhelms II. am 20 Juni 1913 deutlich, bei dem Wilhelm II. von seiner Gemahlin, der Kaiserin Auguste Viktoria begleitet wurde. Das Kaiserpaar hielt sich allerdings nur für kurze Zeit in der Stadt auf. Die besondere Aufmerksamkeit der Kaiserin galt dabei der nach ihr benannten Töchterschule und den zur Begrüßung anwesenden Lehrern und Schülerinnen, mit denen sich die Kaiserin unterhielt. Der Kaiser hingegen war, wie zuvor bei seinen Besuchen in Celle, vorrangig an der Aufstellung des Militärs interessiert, das er an sich vorbeiziehen ließ und begutachtete.1
Wilhelm II. hauptsächlich an Militär interessiert
Die Vorliebe des Kaisers für militärisches Gepränge, Imponiergehabe und markige Worte und sein Bestreben, die Macht und Größe des Hohenzollernhauses mit bedeutenden geschichtlichen Ereignissen und dynastischen Traditionen zu verknüpfen und sich dem ihm zujubelnden Volk als zugewandter, fürsorglicher und entschlossen handelnder Monarch zu präsentieren, stieß auch bei seinen Besuchen in Celle auf viel Sympathie und freudige Erwartung.
Gedicht in der „Celleschen Zeitung“ veröffentlicht
In diesem Sinne wurde in der lokalen Presse in Verbindung mit dem vierten Besuch des Kaisers in Celle auch das 25-jährige Regierungsjubiläum Wilhelms II. in großer Aufmachung gewürdigt. Die beigefügte Huldigung in Form eines Gedichtes, das zu diesem Anlass am 16. Juni 1913 in der „Celleschen Zeitung“ veröffentlicht wurde, zeugt von dieser überschwänglichen Begeisterung und Zuneigung, die dem Kaiser überall im Lande zuteilwurde.
Gedicht von Benno Schönherr zum Regierungsjubiläum:
Mein Kaiser
Heut’ ist der Deutschen Jubeltag.
Mein Kaiser! Dich gab uns der Tag
Zum Glück, zum Glück des
deutschen Volks.
Wir alle sind begeistert, stolz,
Wir stehen treu und männiglich
Und rufen Gottes Schutz für Dich.
Treu steht zu Dir Dein Volk,
Dein Volk zu Dir,
Treu steht Dein Volk zu Dir
„Mein Kaiser“.
Recht lange mag Dein Tun und Sein,
Mein Kaiser, uns beschieden sein,
Mit Gott, mit Gott! Dir folgen wir
Und bringen deutsche Liebe Dir!
Rein, wie der gold’ne Sonnenschein
Soll sie für Dich, mein Kaiser sein,
Dein Volk zu Dir,
Treu steht Dein Volk zu Dir
„Mein Kaiser“.
Die bei diesen Aufenthalten Wilhelms II. in Celle sichtbar gewordenen Einstellungen und Verhaltensweisen der Menschen bestätigen die herausragende Bedeutung des Kaisers als „nationales Symbol“ und als eine für den Zusammenhalt der Gesellschaft unverzichtbare staatliche Institution.