Bernd Schewe nimmt wenig später auf derselben Brustpresse Platz. Ein regenbogenfarbenes Handtuch hängt um seinen Hals, Schweißperlen zeugen von der körperlichen Anstrengung. Im vergangenen Jahr verhinderte eine Schulter-Operation den regelmäßigen Gang ins Fitnessstudio. Der 64-Jährige hofft deshalb vor allem, dass er 2023 kontinuierlich trainieren kann.
Gesundheit ist für die Celler der wichtigste Vorsatz
Mehr Sport machen, gesünder leben, viel Zeit mit der Familie verbringen - die Klassiker unter den guten Vorsätzen hat jeder schon einmal gehört. Auch für die Celler Fitnessstudio-Gänger steht Gesundheit weit oben - doch einige haben außergewöhnliche Ziele für 2023.


Mit kräftigen Armbewegungen zieht Jan-Hendrik Koch die Griffe des Trainingsgeräts zu seiner Brust. Vor, zurück, vor, zurück. Seine Atmung ist gleichmäßig und angestrengt. Die roten Sportschuhe stützt er in Sitzposition auf der Trainingsbank ab. Wenn er mit dem Oberkörper zurückrudert, zieht ein Kabel die schwarzen Gewichte nach oben. Entspannt er die Muskeln, sinken sie wieder. Dann legt Koch eine Pause ein. „Ich mag es, dass man den inneren Schweinehund überwinden muss und gegen sich selbst antritt“, sagt der 27-Jährige.

Mit seinem Besuch im Fitnessstudio ist der Automobilkaufmann auf dem Weg, seine guten Vorsätze für das neue Jahr in die Tat umzusetzen. Denn er möchte „erfolgreich im Beruf sein und gesund bleiben.“ Das klappte im Vorjahr nur teilweise. „Meine Vorsätze für 2022 habe ich fast alle erreicht – bis auf den Sport. Ich habe mir beim Umzug die Hand gebrochen“, erzählt er. Neben der Verletzung verhinderten berufliche und familiäre Verpflichtungen das regelmäßige Training. Ob er dieses Jahr alle Vorsätze erfüllen kann? „Wenn man sich das aufschreibt und anguckt, erinnert man sich daran. Wenn man das nicht macht, gerät es schnell in Vergessenheit.“
Fremden Menschen ein Kompliment machen
Das Problem der vergessenen Vorsätze ist allseits bekannt. Auch unter den Sportlern im Celler Fitnessland, die sich in einem großflächigen Trainingsraum an verschiedensten Fitnessgeräten auspowern. Trimmräder, Crosstrainer und Laufbänder stehen in akkurat angeordneten Reihen auf dem dunkelbraunen Laminatboden. Auf der anderen Seite des Gangs tummeln sich diverse Geräte für das Krafttraining. Dezente Popmusik untermalt die Raumakustik aus rollenden Laufbändern und leisen Stimmen. Immer wieder ist das Scheppern und Klirren von Metall zu hören.
„Wenn mir etwas Positives an jemandem auffällt, dann möchte ich das sagen. Egal, ob es ein fremder Mensch ist oder nicht.“
Auf die Trainingsbank vor der Latzugmaschine hat sich die 23-jährige Sara gesetzt. Die junge Sportlerin mit dunklen Haaren und schwarzem Trainingsoutfit nimmt sich für das neue Jahr viel vor. Erfolg im Job, ein definierter Körper, mehr Selbstbewusstsein. Außerdem möchte sie ihren Mitmenschen mehr Dankbarkeit zeigen. Die Tücke der Vorsätze ist ihr bestens bekannt. „Man ist dann doch oft zu bequem, bleibt hängen und denkt sich: So läuft es doch auch ganz gut.“
Die Cellerin hat noch einen weiteren Vorsatz für 2023 – und der liegt ihr besonders am Herzen: „Wenn mir etwas Positives an jemandem auffällt, dann möchte ich das sagen. Egal, ob es ein fremder Mensch ist oder nicht.“ Sara findet, dass die Menschen zu selten Komplimente machen. Deshalb hat sie bereits angefangen, den Vorsatz zur Realität werden zu lassen. „Ich habe einer Kassiererin gesagt, dass sie ein schönes Lächeln hat. Danach war sie viel besser drauf. Und so etwas bleibt auch hängen.“

Studentin verzichtet auf Social Media
In einem abgegrenzten Bereich des Fitnessstudios stemmt die 22-jährige Vivien Fillis silberne Hanteln in die Luft. Ihr Neujahresvorsatz ist für junge Menschen außergewöhnlich, denn sie möchte komplett auf die zwei populärsten Social-Media-Apps verzichten: Instagram und TikTok. „Es ist eben so, dass man sich dort sehr viel vergleicht und die Apps eine Scheinwelt zeigen“, ist die Studentin überzeugt.
Auf sportliche Ziele setzt Jana Gaschler. Die 20-Jährige im hellblauen T-Shirt hat sich bereits im Juli des vergangenen Jahres im Fitnessstudio angemeldet, um einen sportlichen Ausgleich zum Büroalltag zu finden. Am Anfang sei es ihr schwergefallen, sich regelmäßig zu motivieren. Doch mit den ersten Erfolgen wurde der Gang ins Fitnessstudio zur Routine. Ihr guter Vorsatz für 2023: „Ich möchte so weitermachen wie bisher.“
„Die Rate der Neukunden, die nicht mehr regelmäßig kommen, liegt etwa bei 60 Prozent.“
Bei den Brustpressen erklärt Clubinhaber Alexander Hupe einem Mann die Funktionsweise des Geräts. Der Fitnesstrainer weiß, wie schwer es den Anfängern fällt, ihre Disziplin zu wahren. „Die Rate der Neukunden, die nicht mehr regelmäßig kommen, liegt etwa bei 60 Prozent“, verrät Hupe. Die meisten Neumitglieder würden sich nach dem Jahreswechsel sowie zu Beginn des Herbstes neu anmelden. „Man sagt, dass der Januar der umsatzstärkste Monat ist, weil die Leute Vorsätze haben oder sich nach der Weihnachtszeit schlecht fühlen.“ Die Fitnessstudios würden den Vorgang durch gezielte Rabattaktionen ankurbeln.“

Gesundheit ist das höchste Gut
Die Gründe für den Eintritt ins Fitnessstudio sind vielfältig. „Viele wollen abnehmen oder ihre generelle Fitness steigern. Anderen geht es darum, die Winterdepression mit Sport zu bekämpfen“, erklärt Hupe. Auch körperliche Beschwerden wie Rückenschmerzen würden zu den häufigsten Gründen für die Neuanmeldung gehören.
In einem weißen T-Shirt mit blauen Akzenten drückt Frank Kühne die Stangen der Brustpresse vor sich zusammen. Der Celler ist frischgebackener Rentner, arbeitete zuvor jahrelang als Hausmeister. Vor etwa zehn Jahren kam er mit Rücken- und Schulterschmerzen ins Fitnessstudio. Durch das Training verbesserte sich seine Gesundheit – und die steht auch 2023 im Vordergrund. „Ich möchte gesünder leben, mehr Sport machen und nicht so viel Fleisch essen.“
„Wichtig ist, dass man sich nicht vom Drumherum irre machen lässt, das aktuell wirtschaftlich und weltweit abgeht.“
Auch Angela Rosandic, die sich bei den Cardiogeräten aufhält, zählt Gesundheit zu ihren Vorsätzen. „Wichtig ist, dass man sich nicht vom Drumherum irre machen lässt, das aktuell wirtschaftlich und weltweit abgeht.“ Die Cellerin hat sich deshalb vorgenommen, sich auf sich selbst zu fokussieren und bewusst zu leben. Und sie möchte häufig ins Fitnessstudio kommen, denn „Sport ist immer gut für Körper und Seele.“