30 bis 50 neue Arbeitsplätze

Rheinmetall baut neue Fertigungsanlage für Munition in Unterlüß

Das doppelte Nein der Schweiz zur Lieferung von Flugabwehrmunition an die Ukraine hat sicherheitspolitische Fragen aufgeworfen. Rheinmetall reagiert - und baut Kapazitäten auf. Der Rüstungskonzern baut eine neue Fertigungsanlage für Munition in Unterlüß. 

  • Von Cellesche Zeitung
  • 15. Dez. 2022 | 15:47 Uhr
  • 15. Dez. 2022
Mittelkalibermunition, wie sie ab Juni in der neuen Fertigung in Unterlüß produziert werden soll, benötigt zum Beispiel der Schützenpanzer Puma.
  • Von Cellesche Zeitung
  • 15. Dez. 2022 | 15:47 Uhr
  • 15. Dez. 2022
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Unterlüß.

Der Rüstungskonzern Rheinmetall investiert einen zweistelligen Millionenbetrag in den Standort Unterlüß. Dort wird derzeit eine neue Fertigungsanlage für Munition für die Kaliber 20 bis 35 Millimeter gebaut. Die Fertigstellung der Anlage ist bereits im Januar geplant, die Fertigung soll im Juni aufgenommen werden. Das Unternehmen rechnet mit 30 bis 50 neuen Arbeitsplätzen. Schon jetzt beschäftigt Rheinmetall rund 2100 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am Standort Unterlüß.

Rheinmetall Munitionsversorgung unabhängig vom Ausland machen

„Wir sehen uns in der Verantwortung, die Bundesregierung nach Kräften dabei zu unterstützen, die erforderliche Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr wiederherzustellen“, sagte Rheinmetall-Pressesprecher Oliver Hoffmann auf CZ-Anfrage. „Insbesondere bei Munition besteht ein erheblicher Nachholbedarf, um beispielsweise durch die Unterstützung der Ukraine entstandene Lücken zu schließen und die Lager wieder gemäß den Vorgaben der Nato zu füllen.“ Im Mittelpunkt dieser neuen Bedarfslage stehe auch das Bestreben, die Munitionsversorgung in Deutschland wieder prinzipiell unabhängig von ausländischen Fertigungsstätten aufzustellen.

Munitionslieferung an die Ukraine: Veto aus der Schweiz

Zuvor hatte es in Berlin politische Verärgerung über das Schweizer Veto gegen Munitionslieferungen aus Deutschland an die Ukraine gegeben. Der Export von Alt-Beständen des für den Flugabwehrkanonenpanzer Gepard benötigten Waffenmaterials hätte der Zustimmung der Schweizer Regierung bedurft, die aber mit Hinweis auf die eigene Neutralität ablehnte.

Gepard-Munition für Ukraine könnte im Juli geliefert werden

Wie die Deutsche Presseagentur mit Verweis auf einen Konzernsprecher meldet, sei Rheinmetall bereits im Juli in der Lage, eine erste Charge von Gepard-Munition auszuliefern. Dem Vernehmen nach handelt es sich dabei um bis zu 300.000 Schuss für die Ukraine, wenn die Bundesregierung einen entsprechenden Auftrag erteilt. Deutschland hat den Gepard der Ukraine überlassen, konnte aber zunächst nur wenig Munition dazugeben. Die bei der Bundeswehr ausgemusterten und der Ukraine überlassenen Gepard-Panzer sind mit einer 35-Millimeter-Zwillingskanone der Schweizer Rüstungsschmiede Oerlikon ausgestattet.

Munition für Schützenpanzer Marder und Puma

Mittelkalibermunition, wie sie ab Juni in der neuen Fertigung in Unterlüß produziert werden soll, benötigen zum Beispiel die Schützenpanzer Marder und Puma der Bundeswehr, der Flugabwehrpanzer Gepard, aber auch das Marineleichtgeschütz MLG 27 oder die Kampfflugzeuge Tornado beziehungsweise Eurofighter für ihre Bordkanonen sowie zahlreiche andere Waffensysteme.

"Wir sehen den Schritt ausdrücklich als Beitrag der Industrie, die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu stärken."

Oliver Hoffmann (Rheinmetall-Pressesprecher)

"Wir sehen den Schritt ausdrücklich als Beitrag der Industrie, die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu stärken und die Sicherheit Deutschlands innerhalb einer starken Nordatlantischen Allianz sowie einer geeinten Europäischen Union durch Schaffung geeigneter Kapazitäten zu erhöhen", sagte Hoffmann. Rheinmetall sei ein führender Ausrüster der Bundeswehr und Partner der Bundesregierung. "Aktuell zum Beispiel auch bei Ringtausch-Aktivitäten zugunsten der Ukraine mit Griechenland, Tschechien, Slowenien und der Slowakei", so Hoffmann.

Strack-Zimmermann begrüßt Standort in Deutschland

Die Gepard-Panzer werden für den Schutz der Infrastruktur in der Ukraine gegen russische Luftangriffe genutzt. Sie schützen auch Hafenanlagen, die für den Transport von ukrainischem Getreide auf die Weltmärkte nötig sind. Dass die Schweizer Regierung mit Hinweis auf ihre Neutralität zweimal ein Veto gegen Lieferungen von Munition aus Deutschland an die Ukraine eingelegt hat, war in Deutschland zähneknirschend akzeptiert worden.

"Ich bin sehr erleichtert darüber, dass die Industrie so schnell reagiert hat. In Zukunft wird verstärkt Munition, die wir dringend benötigen, in Deutschland hergestellt."

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP)

"Ich bin sehr erleichtert darüber, dass die Industrie so schnell reagiert hat. In Zukunft wird verstärkt Munition, die wir dringend benötigen, in Deutschland hergestellt", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. "Angesichts der sicherheitspolitischen Lage ist es von immenser Bedeutung, dass Deutschland gemeinsam mit den Nato-Partnern bei der Herstellung von Munition unabhängiger wird."

Bundeswehr bezieht bislang Munition aus Schweiz

Auch die Bundeswehr bezieht bislang im Mittelkaliber Munition aus der Schweiz für ihr Flugabwehr-Waffensystem Mantis, für die Hauptbewaffnung des Schützenpanzers Puma, ein Marine-Geschütz sowie für die Kampfflugzeuge Tornado und Eurofighter. Es handelt sich um Munitionssorten im Kaliber von 20 Millimeter bis 35 Millimeter, die nun auf neuen Maschinen in Deutschland gefertigt werden.

Strack-Zimmermann hatte im November gefordert, in Deutschland müssten Konsequenzen aus der Schweizer Haltung gezogen werden. «Was geschieht eigentlich, wenn Deutschland oder einer der Nato-Staaten angegriffen würde und die in der Schweiz hergestellte Munition aufgrund dieser "Neutralität» nicht geliefert würde?", fragte sie.

Deutschland will mehr als 20 Milliarden Euro für Munition ausgeben

Deutschland will in den kommenden Jahren insgesamt mehr als 20 Milliarden Euro für Munition ausgeben, darunter auch Raketen und Artilleriemunition. Rheinmetall sehe sich "in der Verantwortung, die Bundesregierung nach Kräften dabei zu unterstützen, die erforderliche Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr wiederherzustellen", sagte der Sprecher, der die Schweiz nicht ausdrücklich erwähnte. Der beschlossene Neuaufbau einer Fertigungslinie und die Ausweitung von Produktionskapazität für Munition in Deutschland erfolge unabhängig von den Planungen für bestehende Standorte in anderen Ländern. 

Ebenfalls der Kapazitätsausweitung im Munitionsbereich dient eine Akquisition in Europa, die Rheinmetall vor kurzem bekanntgegeben hat. Mit der Übernahme der spanischen Expal Systems wird das Unternehmen seine Kapazitäten im Bereich der Artilleriemunition auf mehr als das Dreifache erhöhen und im Mittelkaliberbereich oder bei Mörsern verdoppeln. Die Übernahme soll - nach Abschluss der kartellrechtlichen Prüfungen - spätestens im Sommer 2023 abgeschlossen werden.

Von Christopher Menge/dpa