Unter der Anklage des Mordes, des fünffachen Mordversuchs und zweier Notzuchtverbrechen muß sich seit Freitag der berüchtigte „Liebespaar-schreck“ K.-W. D. aus Grußendrorf (Kreis Gifhorn) vor dem Schwurgericht in Braunschweig verantworten. Die Anklage wirft dem 32 Jahre alten Schrotthändler vor, am 11. Juli vorigen Jahres in Meinersen (Kreis Gifhorn) auf ein Liebespaar geschossen und dabei den 23 Jahre allen Schaustellergehilfen Günther H. aus Leeseringen (Kreis Nienburg) getötet zu haben. Bei fünf Mordversuchen an Liebespaaren, bei denen er laut Anklage seinen Geschlechtstrieb befriedigen wollte, soll er sechs Menschen zum Teil schwer verletzt haben. An zwei der Überfallenen Frauen verübte er Notzuchtverbrechen. Zu dem Prozeß sind 36 Zeugen und fünf Sachverständige geladen.
Angeklagter: Ohne Alkohol wäre das nicht passiert
Vor vollbesetzten Zuschauerbänken bezeichnete sich der Angeklagte als „richtiges Muttersöhn-chen“. Er sei als Kind schwächlich und oft krank gewesen. Vor den im Gerichtssaal anwesenden Verwandten wollte er sich jedoch nicht über die sexuellen Vorgänge äußern, die ihn 1968 zum ,.Heuball-Schützen“ von Marwede (Kreis Celle) und schließlich 1971 zum „Schützenplatz-Mörder“ von Meinersen werden ließen. „Eigentlich wollte ich die Liebespaare nur beobachten“, sagte er vor Gericht. „Wie ich schießen konnte, ist mir unerklärlich. Ohne Alkohol wäre das nicht passiert,“ Die alte Armeepistole, die er 1968 für 30 Mark in Celle erworben hatte, führte er immer im Führerhaus seines Lastwagens mit sich, wenn er eine Schrott-Sammelfahrt unternahm.
Ehefrau und Eltern stehen vor einem Rätsel
D., so ergab die Vernehmung des Angeklagten, hat nur etwa ein halbes Jahr zusammenhängend den Schulunterricht erhalten, weil seine Eltern zunächst als Schausteller und später als Schrotthändler stets unterwegs waren. Als seine Hobbys nannte D. Autos. Angeln und Sammeln alter Waffen. Von sexuellen Dingen war in der Familie nie die Rede. „Da schämte sich einer vor dem anderen“.
Ehefrau verweigert die Aussage
Sowohl die gleichaltrige Ehefrau Ds., die vor Gericht in hohen Lackstiefeln und einem superkurzen Pelzmantel auftrat, als auch die Eltern — der Vater Analphabet — stehen vor
einem Rätsel, wie „Jonny“ die ihm zur Last gelegten Taten begehen konnte. Die Mutter sagte unter Tränen aus. K.-W. sei, „immer ein lieber, netter Junge“ gewesen, „auch heute noch“. Die Ehefrau dagegen verweigerte die Aussage. Sie meinte nur: „Ich halte weiter zu ihm“. Sie gestattete jedoch, daß die als Sachverständige berufene Sexualwissenschaftlerin Frau Professor Dr. Elisabeth Müller-Luekmann (Braunschweig) die während der Prozeßvorbereitung gegebenen Schilderungen des ehelichen Lebens verwenden darf.