Keine schlüssige Indizienkette
Rechtsanwalt Gerhard Schäfers (Celle) stellte zu Beginn seines Plädoyers fest, daß es „keiner Diskussion darüber“ bedürfe, „daß hier ein scheußliches Verbrechen verübt“
worden sei. Aber man habe nichts, durch das der Angeklagte zu verurteilen sei. „Was wir hier haben, sind Hilfstatsachen, bei denen jede Beziehung zur Tat fehlt.“ Denn wenn nur eine einzige Hilfstatsache zusammenbreche, dann stürze das ganze Gebäude zusammen. Alles sei zweideutig. Die schlüssige Indizienkette sei eben nicht vorhanden. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ gelte auch für Zeitangaben, man wisse ja gar nicht, wann die Tat passiert sei. Im Zweifel müsse die von Professor Tröger „unter normalen Bedingungen“ anhand der Körpertemperatur der Getöteten vermutete Tatzeit von 0.35 Uhr um zwei Stunden zurückverlegt werden, denn in der lauen Maiennacht habe sich die Leiche wieder aufgewärmt.
Anderer Mann soll am Tatort gesehen worden sein
Der Verteidiger kam bei seinen Berechnungen darauf, daß dem Angeklagten höchstens fünf Minuten für das Wiedertreffen mit Brigitte Tolle, für die Fahrt zur Bank am Lönsstein, für die Auseinandersetzung, für die Tat, für den Kampf, für das Wegfahren und das Fortschaffen des Wagens nach Munster zur Verfügung gestanden hätten. Besonderen Wert legte Rechtsanwalt Schäfers darauf, daß durch Zeugenaussagen gesichert sei, daß ein Mann von etwa 1,85 Meter Größe in einem vom Tatort wegjagenden Wagen gesehen worden sei. Der Angeklagte aber sei gut zehn Zentimeter kleiner. „Und was ist mit dem Messer? Irgendwann taucht das Messer auf. Und ein blutiges Frotteetuch. Aus dem Haushalt ist es nicht. Alles ,Drumherum' ist nichts. Wenn es keine Erklärung gibt, dann müssen wir akzeptieren, daß eben nichts da ist. Es gibt nichts Halbes und nichts Ganzes in dem Fall.“
Fund im Interregio 1777
Der Verteidiger ging weiter: „Und wenn es einen ,Thomas' nicht gegeben hat, ja was wäre denn dann? Dann wäre immer noch gar nichts ... Und wie soll er in der kurzen Zeit das Auto nach Munster schaffen?“ Nach dem Gutachten des Sachverständigen könne F. - eben wegen der Größe - nicht gefahren sein. Zum Fund im Interregio 1777 legte der Anwalt Wert darauf, daß der Zugführer ausgesagt habe, große Reinigungen in diesen Zügen würden nur alle paar Wochen vorgenommen: und nicht einmal dann wäre sicher, daß der Fund entdeckt werde. Und der sich voll ins Zeug legende Verteidiger weiter: „Nehmen wir aber einmal an, der Angeklagte hätte die Mappe mit den Papieren im Zug abgelegt. Ja, was besagt das denn? Er könnte sie ja in den Sachen gefunden haben, die der geschiedene Ehemann von Brigitte Tolle ihm vor die Tür gestellt hatte. Und dann brennt so etwas heiß. Also weg damit! Sollte F. denn mit dem Fund zur Kripo gehen? Nachdem er schon einmal beim Haftrichter war?“
Psychiater: "Tat und Täter passen nicht zusammen"
Der Verteidiger versäumte nicht, auch daraufhinzuweisen, daß der Psychiater Professor Venzlaff ausgeführt hat, „Tat und Täter passen nicht zusammen“. Deswegen und weil nicht ausgeschlossen werden könne, daß ein größerer Mann das Auto weggefahren habe und auch der Täter sein könne, weiter wegen des Nichtwissens um die genaue Tatzeit und darum, wie der Täter zum Lönsstein gekommen sei, beantragte er den Freispruch. Hilfsweise fordere er ein Gutachten über die Glaubwürdigkeit der als Zeugin vernommenen Freundin des Angeklagten. Richter Walther Reinecke will das Urteil am Donnerstag nächster Woche um 15 Uhr verkünden.