Was bekannt ist - und was nicht

Neun Thesen zur geplanten Bahntrasse durch Landkreis Celle

Der geplante Ausbau der Bahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover schlägt im Landkreis Celle hohe Wellen. Schließlich verläuft eine Streckenvariante durch die Städte Bergen und Celle, würde dort die Landschaft zerschneiden. Und die Variante scheint auch noch der Favorit zu sein. Die CZ beantwortet die wichtigsten Fragen und hat beim Ministerium zum Zeitplan bis zur Entscheidung nachgefragt.

  • Von Christopher Menge
  • 10. Feb. 2023 | 15:00 Uhr
  • 10. Feb. 2023
Entlang der geplanten Bahntrasse stehen schon viele Protestkreuze, nun sollen am Samstag auch Mahnfeuer brennen und Lichter erstrahlen.
  • Von Christopher Menge
  • 10. Feb. 2023 | 15:00 Uhr
  • 10. Feb. 2023
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Celle.

Für den Ausbau der Bahnstrecke zwischen Hannover und Hamburg hat die Deutsche Bahn dem Bundesverkehrsministerium die vier möglichen Streckenverläufe präsentiert. Es wird erwartet, dass der Konzern in einigen Wochen die Neubautrasse durch den Landkreis Celle als Vorzugsvariante benennt. Rund um das Bahnprojekt gibt es viele Thesen und Gerüchte. Die CZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Auf CZ-Nachfrage hat sich am Freitag, 10. Februar 2023, zudem das Bundesverkehrsministerium erneut zum Planungsstand geäußert. "Auf Grundlage der von der DB übermittelten Planungsergebnisse habe sich Nachfragen zu verschiedenen Aspekten der Trassenführung, der Nahverkehrseffekte  und den Wechselwirkungen mit anderen Projekten ergeben, an deren Aufbereitung die DB arbeitet", so der Sprecher. Parallel dazu würden derzeit Abstimmungen mit dem Land Niedersachsen stattfinden. "Wir bitten um Verständnis, dass erst danach verlässliche Angaben zum weiteren Zeitplan gemacht werden können", sagte der Sprecher.

„Der Bestandsausbau war schon beschlossen“

Das stimmt nicht, aber beim Dialogforum Schiene Nord im Jahr 2015 sprachen sich die Teilnehmenden mit breiter Mehrheit für Alpha E aus. Der Ausbau der Bestandsstrecke wurde im Abschlussdokument als Vorzugsvariante empfohlen. „Mit Unterstützung von Bahn, Bund und dem Land Niedersachsen wurde Alpha-E zu einer kapazitiv und wirtschaftlich tragfähigen Lösung entwickelt, die in den Gutachten dokumentiert und bestätigt wird“, schreibt der Projektrat Alpha E auf seiner Homepage. Ein Jahr später wurde das „optimierte Alpha E plus Bremen“ in den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) aufgenommen. Nach Auffassung der Bahn ist damit auch eine komplette Neubaustrecke gesetzlich möglich. Im BVWP 2030 steht, dass für die Verbindung Hannover–Hamburg eine Ausbaustrecke/Neubaustrecke vorgesehen ist. Die Projektbegründung beschäftigt sich allerdings nur mit dem Bestandsausbau.

Detaillierte Karte: Verlauf der geplanten Bahntrasse durch den Landkreis Celle

Interaktive Karte zur geplanten Bahntrasse

"Das Land Niedersachsen steht hinter Alpha E“

Das stimmt. Der Landtag hat sich 2016 in einem Beschluss einstimmig zur Umsetzung von Alpha E bekannt. „Ich persönlich, die Landesregierung und die gesamte Landespolitik stehen ohne Wenn und Aber zu Alpha E“, sagte der niedersächsische Ministerpräsident, Stephan Weil (SPD), im August bei einem Wahlkampftermin in Bergen. In dieser Woche hat der Celler CDU-Landtagsabgeordnete Jörn Schepelmann nochmal eine Anfrage an die neue rot-grüne Landesregierung gestellt. „Was wird die Landesregierung unternehmen, damit die von der Landesregierung befürwortete Variante vom Bundestag beschlossen und im Land Niedersachsen umgesetzt wird?“, fragt Schepelmann. Eine Antwort steht noch aus.

„Die Neubaustrecke durch den Landkreis Celle ist der Favorit der Bahn“

Das stimmt wahrscheinlich. Zwar hat die Bahn beim Bundesverkehrsministerium ihre Vorzugsvariante noch nicht benannt, bei verschiedenen Veranstaltungen in Celle gab es aber schon klare Aussagen. So hat Matthias Hudaff, der Leiter des Schienenprojektes Hamburg/Bremen–Hannover bei der DB Netz, in Celle gesagt, dass die Neubaustrecke durch den Landkreis Celle schon bei den Planungen für Rotenburg–Verden zugrunde gelegt worden sei. Wenige Tage zuvor hatte bereits Frank Limprecht, Leiter Großprojekte bei der DB Netz AG Regionalbereich Nord, beim Statustreffen zu Alpha E in der Celler Congress Union gesagt, dass sich bei den Planungen der Ausbau der Bestandsstrecke als nicht umsetzbar erwiesen habe. Nur die geplante Neubaustrecke durch den Landkreis Celle erfülle dagegen alle Kriterien – verkehrlich engpassfrei, betrieblich optimal und ein gesetzlich vorgegebenes Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von mindestens 1. Weder das Ministerium noch die Deutsche Bahn haben bisher allerdings die Frage beantwortet, welche Kriterien zu welchen Teilen in die Kosten-Nutzen-Analyse einfließen.

Einem NDR-Bericht zufolge sprechen aus Sicht der Deutschen Bahn mehrere Gründe für eine Neubaustrecke: „Die Neubau-Strecke wäre 30 Kilometer kürzer, entlang der Strecke würden weniger Anwohner durch Zuglärm belästigt, und sie wäre rund zehn Jahre früher fertig.“ Es sei ein Irrglauben, dass bei einem Ausbau im Bestand nur zwei Gleise danebengelegt werden müssen, erklärten die Bahn-Planer im September. Alle Gleise müssten hochgenommen und neu gebaut werden. Zudem müssten im Normalfall alle Brücken abgerissen und neu gebaut werden.

"In Celle hält dann kein ICE mehr“

Das stimmt nicht – sagt die Bahn. Am Bahnhof Celle sollen nach dem Entwurf zum Deutschland-Takt weiterhin schnelle Fernzüge halten, betonte Limprecht bei einer Infoveranstaltung in Celle. Er sprach von 12 Zügen des schnellen Fernverkehrs in Richtung Hamburg und 13 in Richtung Hannover. Zum Vergleich: Laut Plan haben gestern 15 ICE-Züge Richtung Hamburg beziehungsweise 11 ICE/IC-Züge Richtung Hannover in Celle gehalten. Von Seiten des Aktionsbündnisses gegen Trassenneubau wird aber befürchtet, dass die Schnellzüge über die geplante Westumfahrung am Bahnhof Celle vorbeigeleitet werden

Neue CZ-Serie: Leben an der Trasse

„Bergen bekommt einen Bahnhof“

Das stimmt vielleicht. Hudaff sagte bei einer Veranstaltung in Celle, dass auf der Schnellstrecke auch ein stündlicher Regionalexpress eingeplant sei – mit Halt in Bergen. Bei einem anderen Termin im Ralveshof in Klein Hehlen sagten die Bahn-Planer, dass die Strecke zwischen Bergen und Hasselhorst viergleisig geplant werde. Nur so könne man Bergen an den Nahverkehr anschließen, so die Planer. Ob Bergen tatsächlich einen Bahnhof bekommt, hängt aber von den Planungen des Landes Niedersachsen ab. Heißt wohl: Die Bahn legt die beiden zusätzlichen Gleise hin, die Bahnsteige müsste jemand anders finanzieren.

„Bergen bekommt dann keine Ortsumgehung“

Das stimmt wahrscheinlich. Zwar ist die Umgehungsstraße von Bollersen nach Bleckmar im BVWP als „weiterer Bedarf“ eingestellt, aber es ist kaum vorstellbar, dass zwischen Bergen und Hasselhorst sowohl eine viergleisige Bahnstrecke als auch eine zweispurige Bundesstraße verlaufen sollen. Im Trassierungsentwurf der DB spielt die Umgehungsstraße bisher keine Rolle. Zur Celler Ostumgehung sagte Bahn-Sprecher Peter Mantik im September, dass sich Straße und Schiene etwa dort kreuzen werden, wo die Neubaustrecke auf die Bestandsstrecke stößt.

„Die neue Trasse soll ausschließlich für den Güterverkehr benutzt werden“

Das stimmt nicht. Es sollen die Kapazitäten sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr erhöht werden. Beim Dialogforum Schiene Nord spielte der Deutschlandtakt noch keine Rolle, nun ist eine schnellere Verbindung ein Kriterium. Mehrere Bürgerinitiativen haben daher die Vieregg-Studie in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse wurden vor drei Jahren veröffentlicht. Dass der Bestandsausbau mit Ortsumfahrungen die Vorgaben des Deutschlandtaktes erfüllt, haben im vergangenen Jahr auch die Bahn-Planer bestätigt.

„Bei einer Neubaustrecke wird der Lärmschutz an der Bestandsstrecke nicht verbessert“

Das stimmt. Bei der Infoveranstaltung in Celle wollte Adelheidsdorfs Bürgermeisterin Heike Behrens wissen, was mit den Streckenabschnitten passiere, die nicht umgebaut, die aber mehr Güterverkehr haben werden. Da gebe es keinen Automatismus für mehr Lärmschutz, sagten die Bahn-Planer. Sie empfahlen solche Punkte in die Forderungen der Region mit aufzunehmen. Der damalige Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Jan-Hendrik Hohls, betonte im August, dass die Vereinbarung über den Bestandsausbau einen umfangreichen Lärmschutz beinhalte. Somit wären auch die Anlieger an dieser Strecke Leidtragende einer Neubautrasse.

Leben an der Trasse

„Die Neubaustrecke zerstört wichtigen Naturraum“

Das stimmt. „Bei einer Neubaustrecke durch den Landkreis würden große bisher unberührte Naturlandschaften beschädigt und zusammenhängende Waldbereiche zerschnitten“, sagte Landrat Axel Flader bei einer DB-Infoveranstaltung. „Diese Zerstörung der Wälder und Natur ist in der Kosten-Nutzen-Analyse aus meiner Sicht überhaupt noch nicht erfasst.“ Die Bahn argumentiert, dass alle Betroffenheiten für Mensch und Natur immer im Kontext für die 135 Kilometer lange Gesamtstrecke gesehen werden müssten.