Aktuelle Probleme und Herausforderungen der Justiz waren das beherrschende Thema beim Neujahrsempfang des Oberlandesgerichts (OLG). Auf die Digitalisierung fokussierte sich Stefanie Otte, Präsidentin des OLG. Sie hatte für die Zuhörer zunächst eine Überraschung parat: Ihr Grußwort ließ sie von einer künstlichen Intelligenz (KI) schreiben.
Künstliche Intelligenz hilft bei Massenverfahren
Den Zuhörern im Vortragssaal fiel das zunächst gar nicht auf. Erst als Otte vor versammelter Runde ein erfolgreiches Jahr 2022 wünschte, ging ein Raunen durchs Publikum. „2023“, korrigierten gleich mehrere Anwesende. Was sie zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten: Es handelte sich um einen Fauxpas der KI, den Otte absichtlich vorlas, um zu demonstrieren: Künstliche Intelligenz ist nicht unfehlbar.
Nach der Auflösung der kleinen KI-Spielerei sagte Otte, dass es viele Einsatzfelder gebe, „in denen wir die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz für den gerichtlichen Bereich gewinnbringend nutzen könnten“. Als Beispiele nannte sie Massenverfahren mit großen Datenmengen und Assistenzaufgaben. Ersetzen könne die KI den Richter jedoch nicht – das sei allein wegen des Grundgesetzes ausgeschlossen, das einen Menschen als gesetzlichen Richter vorsieht.
Es sei das oberste Ziel, „die Beschäftigten bei der Bewältigung der Aufgaben durch technologische Systeme so weit wie möglich zu unterstützen und damit einen Zeitgewinn für die jeweilige Kerntätigkeit zu generieren.“ Otte betonte jedoch, dass zuvor jegliche Zweifel an der Zulässigkeit von KI-Systemen aus dem Weg geräumt werden müssten.
Bedenken bei Videoaufzeichnungen von Gerichtsprozessen
Der Leitende Oberstaatsanwalt Christian Schierholt verwies in seiner Rede auf weitere aktuelle Probleme der Justiz. Zunächst hob er jedoch positiv hervor, dass in den vergangenen Jahren ein deutlicher Zuwachs an Frauen in den Behörden zu verzeichnen gewesen sei. Problematisch ist aus seiner Sicht aber weiterhin die Belastungssituation in der Justiz –„ein fast schon unerträglicher Zustand“.
Schierholt monierte, dass sich auf der einen Seite die Qualität der Gerichtsverfahren verbessert habe und dadurch mehr Aufwand als früher erforderlich sei. Auf der anderen Seite gebe es aber nicht genügend Neueinstellungen, um der Entwicklung Stand zu halten. „Wir werden deshalb bei den Haushaltsanmeldungen für 2024 auf eine erhebliche Aufstockung unseres Personals dringen“, kündigte er an.
Schierholt äußerste große Bedenken mit Blick auf Video- und Tonaufzeichnung von Strafgerichtsprozessen. Dabei bezog er sich auf einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur digitalen Dokumentation strafgerichtlicher Hauptverfahren. „Jedes Wort wird gefilmt – da ist der Zeuge erst recht nicht mehr unbefangen“, warnte Schierholt, der auch die automatische Transkription der Tonspur kritisch betrachtet. Dies sei sowohl kostenaufwendig als auch anfällig für Fehler.