Mit 600 Menschen in einem Zugwaggon auf der Flucht
Große Unterstützung hat unterdessen auch Olena Zinchenko erfahren. Sie kommt aus Krywyj Rih, einer Stadt im Süden der Ukraine, und auch sie nahm ihre jüngsten Kinder und ließ in einer Nacht-und-Nebel-Aktion alles zurück, was ihr wichtig ist. "Wir sind mit dem Zug gefahren, in einem Waggon waren 600 Menschen. Meine jüngste Tochter hat auf dem Boden versucht zu schlafen, es war sehr hart", erzählt sie.
Celler vermittelten Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit
Nach all diesen traumatisierenden Erlebnissen und schweren Entscheidungen ist sie dabei umso dankbarer, für das, was dann passierte. "Wir haben so viele nette Menschen getroffen. Die ersten anderthalb Monate haben wir bei einer Celler Familie gewohnt, die haben sich um uns gekümmert, uns umsorgt, als wären wir schon immer Teil ihrer Familie", sagt sie. "Wir konnten uns trotz aller Sorgen und Ängste zu Hause fühlen, das werde ich niemals vergessen."
Sorge um Familie zu Hause in Charkiw
Alle drei Frauen haben sich inzwischen gut eingelebt in Celle – soweit es die Umstände und die dauerhaft präsente Angst eben zulassen. "Ich wache jeden Morgen auf und schicke als erstes eine Nachricht in die Heimat und frage meinen Mann, ob er und meine Kinder die Nacht überlebt haben", erzählt Olena Mashchenko. "In Charkiw wird jeden Tag geschossen, es gibt jeden Tag Alarm."
Sport als Ablenkung
Um nicht völlig durchzudrehen, versucht sich die vierfache Mutter zu beschäftigen. Sie macht viel Sport, beim Laufen kann sie zumindest für den Moment alles andere ausblenden. "Das hilft mir. Ich trainiere gerade für den Berlin-Marathon und beim Wasa-Lauf in Celle möchte ich auch teilnehmen", kündigt sie an. Noch gar nicht richtig in Celle angekommen, begann sie damit, Freizeitangebote für ukrainische Kinder anzubieten. Zum Beispiel Schwimmkurse. "Ich werde verrückt, wenn ich nur rumsitze."
Kinder gehen in Celle zur Schule und lernen Deutsch
Die Kinder der drei Frauen haben sich oberflächlich gut mit der Ausnahmesituation arrangiert. Sie gehen hier zur Schule, lernen Deutsch, machen Sport und treffen sich mit Freunden. "Sie machen das gut", sagt Oksana Kryvenko. "Aber natürlich leiden sie trotzdem extrem. Meine Tochter fängt oft an zu weinen und fragt, wann wir wieder nach Hause können. Sie ist acht Jahre alt und versteht ziemlich gut, was da passiert. Sie weiß aber auch ganz genau, dass es uns aktuell in Celle besser geht als zu Hause in Lemberg."
Lemberg ist bislang noch nicht so stark betroffen
Auch Kryvenko selbst vermisst ihre Heimat jeden Tag. "Lemberg ist eine wunderschöne Stadt, Teile davon zählen zum Weltkulturerbe. Ich hoffe so sehr, dass die Stadt von schlimmeren Bombenangriffen verschont bleibt", sagt sie. Aktuell sei die Situation vor Ort verhältnismäßig entspannt. "Deswegen bleiben meine Mutter und meine Schwestern auch da. Sie kommen nur nach, wenn die Situation auch bei uns noch vollends eskaliert."
Hoffen auf ein baldiges Kriegsende und Rückkehr in Heimat
Zurück nach Hause wollen alle drei Familien. So schnell, wie irgendwie möglich. Alle drei glauben daran, dass die Ukraine eines Tages wieder ein friedvolles, unabhängiges und vor allem sicheres Land sein wird. "Wir glauben, dass der Sieg aktuell jeden Tag ein bisschen näher rückt. Unseren Optimismus haben wir nicht verloren, wir hoffen, dass wir schon bald all unseren deutschen Freunden unsere geliebte Heimat zeigen können."