Kunstverein Hannover

Für Retrospektive Material und Trauma im Gepäck

Der Kunstverein Hannover stellt vom 28. Januar bis 9. April die erste Retrospektive der ukrainischen Künstlerin Zhanna Kadyrova aus. Bei der Schau „Daily Bread" ist unter anderem eine Serie von Trümmermosaiken, ein Marktstand und Brot aus Findlingen zu sehen.
  • Von Dagny Siebke
  • 26. Jan. 2023 | 11:01 Uhr
  • 26. Jan. 2023
Auch Zhanna Kadyrovas Serie von Trümmermosaiken, die bereits bei der Internationalen Biennale in Venedig 2019 zu sehen waren, werden nun bei der Ausstellung „Daily Bread“ im Kunstverein Hannover gezeigt.
  • Von Dagny Siebke
  • 26. Jan. 2023 | 11:01 Uhr
  • 26. Jan. 2023
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Hannover.

Trotz Erschöpfung und in Lebensgefahr arbeitet die ukrainische Künstlerin Zhanna Kadyrova weiterhin rastlos in der Nähe von Kiew. Ihr Tatendrang und ihre Entschlossenheit gibt ihr gleichzeitig Struktur und Routine. Kunstmachen ist ihr täglich Brot. Sie nutzt die Mittel ihrer Praxis, um regelmäßig in Ausstellungen weltweit das, was in der Ukraine geschieht, zu reflektieren und zu dokumentieren.

Ausstellungsansicht des Marktstands, der schon bei der 58. Biennale Venedig  2019 gezeigt wurde.

Mit einer ersten Retrospektive von Zhanna Kadyrova bringt der Kunstverein Werke aus zwei Dekaden künstlerischer Praxis zusammen und präsentiert für die Ausstellung „Daily Bread − täglich Brot“ in Hannover neu entstandene Arbeiten. Die Schau läuft von morgen an bis zum 9. April. „Die Ausstellung soll zeigen, welche neue künstlerische Produktion die radikal veränderte Situation erfordert und wie eine radikal neue künstlerische Produktion wiederum die Situation kontextualisiert“, erklärt Christoph Platz-Gallus, Direktor des Kunstvereins Hannover. So werde Kunst zentrales Mittel der Gegenwehr.

Zhanna Kadyrovas Werk "Anxiety, seria polska" von 2022.

Zhanna Kadyrovas Arbeit hat seit dem Angriff auf die Ukraine eine dringliche Wendung bekommen. Die Künstlerin ist, nachdem sie zunächst mit Familie aus Kyjiw geflohen war und in Nachbarländern, auch in Deutschland, Obdach fand, wieder an ihre Lebens- und Arbeitsstätte zurückgekehrt. Die Notwendigkeit, vor Ort zu arbeiten, Teilnehmerin, Helferin und Zeugin zu sein, treibt die 41-Jährige an. Ihre künstlerische Arbeit ist widerständig, und sie ist die einer Botschafterin und Botin: im Gepäck hat sie bei ihren Reisen als Pendlerin unter extremen Bedingungen zwischen der Ukraine und Ausstellungsorten weltweit nicht nur Materialien und Kunstwerke, sondern auch Erfahrungen, Traumata und Auswirkungen des Lebens und Arbeitens unter Belagerung.

Einige Werke von Zhanna Kadyrova waren schon bei der Biennale Venedig 2019 zu sehen.

Zhanna Kadyrova hat den eigentlichen Kriegseintritt 2014 bereits in ihren Arbeiten thematisiert. Mit dem Überfall russischer Truppen auf die Ukraine im Februar 2022 hat sich auch ein neues künstlerisches Kapitel eröffnet, das Themen der nationalen Identität, der sowjetischen Vergangenheit und des physischen Bodens erörtert, die Vehemenz und Brutalität der Kriegsrealität verarbeitet und aussagekräftige Kunstwerke zeigt, die retrospektiv, mit Blick von heute, noch bedeutender werden.

Zhanna Kadyrovaa Ausstellung im Kunstverein Hannover heißt "Daily Bread".

„Daily Bread“ zeigt ihre wohl bekannteste Arbeit aus einer Serie von Trümmermosaiken, einen Marktstand (Market, 2017-2019) und die Transformation dieses Ansatzes zu täglich Brot aus Findlingen (Palianytsia, 2022, in Kollaboration mit Denys Ruban) − ein Charity-Projekt, das ständig weitergeführt wird und über den Verkauf von „Brotkunstwerken“ finanzielle Unterstützung für Kadyrovas Community sammelt. Sämtliche Einnahmen werden an Organisationen und Freunde in Kiew weitergegeben.

Kooperation mit „PinchukArtCentre“ in Kiew

Bekanntere Serien, die mit der (wortwörtlich gebrochenen) Materialität unserer Umwelt zu tun haben, treffen auf neue Positionen, die direkt aus der schockierenden Unmittelbarkeit des Krieges in der Ukraine stammen. „Die Künstlerin bringt dabei durchschossenes oder anderweitig gewaltsam zerrissenes Material in neue skulpturale Formen, die uns von dem erzählen, was in ihrem Heimatland passiert“, so Platz-Gallus. Die Ausstellung wird zusammen mit dem „PinchukArtCentre“ in Kiew organisiert und sollen im Sommer in anderer Form in den Räumen der Institution in Kiew zu sehen sein.

Der Kunstverein Hannover, Sophienstraße 2, ist dienstags bis samstags von 12 bis 19 Uhr und sonn- und feiertags von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 6 Euro.