„musica assoluta“ spielt „grünes Konzert“ in Markuskirche in Hannover

Musik und gesellschaftliches Engagement: Lässt sich das in einem Konzert stimmig vereinen? Bei „musica assoluta“ durchaus: Das hannoversche Ensemble um seinen aus Celle stammenden Leiter Thorsten Encke ist schon immer für besondere Programme gut gewesen. So auch bei der jüngsten Veranstaltung namens „Mit Abstand – Das grüne Konzert“ in der Markuskirche. Der erste Teil dieses Titels versteht sich von selbst: Die Plätze für 100 Besucher im Kirchenraum sind auf Distanz gesetzt. Dazu kommt ein Aspekt der Nachhaltigkeit, erkennbar etwa daran, dass es kein Programmheft aus Papier gibt – es liegt vielmehr in digitaler Form vor und kann per Scan vom Konzertplakat abgeholt werden. Anderes erläutern die Musiker in einer Gesprächsrunde nach der Hälfte des Konzerts, in der es darum geht, wie man als Künstler im Kleinen und vielleicht auch Größeren mit gutem Beispiel vorangehen kann – so ist die Anreise mit dem Auto verpönt, und Violinistin Katharina Giegling weiß nach eigener Aussage Fahrradtouren inzwischen sehr zu schätzen. Zuweilen mangelt es an Transparenz: Musikalisch tourt „musica assoluta“ gern quer durch die Jahrhunderte. Beim Rückblick steht diesmal vor allem Beethoven im Mittelpunkt, dessen Geburtstag sich 2020 zum 250. Mal jährt. Hier erklingt die „Mondscheinsonate“, von Pianistin Eugene Shon feinfühlig und mit sicherer Phrasierung interpretiert, durch die Kirchenakustik jedoch in einem etwas diffusen Klangbild. Auch dem „Geistertrio“ mangelt es bei allem schlüssigen Zugriff zuweilen an Transparenz. Gewaltiges Donnergrollen zwischendurch: Sodass diesmal vielleicht die Klänge aus dem 20. Jahrhundert einen stärkeren Eindruck hinterlassen. George Crumbs’ Stück „An Idyll for the Misbegotten“ ist für Flöte und drei Schlagzeuger geschrieben, was nach einer großen Dröhnung klingt, und tatsächlich gibt es zwischendurch ein gewaltiges Donnergrollen. Es wird aber auch deutlich, dass eine solche Besetzung sehr fein differenzieren und leise Töne anschlagen kann – wie eine Kopfgeburt aus dem intellektuelleren Sektor der Neuen Musik wirkt dieser Vortrag jedenfalls nicht. Thorsten Encke beweist Können als Cellist: Das trifft noch mehr auf die neueste Komposition des Abends zu: Derrick Spiva hat sein Streichquartett „American Mirror, Part I“ im Jahr 2018 geschrieben. Hier werden tatsächlich all die musikalischen Einflüsse gespiegelt, die Amerika ausmachen – oft klingt’s osteuropäisch, mal auch leicht afrikanisch angehaucht und unter dem Strich stets lebendig. Thorsten Encke beweist einmal mehr, dass er ein ausgezeichneter Cellist ist, und bindet charmant das Publikum ein: An zwei Stellen sollen die Besucher über einen längeren Zeitraum so genannte Bordun-Quinten mitsummen, was nach einer kurzen Probe sehr gut klappt. Und nicht nur eine schöne Geste des Miteinanders ist, sondern auch einfach wunderbar klingt. Festival "Menschlichkeit" unter Label "klimafreundlich": Viel Beifall. Und bei „musica assoluta“ bleibt man thematisch am Ball: Das dreitägige Festival „Menschlichkeit“, einst für dieses Jahr geplant und nun ins nächste geschoben, trägt explizit das Label „klimafreundlich“. Von Jörg Worat