Anke Günster aus Kreis Celle hilft Menschen mit Behinderungen im Sport

Sie hat ihre sportliche Laufbahn mit Steffi Graf begonnen. Womöglich hätte sie Teil der Weltspitze im Damentennis sein können. Doch Anke Günster, geborene Klein, entschied sich gegen eine Profikarriere. Im Laufe ihres Lebens entdeckte sie, dass ihr Herz mehr für soziale Gerechtigkeit schlägt als für Ruhm und Ehre. Heute lebt Günster in Nienhagen und ist Referentin für Inklusion beim Landessportbund (LSB) Niedersachsen. Gerade hat sie als Projektleiterin zusammen mit ihren Kollegen den „Masterplan Inklusion im niedersächsischen Sport“ verabschiedet. Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Sport stärken: „Menschen mit Behinderungen sind im Sport immer noch völlig unterrepräsentiert“, so Günster. „Der LSB Niedersachsen hat sich auf die Fahne geschrieben, die Teilhabe dieser Menschen zu stärken.“ Es ginge um Selbstbestimmtheit, sowohl beim Sporttreiben an sich als auch beim Besetzen von Stellen. Der Masterplan sei bundesweit einmalig, weil er nur Ziele vorschreibe, die auch überprüfbar sind. Das Konzept hat der LSB Niedersachsen in Zusammenarbeit mit dem Behinderten-Sportverband Niedersachsen, dem Gehörlosen-Sportverband Niedersachsen und den Special Olympics Niedersachsen erarbeitet. Ersten Tennisschläger zur Kommunion bekommen: Vor ihrer Beschäftigung mit dem Thema Inklusion stand für Günster lange Zeit der Tennissport im Vordergrund. Dabei hat alles mit Fußball angefangen: „Meiner Mutter hat es nicht gepasst, dass ich mit lauter älteren Jungs auf dem Bolzplatz spiele“, erinnert sich Günster. Zu ihrer Kommunion bekam sie einen Tennisschläger. Die gebürtige Düsseldorferin verbrachte ab diesem Tag viele Stunden auf dem Court. Bereits nach einem Jahr meldete sie ihr Trainer bei den Saarlandmeisterschaften an. Tatsächlich holte sie auch gleich den Titel. Das war im Jahr 1976. Von da an ging es steil bergauf. Es folgte die erste Jugend-Europameisterschaft, wenig später die Premiere bei den Weltmeisterschaften. Mehrfach schlug sie bei Jugendwettkämpfen Steffi Graf, mit der sie auch außerhalb von Asche- und Rasenplätzen eine gute Beziehung hatte. Tennissport bestimmte Alltag der Jugendlichen: „Ich war im Saarland ein Ausnahmetalent“, beschreibt Günster ihren damaligen Status. „Das hat’s so, glaube ich, auch nicht wieder gegeben.“ Der Sport ermöglichte es der Jugendlichen, die Welt kennen zu lernen: „Wir haben oft bei Familien übernachtet, wenn wir in anderen Ländern waren. Dadurch haben wir viel über fremde Kulturen erfahren und konnten uns als Persönlichkeiten entwickeln.“ Doch es war vor allem ein anstrengendes Leben, das Günster damals führte: „Nach der Schule bin ich zu meinem Vater ins Büro gegangen, wir haben zusammen gegessen und danach bin ich in den Bus zur Sportschule in Saarbrücken gestiegen. Abends um zehn war ich dann wieder zu Hause. Die Hausaufgaben habe ich noch in der Sportschule gemacht. Und am Wochenende waren die Turniere. In die Disco und auf Partys bin ich kaum gegangen.“ Weitere Erfolge mit Damen 40 des DTV Hannover: Bei aller Arbeit und Mühe habe Günster aber der „letzte Ehrgeiz“ für die Profikarriere gefehlt. Sie absolvierte stattdessen ein Sportstudium in Köln. Danach kümmerte sie sich im Schwarzwälder Hotel Bareiss um den Aufbau des Sport- und Freizeitbereiches. Dann zog es sie nach Hamburg. Dort war sie Projektleiterin eines großen bundesweiten Präventionsprojektes einer Krankenkasse. Über die Arbeit lernte sie ihren Mann kennen, bald wurden ihre zwei Kinder geboren. Schließlich kam die Familie nach Nienhagen. Günsters Mann schenkte ihr zum Geburtstag einen Tennisschläger und ihre Liebe zum weißen Sport entflammte erneut. Sie trat dem SV Nienhagen bei. Mit 39 Jahren spielte sie in Hannover bei den Landesmeisterschaften mit – und kam direkt ins Endspiel. Daraufhin nahm sie der DTV Hannover in die Mannschaft auf. Wieder gab es einen Erfolg nach dem anderen. 2014 wurde Günster norddeutsche Tennismeisterin. „Es ist für mich jetzt ein schönes Hobby, den Leistungssport habe ich hinter mir“, betont die 56-Jährige. Skandinavier als Vorbild: Einige Jahre hat Günster bei der Lebenshilfe gearbeitet: „Das hat mein Interesse für das Thema Inklusion geweckt.“ In diesem Punkt könne Deutschland einiges von den skandinavischen Ländern lernen, meint Günster: „Ich war mal auf einem Kongress, an dem auch norwegische Forscher teilgenommen haben. Sie stellten ein Projekt zum Thema Inklusion vor. Jemand hat sie gefragt, was passiert, wenn ein blinder Student sich an ihrer Universität einschreibt. Die Norweger haben gar nicht verstanden, worauf der Fragesteller hinauswollte. So selbstverständlich ist das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung dort. Wenn wir in Deutschland einmal so weit sind, haben wir es geschafft.“ Sportvereine seien perfekt dafür geeignet: „Der Sport kann ganz niedrigschwellige Angebote machen. Wenn es da mit der Inklusion nicht klappt, wo soll es dann sonst klappen? Inklusion ist ein Menschenrecht. Es geht nicht darum, ob wir das machen, sondern wann und wie.“