Mit Jicha stundenlang am Tresen: Celler Handballer Moritz Kaplick

Wer die TV-Übertragungen von Handball-Großereignissen wie WM oder EM verfolgt, wird bei den Spielen der Nationalmannschaft in der Halle die Deutschland-Flagge mit dem Schriftzug „HBV 91 Celle“ schon bemerkt haben. Sie gehört Moritz Kaplick, Spielertrainer des Landesligisten HBV und im Verein darüber hinaus kräftig engagiert. Der 38-Jährige, der Sport studierte und jetzt Sportlehrer ist, besucht als riesiger Handball-Fan regelmäßig die internationalen Großereignisse. Doch nicht nur das: Er fungierte zudem als Betreuer von Handball-Nationalmannschaften und verfügt über einen Fundus an Anekdoten. Klar, dass er in Corona-Zeiten unter eingeschränkter Aktivität leidet und die bevorstehende WM in Ägypten (ab 13. Januar) dieses Mal nur im Fernsehen verfolgen kann. Aber es ist auch ein guter Moment, an die Zeit zu erinnern, als er den besten Handballer der Welt, Ivano Balic, kennenlernte oder mit dem jetzigen THW-Kiel-Trainer Filip Jicha stundenlang am Tresen saß. Bei Niederlage von Deutschland gegen Spanien dabei: So führte der Weg des passionierten Skifahrers im Januar 2003 zur Endrunde in Portugal und ins Hotel der Teams. 2010 ging es nach Österreich – vormittags Skifahren, abends Handball. 2011 lautete das Ziel Schweden, ein kleines Holzhaus mit Kachelofen mitten im Nichts vor Jönköping diente als Domizil. 2014 fuhr eine HBV-Abordnung nach Dänemark – einmal Aarhus, Handball, Kneipe – und wieder zurück. 2016 in Polen wohnten die HBVer erneut im Mannschaftshotel, gerade für die jungen Spieler ein Riesenerlebnis. 2018 erlebte Kaplick die legendäre Niederlage von Deutschland gegen Spanien im nordkroatischen Varazdin. 2019 war er in Berlin zur Hauptrunde und 2020 spontan in Malmö. Nach dem Training fuhrt er zur Nachtfähre nach Travemünde. Tagsüber Malmö, abends Halle und von dort mit dem Taxi zur Fähre zurück. „Schön war es“, meint Kaplick lakonisch. Erste Kontakte mit Handball-Bundesligaprofis: Erste Kontakte auf die Profi-Ebene des Handballs knüpfte der Abiturient vom HBG in der Unimannschaft in Göttingen, als er an der Endrunde der Deutschen Hochschulmeisterschaft in Köln teilnahm. Unter anderem traf er da auf den langjährigen Balinger Coach Rolf Brack sowie den anerkannten Fachmann Kai Wandschneider (heute HSG Wetzlar) – und ein paar Bundesligaprofis. „Der Fokus lag bei dieser Endrunde eher auf der sozialen Komponente“, grinst Kaplick, der sich derzeit weiter von seinem Kreuzbandriss erholt. Teamguide bei Handball-WM 2007: Über den HVN und den DHB bewarb sich Kaplick dann als Teamguide für Mannschaften bei internationalen Wettbewerben in Deutschland. „Das genaue Aufgabenprofil könnte man als Mädchen für alles bezeichnen. Kurz gesagt war ich die Schnittstelle zwischen Turnierleitung und Mannschaft. Ich habe all das gemacht, was die jeweiligen Mannschaften gerade benötigten“, berichtet Kaplick. Zwischen 2005 und 2009 war er bei einigen Vorbereitungsturnieren aktiv. Beim damaligen Supercup begleitete er Kroatien, Serbien, Norwegen, bei der Handball-WM 2007 in Deutschland war er mit dem damals noch echten Handball-Exoten Katar unterwegs. Treffen mit Filip Jicha und Ivano Balic: Unvergessen bleibt sein Treffen mit dem „Mozart des Handballs“ dem Kroaten Ivano Balic. „Das ist echt ein netter Typ. Er hat mir damals seine Story erzählt, dass er eigentlich viel lieber Basketballer werden wollte, aber sein Trainer sah bei ihm kein großes Talent“, erinnert sich Kaplick. „Davor Dominikovic war auch gut drauf. Der ist ja jetzt hier in Hannover. Wenn sich das mit Corona entspannt hat, werde ich den sicher mal besuchen.“ Mit dem Welthandballer von 2010, der Kieler Legende Filip Jicha aus Tschechien, saß Kaplick während der WM 2007 bis nachts um halb zwei an der Hotelbar. „Da war er noch ein bissel jünger“, grinst der Celler, den am Nachbartisch Juri Maximov, die russische Trainerlegende, beobachtete. Skandinavische Spieler besonders nett: Bei den Serben verstand sich der Niedersachse gut mit Mladen Bojinovic von Montpellier. Überhaupt waren die Spieler aus dem ehemaligen Jugoslawien besonders nett. Die Norweger rund um Keeper Steinar Ege aber auch. Mit dem skandinavischen Team ging es vom gemeinsamen Essen und (natürlich nur mit den Betreuern) noch in einen Club in Bielefeld. „Alle Teams gaben mir das Gefühl, irgendwie dazuzugehören. Und wenn ich nach den Events jemanden traf, haben wir auch oft kurz gequatscht. Das ist schon eine tolle Bestätigung“, schwelgt der Handballer in Erinnerungen. Am lustigsten war es aber mit den Kataris, bei der WM im Jahr 2007 noch echte Außenseiter. Die funktionierten den Hotelflur zum Kino um, dort lief die ganze Zeit über Hotel-WLAN irgendwelche Fußballspiele aus der Heimat. Alle Spieler hingen da rum, der Betreuer kochte die ganze Zeit Tee. Zehn Kilo Reis als "Lohn": Kaplick war den Topteams beim Besorgen von Videomaterial behilflich, beim Abklären von Trainingsmöglichkeiten oder Transfers. Bei den Asiaten ging es mehr um Karten für den Fußball-Klassiker Dortmund gegen Bayern oder Döner und Pizza nach den Spielen. Und um Gepäck. Das passte zusammen mit all den Souvenirs nicht mehr in den Bus, also lieh man einen Transporter, der immer hinter dem Mannschaftsbus hinterherzuckelte. Als sie in die Heimat flogen, kümmerte sich Kaplick um ein Logistikunternehmen, das ins Hotel kam und alles einsammelte. „Knapp eine Tonne Zusatzgepäck ist da zusammengekommen“, so Kaplick. Als Dank bekam er von fast allen Teams mindestens ein Original-Trikot und ähnliches. „Die Kataris haben mir ihre komplette Trainingskleidung vermacht. Und zehn Kilo feinsten Basmatireis. Ich glaube, die wollten Gewicht sparen. Ich habe das dann mit großer Mühe im Zug von Dortmund nach Hause geschleppt“, lacht der Celler, der sich gerne an diese Zeit zurückerinnert. Von Stefan Mehmke