Erst um 804 bis 1000 taucht überhaupt der Ort Kiellu namentlich auf, auch Tiela, Kellu, Kiellu genannt, das spätere (Alten-)Zelle. Es war die Zeit, in der die Sachsen auf wenig friedliche Weise blutig vom Segen des Evangeliums unter Karl dem Großen überzeugt wurden, einer nur recht vordergründig so genannten Christianisierung. Das politische Ziel war die gewalttätige Eingliederung des sächsischen Raumes ins christliche Frankenreich. Legendär wurde der gescheiterte Widerstand der Sachsen unter Widukind, der 782 in Massenhinrichtungen in Verden gipfelte, die an einem einzigen Tag stattfanden, wie es heißt. Es erfolgte die gründliche Missionierung von Hildesheim und Halberstadt aus. In diesem Zuge entstanden im Braunschweiger Land Klöster und größere Kirchenbauten.
Fulda, nicht Hildesheim
An der alten Grenzscheide zu Ostfalen, im Urstromtal der Aller, dem heutigen Altencelle, ließ Bruno VI. um 986 eine feste Burganlage, die sogenannte Brunonenburg, errichten, mit der St.-Petri-Kirche. Jedoch das in der Nähe gelegene Wienhausen fand schon um 744 als Hugin-, Hugwin-, Huin- oder Wynhusen Erwähnung, denn so um das Jahr 744 muss der Ort bereits als ein Landgut existiert haben, da er im Jahr 1022 als im „Gau Flutwide als Huginhusen“ in der Stiftungsurkunde des St.-Michaelis-Klosters zu Hildesheim namentlich erwähnt wird. Dies Huginhusen aber war ursprünglich im Besitz des Klosters in Fulda, das 744 vom bedeutenden missionarischen Kirchenreformer des Frankenreichs, Wynfreth Bonifatius, gegründet worden ist. Das besagte Landgut wird erst 1051 dem Bistum Hildesheim, unter Bischof Azelin, übereignet: „in comitato videlivet Brunonis comitis et in pago Flotwida situm“, wie dies einer Urkunde des König Heinrich III. vom 2. März 1052 zu entnehmen ist. Hierin werden der Kirche zu Hildesheim die Grafschaftsrechte in sechs sächsischen Gauen (pagis) und elf Archidiakonaten übertragen. Das Original befindet sich im Staatsarchiv Hannover, darin wird das heutige Wienhausen in seiner wohl ersten Schreibweise „Huinhusen“ genannt.
Ein großer Wirtschaftshof
In vorchristlicher Zeit soll dieser Allerort eine germanische Opfer- und Thing- oder Dingstätte gewesen sein, was aber nirgendwo belegt und für die Namensfindung und ihre Entschlüsselung wenig dienlich ist. Das „Huin“ oder „Hugin“ soll auf den Namen Hugo zurückgehen, für „Hugones“, so werden die Franken in alten Schriften genannt. „Hugin“ verweist zudem auf die nordische Mythologie, so heißt einer der Raben Odins. Das altnordische Verb „huga“ steht für denken, ergo „hugi“ für Sinn oder Gedanken. Bereits 1022−1038 führen die Hildesheimer Bischöfe Bernward und später Godehard in „Huginhusen“ einen großen Wirtschaftshof. Er ist seit 1054 durch Kaiser Heinrich III. [1017–1056] mit Markt-, Münz-, Zoll- und Schifffahrtsrechten belegt. Das (Alten-)Zelle entwickelte sich inzwischen zum Vorort der Südheide. Von 1137 an regierten der Welfe Heinrich der Stolze [1102–1139] und dessen Sohn, Heinrich der Löwe [1129/30–1195], dieser bestimmte alsdann 1150 (Alten-)Zelle zum einzigen Stapel- und Umschlagplatz und zur Zollstätte für die talwärts ausgeführten Güter von Braunschweig nach Bremen. Urkundlich bezeugt wird der heutige Ort Wienhausen seit 1057 am Oberlauf der Aller, wo knapp 200 Jahre später dann, um 1230, das Zisterzienser-Kloster erbaut wird. Er findet als Sitz eines Archidiakons in „Huginhusen“ Erwähnung, wo um 1051 auch eine hölzerne Pfarrkirche nachweisbar ist. 1202 wurde (Alten-)Zelle von Braunschweig getrennt und gehörte zu Heinrich I. von der Pfalz [1173–1227], der Lange oder der Lahme genannt, der die Kaufmannssiedlung (Alten-)Zelle, das „aput villam nostram Schellis“ an der Allerfurt ebenfalls mit Zollrechten versah. Der Ort lag günstiger als Wienhausen an der alten Nord-Süd-Straße, die Mitte des 13. Jahrhunderts auch von Romreisenden aus dem Norden genutzt wurde.
Es kursieren verschiedene Auffassungen über die Herkunft und Bedeutung des Ortsnamens, die aber alle dem Bereich der Spekulation und viel späteren Zuschreibungen angehören, bis hin zum christlich konnotiertem „Weinberg Gottes“, der etwas süffisanten Zuschreibung von „Wyn“ oder „Win“ oder plattdeutsch „Wien“ für Wein. Es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn die ursprünglich bekannten Besitzverhältnisse auch die Namensgebung bestimmten, dass jener Wynfreth Bonifatius mit seinem Vornamenteil „Wyn“ und „Hugin“ (Franken/Hugonen) auch den ursprünglich schriftlichen Ortsnamen belegt. Wer das vertiefen will, kann den vielfachen Bedeutungen etwa im Althochdeutschen nachgehen, wo die Namen „wini“, „wine“, „wyn“ nicht für Wein oder gar Wiese, sondern für Freund oder Geliebter stehen, und sehen, wohin das führt. Alle Deutungen, dass sich der Name von den Weihen (den Vögeln) ableite, oder dass er ein geweihter Ort gewesen sei oder vom Wyn, Win, Wien = Wein, dem „Wienbarg des Herrn“ sich herschreibt, sind wenig überzeugende und nachträgliche Spekulationen.
„Untüchtig, sich zu himmlischen zu erheben“
Eine dieser gern weitergetragenen Spekulationen um den Ortsnamen findet sich in der verhältnismäßig spät aufgezeichneten Klosterchronik von 1692: „Ehemahln wardt dieser Ort genandt Wiginhusen sonst auch Wygenhusen von den Weyen die sich da in großer Menge aufhielten, welche von ihrem natürlichen Fluge und von ihrer Stärke Weuhe genandt werden. Mit welcher diejenigen Christen füglich verglichen werden, die wegen großer Trägheit im Christenthum untüchtig sind sich zu den himmlischen zu erheben.“
Zu der Zeit, als der „Sachsenspiegel“ schriftlich niedergelegt wird und mithin das deutsche Rechtssystem erste Formen anzunehmen beginnt, planen Heinrich I. und Agnes, ursprünglich im Gebiet von Nienhagen, im heutigen Landkreis Celle, am Unterlauf der Aue, einem Nebenfluss der Fuhse (auch Fose, Fusa), um 1225 ein Nonnenkloster (Zisterzienser) erbauen zu lassen. „Ein geistliches Jungfrauen Kloster zu Gottes Ehren.“ Aber es sei, laut Klosterchronik, von „Wassermükken und allerhand gifftigen Würmern sehr incommodiret“ gewesen und hatte zudem „wegen des sümpfichten Ohrts keine gesunde Lufft“, so dass es dort schließlich nach etwa 10 Jahren abgerissen worden sein soll und in Wienhausen erbaut wurde. 1233 bestätigt der Hildesheimer Bischof die Gründung des Klosters, das noch heute an der Oberaller steht. Agnes, die großzügige Stifterin, stirbt 1248 in (Alten-)Zelle und wird in Wienhausen beigesetzt. Im selben Jahr wird (Alten-)Zelle das Stadtrecht verliehen, dies bestätigt am 12. April 1249 eine Urkunde von Otto dem Kind [1204–1252], dem ersten Herzog von Braunschweig-Lüneburg, unter dem seit 800 nachweisbaren und noch heute gültigen Familiennamen der Welfen (italienisch Guelfi).
Trugwelt außerhalb der Klostermauern
Die gefallenen, wie auch immer in Schwierigkeiten geratenen oder schlicht unverheirateten Töchter des Adels und der vornehmen, finanziell gut dastehenden Bürgergeschlechter suchten und fanden in Klöstern als Mägde Gottes Aufnahme. Lesen, Beten, Singen, Sticken und wohl auch Malen und Zeichnen füllten, neben all den anderen Aufgaben, die ansonsten weltabgewandten Klostertage. Ein mehr oder weniger abgeschiedenes Leben. Das Leben außerhalb der Klostermauern wurde als Drochwerlt = Trugwelt empfunden, vor der auch den Nonnen im Kloster Wienhausen grauste: „myk gruet vor dyn wesent!“ (Trugwelt, mir graust vor deinem Wesen!) Auch lesbar als, mich graust Deine Anwesenheit oder besser: mich gruselt dein Treiben.