Trotz mangelhafter Ausrüstung und Bewaffnung wurde – auch im Kreis Celle – die Aufstellung und Ausbildung des Volkssturms vorangetrieben. In den vorangegangenen Teilen wurde aufgezeigt, wie bürokratisch dieses Unterfangen teilweise vonstattenging. Im letzten Teil soll nun dargelegt werden, wo der Volkssturm bei Eintreffen der alliierten Truppen tatsächlich noch zum Einsatz kam.
Volkssturm als äußerst gefährlich eingeschätzt
Es waren die Bilder der nationalsozialistischen Propaganda, die dafür sorgten, dass der Volkssturm von Seiten der Alliierten zunächst als durchaus ernste Bedrohung eingestuft wurde. In internen Handreichungen der US Truppen wurde der Volkssturm als äußerst gefährlich eingeschätzt – „Menschen die ihre Heimat unter solchen Bedingungen verteidigen, sind in der Lage eine sehr gezielte Verteidigung aufzubauen (...)“, heißt es im US Intelligence Bulletin des Monats Februar 1945.1 Zu diesem Zeitpunkt fehlte den US Truppen noch die eingehende Erfahrung mit dieser potentiellen Bedrohung. Die mögliche Gefahr durch einen wehrhaften Volkssturm wurde jedoch schon bald von der militärischen Wirklichkeit eingeholt. Was sich tatsächlich bei Eintreffen der US Truppen beziehungsweise der britischen Streitkräfte ereignete, ist nur selten in offiziellen Schriftwechseln festgehalten worden. Häufig sind daher die Berichte von Zeitzeugen die einzig verfügbaren Quellen, die noch über den tatsächlichen Einsatz der Volkssturmeinheiten berichten.
Erste einsatzmäßige Erwähnung
Im Zuge der Verfolgung und den Massakern an KZ-Häftlingen, die sich nach dem Luftangriff auf den Güterbahnhof am 8. April 1945 ereigneten, findet der Celler Volkssturm im Stadtgebiet eine erste einsatzmäßige Erwähnung.2 Offizielle Befehle liegen hierzu allerdings nicht vor.
Menschen verweigern Teilnahme am Volkssturm
Aus Adelheiddorf berichtete der Dorfschullehrer Alfred Schlüter nach Kriegsende, dass zum Volkssturm aufgerufen worden war – aber die meisten seien nicht hingegangen, weil sie fanden, dass sie ihren Häusern und Höfen besser nutzen konnten.3 Schlüter führte aus: „Die Brücken sollten gesprengt werden. Aber der Volkssturm tat es nicht.“
Wehrmacht übernimmt letztlich die Brückenwache
In Wathlingen sollte der Volkssturm ebenfalls noch zum Einsatz kommen. Rektor Schröder und Lehrer Seffer erzählten hiervon im Gespräch mit Hanna Fueß nach Kriegsende wie folgt: „Er (Anm.: der Volkssturm) sollte das Dorf verteidigen und die Fuhsebrücke auf die Eisenbahnbrücke sprengen. Zuerst musste der Volkssturm die Brücken bewachen aber es war so, dass zum Volkssturmführer gesagt wurde: „Die stell da man hin, dann geht die Brücke bestimmt nicht in die Luft!“ Das hat die Wehrmacht aus herausgekriegt. Die letzten Tage übernahm die Wehrmacht die Brückenwache.“4 Die Brücken bei Wathlingen wurden schließlich durch die Wehrmacht gesprengt. Seffer war selber Zugführer des Volkssturms in Wathlingen 5 und wurde nach Eintreffen der US Truppen zum Verhör mitgenommen.
In Bröckel Panzersperren gebaut
In Eicklingen hielt sich nach Kriegsende das Gerücht, der Volkssturm habe Brückensprengungen sogar aktiv verhindert.6 In Bröckel erzählte Pastor Gellermann im Gespräch mit Hanna Fueß über das Auftreten des Volkssturmes wie folgt: „Einige Tage vorher haben wir in Bröckel Panzersperren durch den Volkssturm gebaut. Sie wurden außerhalb des Dorfes errichtet, wurden aber nur halb fertig. Wir sind dann einfach nach Hause gegangen.“7
Blaue Brücke wird durch Wehrmacht gesprengt
Lehrer Müller aus Lachendorf in seinem Tagebuch fest: „3. April: Vom Volkssturm aus haben wir oft Brückenwache. Oft wissen wir nicht, was wir (tun) sollen. Soldaten und Zivilisten müssen wir anhalten, ob sie keine Deserteure sind. Und dann arbeiten die Volkssturmmänner an allen drei Brücken und bereiten sie zur Sprengung vor. (...). 9. April: Nachts stehen wir Wache an den Brücken und müssen, wenn Befehl von Celle kommt, (...), die Brücken sprengen.“8 Die Blaue Brücke 9 in der Sprache wurde schließlich am 12. April 1945 noch durch die Wehrmacht gesprengt 10 – von den verlegten Fliegerbomben explodierte jedoch nur eine, sodass nur eine Hälfte der Brücke beschädigt wurde und diese auf der anderen Seite noch befahrbar war.11