Celle Stadt

Das Fachwerkensemble Bullenberg 18/19 zählt zu den ältesten Barockhäusern am Bullenberg

Von den einstmals zahlreichen Fachwerkhäusern - am Bullenberg aus dem 17. und 18. Jahrhundert haben sich nur wenige bis in die Gegenwart retten können: Nr. 6 (Sandkrug), 18/19, 24 und 25.1 - Die am südlichen Bullenberg gelegene Häuser 18/19, die in diesem Beitrag näher vorgestellt werden, zählen zu den ältesten Gebäuden an der Straße. Diese verdankt ihrem Namen vermutlich der früheren Bestimmung dieses Areals vor der Celler Stadtmauer - als Viehweide für die Bullen. -

  • Von Cellesche Zeitung
  • 14. Juni 2013 | 12:10 Uhr
  • 19. Dez. 2022
Der Literaturhistoriker - Profesor Dr. Karl Goedeke (1814-1887) -
  • Von Cellesche Zeitung
  • 14. Juni 2013 | 12:10 Uhr
  • 19. Dez. 2022
Anzeige
Celle Stadt.

Bereits auf dem Anfang des Jahres 1680 erstellten Idealplan der Westceller Vorstadt ist an dieser Stelle ein Haus als Altbestand eingezeichnet.2 Das Fachwerk-ensemble, bei dem es sich um einen stark überformten Bau handeln dürfte, ist laut Gernot Fischer ein „Beispiel für eine Denkmalsetzung aus überwiegend geschichtlichen Gründen“.3 Denn dort wurde 1814 der Literaturhistoriker Professor Dr. Karl Goedeke geboren (1814–1887), woran eine am Haus angebrachte Tafel erinnert. Auf dem Kamp 6 in der Celler Neustadt gibt es noch ein zweites „Goedeke-Haus“, das ebenfalls unter Denkmalschutz steht.4

Goedeke studierte in Göttingen Philologie und Literaturgeschichte und arbeitete später unter anderem als Korrespondent der hannoverschen Hofbuchhandlung Hahn. Im Jahr 1873 wurde er zum außerordentlichen Professor für Literaturgeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen ernannt. Berühmt wurde er primär durch seine literaturhistorischen Arbeiten, vor allem durch sein Werk „Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung“ (1857–1881), das bis in die Gegenwart fortgeführt wird.5

Geburtshausvon Karl Goedeke

Die am südlichen Teil der Straße gelegene, in ochsenblutfarben gestrichene Gebäudegruppe besteht heutzutage links aus einem kleinen eingeschossigen Fachwerkbau (Nr. 18), dessen Giebel zur Straßenseite weist, rechts aus einem zweistöckigen traufständigen Gebäude mit Anbau (Nr. 19), das rückwärtig mit der Nr. 18 durch einen zweigeschossigen Fachwerktrakt verbunden ist.6 Die bauliche Situation hat sich seit 1800 vermutlich nur wenig verändert, da bereits damals auf dem Grundstück ein Wohnhaus mit einem Flügel und einem Anbau stand. Der Wert des Ganzen wurde mit 900 Reichstalern beziffert, was damals für den südlichen Bullenberg ein recht hoher Betrag war.7

Eine plastische Beschreibung des Anwesens wurde 1949 von Paul Alpers verfasst „Von dem Giebelfenster des Hauses Nr. 18, das dem Bohlenberge (Anmerkung: so der damalige Straßenname) im Süden so vorgelagert ist, daß sich nur ein enges Gäßchen zur Hannoverschen Straße durchwindet und das Anwesen zwingt, mit Ecken und Windungen seinem Vorbilde zu folgen, kann man den Bohlenberg ganz übersehen. Es ist ein seltsames Haus: zwei winzige Seitenflügel rechts und links von einem steingepflasterten Innenhof stoßen an ein breiteres und stattlicheres Haus. Eine zweiflügelige Haustür zeigt mit ihren blanken Messingknöpfen und der schweren messingnen Klinge eine bürgerliche Wohlbehäbigkeit. Durch die gotischen Spitzbogen des zierlichen Oberlichts fällt das Licht nur spärlich auf die Sandsteinplatten des Flures. Niedere weiße Türen hängen an kunstvoll geschwungenen Hespen. Über hohe Schwellen tritt man in gründämmrige Stuben. Linker Hand öffnet sich unter einem niedrigen gewölbten Boden der Gang, der in Hof und Garten führt. Unter dem alten Birnbaum ist alles vereint, was zu einem Stadtgärtlein hinter einem so verzwickten und verschachtelten Hause gehört …“8

Eines der ältesten Gebäude in derWestceller Vorstadt?

Dieses von Alpers so bildhaft beschriebene verwinkelte Anwesen wurde laut Theodor Sprenger 1705 im Kern von einem Lüdeke Sinemann (Sinnemann) erbaut,9 der seit dem 6. April 1687 mit Maria Elisabeth Tölke aus Altencelle verheiratet war. Aus dem Traueintrag im Kirchenbuch der Celler Stadtkirche geht hervor, dass er bereits damals „vor dem Westerzeller Thor“ (Westceller Tor) wohnte.10 Über den Beruf dieses Mannes ist bislang nichts bekannt.

Das Grundstück blieb auch in den folgenden Jahren im Besitz der Familie Sinnemann. So wird 1740 als Hauseigentümer ein Dietrich Sinnemann genannt.11 Und doch dürfte das Haus oder möglicherweise ein Vorgängergebäude älter sein, als Sprenger vermutet, da auf demIdealplan von 1680 (siehe oben) bereits an diesem Ort ein bestehende Bebauung eingezeichnet ist. Somit zählt es zu den ältesten Gebäuden der einstigen Westceller Vorstadt.

1751 wird ein Mann namens Brauel (Braul) und 1774 die Frau von Johan Baltasar Drösemeier, eine geborene Ho-mann, als Eigentümer des Grundstücks geführt.12 Über beide Personen ließ sich bislang nichts Näheres in Erfahrung bringen. 1817 kam das Fachwerkensemble in den Besitz des Maurermeisters Johann Ludewig Goedeke,13 der einer alteingesessenen Celler Bürgerfamilie entstammte. Er war der Vater des zuvor genannten Literaturhistorikers Karl Goedeke.

Das sich heutzutage in Privatbesitz befindliche Anwesen Bullenberg 18/19 ist das einzige erhaltene Fachwerkensemble am südlichen Abschnitt der Straße kurz vor der Einmündung in die Hannoversche Straße. Vom 17. Jahrhundert an bis in die 1950er Jahre besaß dieser südliche Teil des Bullenbergs (einst auch Bohlenberg, Am Bullenberge, Bullenbergstraße genannt) mit seinen Bäumen noch den Charakter eines Dorfplatzes.14 Er war fast ausnahmslos von Fachwerkhäusern umgeben. Diese wurden leider mit Ausnahme des hier beschriebenen Gebäudekomplexes abgebrochen und durch Neubauten ersetzt, so dass das dörfliche Ambiente völlig verloren ging.

1 FLICK, Andreas/MAEHNERT, Sabine/RÜSCH, Eckart/STEINAU, Norbert: Die Westceller Vorstadt. Celles barocke Stadterweiterung. Geschichte und Bauten (= Celler Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte, Bd. 40), Celle 2010, S. 62.

2 Stadtarchiv Celle (StA Ce), B4, ehemals Beilage zu Best. 23 E Nr. 12: „Vorschlags Riß, Wie man dass stück Land, so [...] vom West-Zeller Thor an biß hinter der Neustadt sich erstrecket [...] mit Straßen und Häusern ordentlich bebauen könne.“

3 Gernot FISCHER: Celler Baudenkmale (= Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte. Schriftenreihe des Stadtarchivs und des Bomann-Museums, Bd. 28), Celle 2000, S. 93.

4 Stadt Celle, Bebauungsplan Nr. 131, S. 16 (www.celle.de – 16.04.2011).

5 www.wikipedia.org/wiki/Karl_Friedrich_Ludwig_Goedeke - 20.1.2011.

6 FISCHER 2000, S. 92f.

7 StA Ce, Best. 22 Nr. 22: Einwohnerverzeichnis und Gebäudewerte, 1798-1833, S. 172.

8 Paul ALPERS: Karl Goedeke: sein Leben und Werk, Bremen-Horn 1949, S. 19.

9 StA Ce, Best. N 08 Nr. 700: „Abschrift der Rolla oder Verzeichnis der Stadt Celle sämbtlicher Einwohner, angefangen und geschrieben von Rudolph Fricke, anno 1660.” Fortgesetzt und möglichst vermehrt von Theodor Sprenger, 1894, S. 233 (Bleistiftnachtrag). Der Name Sinnemann kommt heute noch in Celle vor.

10 Jens Th. KAUFMANN (Hg.): Niedersächsische Trauregister, Celler Land, Bd. 1 Von den Anfängen bis zum Jahr 1700. Lfg. 2, Stadt Celle (II), Burgvogtei Celle, Amtsvogtei Bissendorf, Amtsvogtei Burgwedel, Braunschweig 1999, S. 8 und 26.

11 StA Ce, Best. N 08 Nr. 700, S. 233.

12 Ebd.

13 Ebd.

14 Egon ENGHAUSEN/Carsten MAEHNERT: Unterwegs in Neuenhäusen und seiner Geschichte, Celle 2002, S. 54.

Von Andreas Flick

Von