Nach dem Sturz der nationalsozialistischen Herrschaft und der Besetzung Deutschlands durch die Alliierten im Jahre 1945 sollte das Land eine neue staatlich-gesellschaftliche Organisationsform erhalten. Grundlegende Bedeutung hatte dabei die von den Siegermächten vorgenommene Teilung des Landes in eine amerikanische, britische, französische und sowjetische Besatzungszone. Celle gehörte zur britischen Zone und innerhalb dieses Gebietes zur Provinz Hannover.
Erste Maßnahmen nach der Besetzung
Da die Alliierten zum Zeitpunkt der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht nicht über eine gemeinsame Konzeption für die Besatzungspolitik verfügten, orientierten sich die Briten zunächst an Grundsätzen und Überlegungen, die in einem britischen Deutschland-Handbuch im Oktober 1944 formuliert worden waren:
– Ausschaltung des Nationalsozialismus und der Wurzeln des Militarismus im allgemeinen und aus der Verwaltung, Justiz und Wirtschaft im besonderen;
− Umerziehung der Deutschen zu demokratischen Lebensformen;
− Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung nach Besetzung und Kapitulation;
− Verhinderung einer „Verbrüderung“ (fraternization) zwischen deutscher Bevölkerung und alliierten Truppen;
− Lösung der zu erwartenden existenziellen Nachkriegsprobleme mit Hilfe einer deutschen Selbst- und Auftragsverwaltung (indirect rule-Prinzip);
− Kontrolle von Wirtschafts- und Finanzwesen, Rundfunk und Presse;
− Wiederbelebung einer deutschen Friedenswirtschaft auf reduziertem Niveau.“1
Angesichts der ungeheuren Zerstörungen und damit verbundenen Folgen für das Überleben der Menschen und für die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse in ihrer Zone war es das vorrangige Interesse der britischen Militärregierung, mit Hilfe eines „vertrauenswürdigen“ Fachpersonals die auf Landes-, Provinz- und Bezirksebene wie auch in den einzelnen Landkreisen und Städten notwendigen Maßnahmen durchzuführen.
„Damit begann für die Briten bereits im Vorfeld der eigentlichen Entnazifizierung ein Dilemma, aus dem sie sich lange Zeit nicht befreien konnten.“ Einerseits war in der Situation, in der sich Deutschland 1945 befand, eine funktionsfähige Verwaltung unerlässlich, andererseits wollte die Besatzungsmacht „dem besatzungspolitischen Ziel einer Entnazifizierung der deutschen Gesellschaft auch im Sinne einer personellen Säuberung Rechnung tragen“.2
Wie schwierig es dabei war, in kurzer Zeit geeignete „unbelastete“ Personen zu finden, zeigte sich auch in Celle, als die dortigen Vertreter der britischen Militärregierung nach der Besetzung der Stadt sogleich mit der Einrichtung einer arbeitsteiligen Verwaltung begannen und auch hier sehr schnell mit der „nationalsozialistischen Verbindung“ einzelner Personen konfrontiert wurden, die zu einem raschen Wechsel an der Spitze der städtischen Verwaltung bei der Einsetzung eines Oberbürgermeisters führten.3
Nicht zu übersehen war aber auch, dass die Briten bereits frühzeitig, noch vor Beginn einer Bildung deutscher politischer Organisationen und Institutionen versuchten, die öffentlichen Einrichtungen von Gefolgsleuten der NS-Herrschaft zu säubern. Ein genau festgelegtes Konzept bzw. Muster verfolgte man dabei jedoch nicht. So wurden in Celle „beispielsweise die Personalakten des Oberlandesgerichts Celle im ersten Stadium der Entnazifizierung ausschließlich von Dienststellen der Militärregierung ausgewertet“, dagegen „legte man die Überprüfung der städtischen Bediensteten in die Hände des Oberbürgermeisters. Diese Selbstreinigung führte immerhin dazu, daß bis zum Ende des Jahres 1945 fast ein Viertel aller Angehörigen der Stadtverwaltung entlassen wurden. Hierdurch und infolge der Neueinstellung unbelasteter Personen sank der Anteil derjenigen Beamten und Angestellten, die der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen angehört hatten, von 71 Prozent auf 48 Prozent“.4