Was sollen wir bloß in aller Frühe mit dem betrunkenen Seemann machen? Die Frage haben sich wohl schon unzählige Kinder singend gestellt, wahrscheinlich lange vor ihrer ersten Englisch-Stunde in der Schule. „What shall we do with the drunken sailor?“ – fast 200 Jahre hat die Melodie dieses Inbegriffs eines Shantys nun schon auf dem Buckel und dennoch erfreut sie sich immer noch großer Beliebtheit bei Jung und Alt. Kein Wunder also, dass der Klassiker bei der Chorprobe des Celler Shanty-Chors auch zum Besten gegeben wurde. Dabei kann man zum Besten durchaus wörtlich nehmen, denn die 33 Herren und die beiden Damen schmetterten das Lied mit solch einer Verve, die es unmöglich machte, die Beine stillzuhalten, und nicht im Takt mitzuwippen. Als Solo-Sänger gab Horst Reichel bei diesem Lied den Ton an, eine Rolle, die er als langjähriger Direktor des Hermann-Billung-Gymnasiums (HBG) durchaus gewohnt war, wenn auch in etwas anderer Form.
Die Liebe zum Gesang verbindet
Aber woher kommt diese nun fast 25 Jahre währende Begeisterung bei den gut 50 Vereinsmitgliedern? Auch hier bringt es Horst Reichel stellvertretend für seine Mitstreiter auf den Punkt: „Sicherlich haben auch die Auftritte vor Publikum einen besonderen Reiz, aber letztlich ist es die Liebe zum Gesang, die uns alle verbindet“.
Vorsänger gab Takt vor
Das Statement sollte dann auch nicht durch weiteres Insistieren verwässert werden, aber es blieb insgeheim die Frage: Warum gerade Shantys, diese alten Arbeitslieder der Seeleute? Die Antwort auf diese Frage konnte man wohl schon damals auf dem Schiffsdeck beobachten. Ein Vorsänger gab mit einem Lied den Takt vor, während die Matrosen dazu zum Beispiel die Segel hissten oder den Anker einholten. Im Nu war die harte Arbeit beim gemeinsamen Singen leichter geworden und machte obendrein vielleicht auch noch Spaß.
Eingängiger Rhythmus
Und da wäre sie auch wieder – die Freude am Singen. Dazu gesellt sich durch den eingängigen Rhythmus der Lieder ein Moment des Meditativen, und man bekommt eine Vorstellung davon, warum sich buddhistische Mönche mitunter in die Meditation hineinsingen, mit den sogenannten Shantis – was aus dem Sanskrit übersetzt Frieden bedeutet.
Gutes Miteinander
Friedlich und freundlich beschreibt auch gut das Miteinander der Chormitglieder, Eigenschaften, die Claudia-Annette Knackstedt hoch schätzt. Sie ist eine von drei Damen, seit zwei Jahren Vereinsmitglied und die Jüngste im Bunde. Im Gespräch outet sie sich als eine der treuesten Fans des Shanty-Chors: „Schon als Kind haben mich Shantys begeistert, und das hält bis heute an. Als der Celler Chor 1997 ins Leben gerufen wurde, bin ich zusammen mit meiner Schwester zu den Auftritten gereist. Wir haben so gut wie kein Konzert verpasst.“ Das war dann auch dem Moderator des Chors, Harry Krause, irgendwann aufgefallen und er lud sie ein, doch einfach mal mitzusingen. Gesagt, getan, und die Traditionalisten im Verein, die Shantys vor allem mit männlichen Stimmen in Verbindung brachten, waren schnell vom Gegenteil überzeugt.