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FLI-Leiter in Celle: "Tierwohl steht in jedem Parteiprogramm"

Zusammen mit zehn Wissenschaftlern erforscht Professor Lars Schrader am bundeseigenen Friedrich-Loeffler-Institut in Celle Tierschutz und Tierhaltung. Im Interview mit CZ-Redakteurin Dagny Siebke beschreibt er aktuelle Themen.

  • Von Dagny Siebke
  • 06. Okt. 2017 | 18:19 Uhr
  • 12. Juni 2022
  • Von Dagny Siebke
  • 06. Okt. 2017 | 18:19 Uhr
  • 12. Juni 2022
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Celle Stadt.

Wie hat sich die Debatte ums Tierwohl entwickelt?

Als ich 2002 hier am Institut angefangen habe, ging es noch um die große Debatte um die Käfighaltung. Damals sagten viele Landwirte: „Unseren Tieren geht es gut, wenn ich die Gesetze einhalte.“ Oder: „Solange Hühner Eier legen und wachsen, muss es ihnen doch gut gehen.“ Solche Argumente höre ich inzwischen gar nicht mehr. Seit ungefähr sechs Jahren ist die Debatte ums Tierwohl auch bei den Landwirten angekommen. Die Gesetze haben sich für viele Nutztiere gar nicht so sehr verändert, aber die Wirtschaft ist viel offener geworden, ins Tierwohl zu investieren.

Hatten Sie vor der Bundestagswahl Angst vor Veränderungen?

Unsere Arbeit bleibt aus meiner Sicht wichtig, völlig unabhängig von bestimmten Koalitionen. Das Thema Tierwohl steht in jedem Parteiprogramm drin, wenn auch der politische Wille und vielleicht das Tempo unterschiedlich sind. Hier in Niedersachsen wurde der Tierschutzplan von einem CDU-Minister initiiert und von einem grünen Minister fortgeführt. Angebliche ideologische Gräben halte ich für Wahlkampfgerede.

Wo steht Niedersachsen im Vergleich beim Tierwohl?

Durch den Tierschutzplan nimmt Niedersachsen eine Vorreiterrolle ein. Darin wurden konkret Ziele formuliert und Daten festgelegt, wann was erreicht werden soll. Die sogenannte Ringelschwanzprämie ist ein hervorragendes Instrument, weil sie anerkennt, dass tiergerechte Haltung mehr Geld kostet. Gelungen finde ich sie, weil sie nicht vorschreibt, wie genau Schweine gehalten werden müssen. Sie wird ergebnisorientiert gezahlt und der Tierhalter kann bestimmte Veränderungen in der Haltung selbst ausprobieren.

Wie sehr bestimmten aktuelle Skandale ihren Alltag?

Der Fipronil-Skandal war eigentlich ein Lebensmittelskandal. Allerdings haben wir bereits untersucht, welche Mittel es gibt, die rote Vogelmilbe zu bekämpfen. Zum Beispiel hat Kieselgur eine rein mechanische Wirkung und zerschneidet die Haut der Milben. Außerdem haben wir Strategien entwickelt, Milbenbefall frühzeitig zu erkennen. Die Kastenstandhaltung von Sauen hat uns sehr beschäftigt. Weil Forschung immer etwas Zeit braucht, reagieren wir nicht nur auf aktuelle Probleme, sondern versuchen, zu gucken, welche Themen in 20 Jahren aktuell sein könnten. Denn wir wollen Landwirten dann gleich Lösungen anbieten.

Momentan ist das Thema Wolf in aller Munde. Haben Sie Lösungen für Heidschnuckenhalter parat?

Dazu wird leider zu wenig geforscht, weil Schafe, Ziegen oder auch Heidschnucken wirtschaftlich keine besondere Relevanz mitbringen.

Gibt es weitere Tiere, über deren Haltung wenig gesprochen wird?

Zuerst denke ich da an die Bullenmast, für die es keine rechtlichen Anforderungen gibt. Oft gibt es für ein 600 Kilogramm schweres Tier nur drei Quadratmeter Platz. Die Bullen leiden häufig unter Entzündungen der Gliedmaßen, weil sie auf harten Steinböden liegen. Wir sind dabei, weiche Gummiauflagen zu testen, bei denen kleine Steinchen für den nötigen Klauenabrieb sorgen.

Außerdem testen Sie Putenhaltung mit Außenklimabereich...

Die haben wir schon vor über zehn Jahren erprobt. Die Verhaltensweisen von Haustieren unterscheiden sich nicht wesentlich von denen ihrer wilden Vorfahren. Puten und auch Hühner suchen sich nachts Schlafplätze auf Bäumen. Schweine wühlen unheimlich gern. Um den Tieren gerecht zu werden, müssen Landwirte sich auf diese Bedürfnisse einstellen.

Gibt es pauschal Dinge, über die sich jedes Tier freut?

Landwirte können die Haltung verbessern, wenn sie ihren Tiere verschiedene Funktionsbereiche anbieten. Man muss sich das wie in einer kleinen Wohnung vorstellen. Der Schlafbereich sollte vom Klo getrennt sein. Am Trog sollte es nicht so eng sein und im Aktivitätsbereich sollte es Beschäftigungsmaterial geben.