Mathilda M. ist 82. Sie trug als Geschäftsfrau ihr ganzes Leben lang viel Verantwortung, die Arbeit auf Führungspositionen bedeutete ihr alles. Nachdem kürzlich ihr Mann verstorben ist, lebt sie nun allein in ihrem großen komfortablen Haus. Das schicke Auto vor der Tür.
Nachbarn bemerken Veränderung
Mathilda M. (wir haben den Namen geändert) war immer eine elegante Frau, das blühende Leben, beschreiben sie ihre Nachbarn. Die waren es auch, die wahrnahmen, dass sich Mathilda verändert, dass sie sich selbst vernachlässigt. „Das kannten wir gar nicht von ihr“, sagen die besorgten Nachbarn. Jahrelang wohnten sie mit Mathilda M. in derselben Straße. Die Nachbarn vermuteten, dass Mathilda Hilfe gebrauchen und dass sie ihre eigenen Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln könnte.
Amtsärztin eingeschaltet
Und ihre Ahnung war berechtigt, denn die später eingeschaltete Amtsärztin diagnostizierte bei Mathilda M. eine „mittelschwere dementielle Entwicklung, am ehesten vom Alzheimer-Typ“. „Die Notwendigkeit der Einrichtung der Betreuung wird durch die Anhörung der Betroffenen und den unmittelbaren Eindruck des Gerichts, den es sich in der üblichen Umgebung der Betroffenen verschafft hat, bestätigt“, heißt es amtlich.
Heiko Prier zum Betreuer bestellt
Seit rund sechs Wochen ist nun der Diplom-Sozialarbeiter Heiko Prier vom Sozialverband Deutschland (SoVD) Betreuungsverein Celle durch das Betreuungsgericht Celle unter dem Geschäftszeichen 25 XVII M… zum Betreuer bestellt worden. Er ist jetzt für die Sorge für die Gesundheit, zur Vermögenssorge, zur Entgegennahme, zum Öffnen und Anhalten von Post und zur Regelung von Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten zuständig. „Das Gericht wird spätestens bis zum 3. April 2029 über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung beschließen“, heißt es in dem offiziellen Beschluss.
Gute Vertrauensbasis aufbauen
„Doch, die Nachbarn hatten recht“, bestätigt Prier deren richtiges und aufmerksames Handeln. Denn Mathilda M. hat keine Kinder oder Angehörige. „Mathilda ist nett und freundlich“, hat sich Betreuer Prier einen ersten Eindruck verschafft. „Es gilt jetzt, eine gute Vertrauensbasis aufzubauen.“
Betreuer hat etwa 50 Personen
Prier ist einer von vier Vereinsbetreuern des Betreuungsvereins Celle, der seit 30 Jahren unter dem Dach des SoVD arbeitet. „Jeder unserer Betreuer hat etwa 50 Personen, um die er sich kümmert“, sagt Prier, der gleichzeitig Geschäftsführer des Vereins ist. „Wir sind praktisch Sachwalter für die Menschen, die Unterstützung brauchen.“
In ständigem Kontakt
Und deren Anzahl steigt stetig. Gründe dafür sieht Prier darin, dass immer mehr Familienstrukturen wegbrechen und Menschen vermehrt allein leben, aber auch in der Zunahme von psychischen Erkrankungen – auch bei jüngeren Menschen. „Wir müssen mit den Betreuten ins Gespräch kommen, Vertrauen aufbauen und in ständigem Kontakt mit ihnen bleiben“, umreißt Prier die Aufgaben des Betreuers. Dazu gehört auch das Sichten und Sortieren von Dokumenten, die für die Betreuten wichtig sind. Versicherungsunterlagen, Rechnungen, Behördenschreiben – alles muss im Sinne des Betreuten bearbeitet werden. „Das ist eine ständige Gratwanderung zwischen den Ideen, Vorstellungen und Rechten der Betreuten und den Anforderungen des Betreuungsgerichtes. „Wir streben danach, innerhalb eines auf Vertrauen, Achtung und Verständnis basierenden Verhältnisses zu den Betroffenen diesen durch partnerschaftliche Hilfestellung bei weitestgehender Selbstbestimmung ein Leben in Würde in der sozialen Gemeinschaft zu ermöglichen. – Wir sind da für die Betreuten, um rechtliche Ansprüche zu wahren und geltend zu machen“, zitiert Prier aus einer Handreichung. Danach unterstützen die Vereinsbetreuer nach Paragraf 1896 und den folgenden des Bürgerlichen Gesetzbuches volljährige Menschen aller Altersgruppen und aller sozialer Schichten sowie psychisch Erkrankte und/oder Behinderte, suchtkranke und altersverwirrte Personen, die, auf sich allein gestellt, nicht in der Lage sind, bestimmte oder alle persönlichen Angelegenheiten ihres Lebens selbst regeln zu können.
Fahrerlaubnis wird eingezogen
Jetzt kümmert sich Prier darum, dass Mathilda M. nicht nur sich selbst nicht gefährdet, sondern auch anderen Teilnehmern im Straßenverkehr keinen Schaden zufügt: Die Führerscheinstelle beim Landkreis Celle wird Mathilda die Fahrerlaubnis entziehen, bei dem Krankheitsbild geht das nicht anders. – Dabei wollte Mathilda M. eigentlich in ihrem schicken Auto nach Hannover zum Maschsee fahren…
Von Lothar H. Bluhm