Erste Bohrung in Wietze
1858 brachte der Bohrmeister Hahse im Auftrag des Geologen Konrad Hunäus in Wietze die erste Bohrung nieder. Kein Wunder, dass sich das einstige Bauerndorf Wietze mit größer werdender Nachfrage zum Eldorado von Erdölpionieren, die mit dem „schwarzen Gold“ ein gutes Geschäft machen wollten, wandelte.
1899 beginnt Erdölboom
Ab 1875 wurde die Bohrtätigkeit ausgeweitet. Wobei die Entrepreneure häufig aus dem Ausland kamen. Der Erfolg war jedoch mäßig. Erst 1899 begann der eigentliche Erdölboom mit der ersten eruptiv fündigen Bohrung nördlich des Flüsschens Wietze, auf dem heutigen Gelände des Deutschen Erdölmuseums.
Maximales Fördervolumen 1909 erreicht
1905 waren bereits 32 Erdölgesellschaften in Wietze tätig. Das maximale Fördervolumen wurde schon 1909 erreicht. Aufgrund der nachlassenden Pumpen-Förderung (mit damals nur 15 Prozent Ausbeute) baute man ab 1918 ein Erdöl-Bergwerk, das zuletzt auf eine Streckenlänge von 95 Kilometer kam.
Öl-Bahnhof wäre ein guter Zeitzeuge
Ein guter Zeitzeuge der anfänglich stürmischen Entwicklung wäre der 1903 errichtete Öl-Bahnhof Wietze-Steinförde, auf dem der Großteil des Öls verladen wurde. Dort entstand im gleichen Jahr auch der „größte Öltank des Continents“. Der Bahnhof wäre ein guter Zeitzeuge. Wäre…
Modellbau mit absoluter Präzision
„Man nimmt heute die Größe des Wietzer Bahnhofs, wie er damals war, gar nicht mehr wahr“, findet der Thörener Reinhard Gierach. Gierach ist passionierter Modellbauer. Er baut mit absoluter Präzision aufgrund alter Pläne, Ansichten und Abbildungen an einem fast zehn Meter langen Modell im Maßstab 1:160, das die Bahnhofsanlage Wietze-Steinförde mit allen Details um 1960 darstellt: Ob Lastwagenwaage, Bahnhofsrampe oder Kopfsteinpflasterstraßen, ob Prellböcke, Grubenholzverladung oder Toilettenhäuschen. Auch das an den Bahnhof anschließende Erdöllager mit 22 Öltanks und die Erdölverladung auf Tankzüge werden in dem Modell gezeigt. „Ganze Schienenstränge der ehemaligen Allertalbahn sind demontiert, Gebäude abgerissen“, sagt Gierach. „Wietze war aber um 1904 für lange Jahre die größte Erdöltanklagerstätte in Europa. Die gewaltigen Öltanks hatten damals einen Durchmesser von bis zu 36 Metern und waren zehn Meter hoch.“
Katasterplan als Vorlage
Allein das Modell des Erdöllagers mit Verladung wird 2,80 Meter mal 1,50 Meter groß. „Die Bahnhofsanlage war damals 1100 Meter lang – von Signal zu Signal“, hat Gierach gemessen: „Zum Glück habe ich einen Katasterplan vorliegen, auf dem alles ganz genau eingezeichnet ist.“
Produktion eingestellt
1963 wurde die Produktion im Ölschacht eingestellt, wie Lütgert, erläutert: „Im Zuge der Liberalisierung des Marktes waren die Gestehungskosten des Wietzer Schacht-Öls deutlich zu hoch – etwa bei dem Dreifachen, was die Tonne auf dem Weltmarkt kostete.“ Ende der 1960er Jahre endete auch der letzte Pumpbetrieb.
Ölkrise 1973 zeigt Abhängigkeit
Eine ähnliche Situation wie heute hatten wir schon einmal 1973, als man mit Sonntagsfahrverboten versuchte aus der durch den Nahost-Konflikt – Jom-Kippur-Krieg – verursachten Ölkrise zu kommen. Lütgert: „Da haben wir zum ersten Mal gemerkt, dass man sich nicht in solche massiven Abhängigkeiten begeben darf. Zumal mit solchen Staaten, deren Regime zweifelhaft sind… Damals kamen über 50 Prozent des Rohöls aus dem Nahen Osten, aber in Nordwestdeutschland wurden immerhin gut sechs Millionen Tonnen Rohöl gefördert.“
Erdgas-Förderung auf ein Viertel reduziert
Heute deckt Öl aus niedersächsischen Quellen lediglich ein Prozent des Bedarfes, wobei sich die Ölnachfrage unwesentlich verändert hat. Die Versorgung der Europäischen Union mit Erdgas stützte sich bisher zu einem großen Teil auf Lieferungen aus Russland. „Das begann eben 1973, aber die heimische Förderung – 1999 noch bei fast 23 Milliarden Kubikmeter – hat sich zwischenzeitlich auf ein Viertel reduziert“, weiß Lütgert, „was die Abhängigkeit nicht gerade verkleinert hat“. Er erinnert daran, dass Ronald Reagan den deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt schon 1981 in Ottawa davor gewarnt hat, sich durch die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen durch die UdSSR erpressbar zu machen.
Komplettausfall kompensieren
Mit dem völkerrechtswidrigen Krieg Russlands in der Ukraine muss gefragt werden, wie diese Abhängigkeit künftig deutlich reduziert werden kann und was im Fall einer Lieferunterbrechung von russischen Erdgasexporten passieren würde. Wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) herausgefunden hat, zeigen Modellrechnungen, dass die Europäische Union bei einem Komplettausfall russischer Erdgaslieferungen einen Großteil kompensieren kann: „Kurzfristig stehen die effiziente Bewirtschaftung bestehender Infrastruktur, die Diversifizierung der Bezugsverträge sowie Maßnahmen zur Nachfrageanpassung im Mittelpunkt. Mittelfristig sollte der Ausbau erneuerbarer Energien im Kontext des EU Green Deal beschleunigt werden, inklusive eines zeitnahen Ausstiegs aus der Nutzung fossilen Erdgases, der die europäische Energiesicherheit weiter stärken würde.“ Ein Gasembargo würde nach einem Dossier des DIW im Euroraum deutliche Spuren hinterlassen – in den Nordländern wie Deutschland ähnlich wie in den Südländern wie Italien.
Von Lothar H. Bluhm