Informationsveranstaltung auf der Biogasanlage in Kragen wird gut besucht

Weiß jemand, wo wir hier sind?“, fragten die beiden Geoinformatiker Jan-Hendrik Piel und Henrik Wielert vom hannoverschen Start-up-Unternehmen Nefino in die Runde, als konkret nach Standorten geforscht wurde. Sie ernteten damit allgemeine Heiterkeit. Mit 79 kleinen schwarzen Punkten auf grünen Flächen einer Umrisskarte von Eschede markierten sie nach eingehenden Modellierungen, wo im Gemeindegebiet Potenzial für Windenergieanlagen vorhanden sein könnte. Hendrik Niemanns Kartoffelscheune in Kragen diente als Forum für rund 50 Interessierte, die etwas zu erneuerbaren Energien für die Zukunft in Eschede hören wollten. Erneuerbare Energien für die Zukunft in Eschede: Von Mais, Mist und Zuckerrüben über Teller-Tank-Diskussion bis hin zu harten und weichen Tabuzonen, Flächenpotenzial und Ausschluss- und Abwägungskriterien wurde vieles thematisiert, was zu einer erfolgreichen Energiewende beitragen kann: Erneuerbare Energien für die Zukunft in Eschede standen im Mittelpunkt einer gut besuchten Informationsveranstaltung auf der Biogasanlage in Kragen. Strom für einen Vier-Personen-Haushalt für ein Jahr: Seit 15 Jahren werde die Anlage täglich mit Mais, Mist und Zuckerrüben gefüttert und liefere dadurch sechs Millionen Kilowatt Strom. „Das reicht für 1500 Haushalte“, stellte Hendrik Niemann die Energiequelle Biomasse vor. Und hatte anschaulich einen Haufen mit zehn Tonnen Maissilage aufgetürmt. Strom für einen Vier-Personen-Haushalt für ein Jahr lässt sich daraus erzeugen, 35 Tonnen Biomasse verschlingt die Anlage täglich. Die Frage sei aber, wie es weitergeht, wenn in fünf Jahren die EEG-Förderung wegfalle: „Die Politik muss entscheiden und die Energiewende wahr machen.“ "Zuschauerrolle verlassen und das Heft selbst in die Hand nehmen": Es sei eine riesige Herausforderung, der sich in naher Zukunft auch Kommunen stellen müssen, meinte der Scharnhorster Klaus Drögemüller. Vor dem Hintergrund inzwischen „versandeter“ Projekte für große Solarparks auf dem ehemaligen Bergwerksgelände Maria Glück und auf der früheren Munitionsanstalt Höfer-Aschenberg sei die Frage, wie Eschede Gewinner der Energiewende werden könne, als Weckruf an alle kommunalpolitischen Lager zu verstehen: „Im Prinzip sind sich alle Akteure vor Ort einig, wir müssen die Zuschauerrolle verlassen und das Heft mit Unterstützung unabhängiger Experten selbst in die Hand nehmen.“ Gesamtes Energiesystem muss umgestellt werden: Die Potenziale und Chancen eines Windenergieausbaues in Eschede beleuchteten deshalb die Geoinformatiker Jan-Hendrik Piel und Henrik Wielert vom hannoverschen Start-up-Unternehmen Nefino in einer Projektion auf Grundlage verschiedener Datenbanken und Simulationen: „Wir müssen die installierte Windenergieleistung in Deutschland vervier- bis verfünffachen, um die Klimaziele zu erreichen.“ Gleichwohl sei bei neuester Anlagentechnik und auch der „Aufrüstung“ bestehender Anlagen lediglich eine Verdoppelung der Anzahl der Anlagen notwendig. Dazu müsse das gesamte Energiesystem umgestellt werden. „Wir brauchen mehr Wind- und Solaranlagen – auch in Eschede“, fassten die beiden Experten die Situation zusammen und gingen auf Abstandsregelungen, harte und weiche Tabuzonen sowie regulatorische Rahmenbedingungen und die aktuellen Erlasse der Landesregierung ein. „Nach Abzug harter und weicher Tabuzonen sind in Eschede rund 1087 Hektar als Potenzialfläche für die Windenergie verfügbar.“ Entsprechend dem Platzierungsalgorithmus würde das Raum für 79 Windenergieanlagen der heutigen Generation bedeuten. „Das wären 395 Megawatt kumulierter Nennleistung.“ Zum Vergleich: Im Landkreis Celle erzeugen derzeit 93 Windkraftanlagen Strom, 62 Biogasanlagen sind in Betrieb. Regionales Raumordnungsprogramm wird neu aufgestellt: Der Landkreis Celle befindet sich schon seit Längerem in der Neuaufstellung seines Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP), das das derzeit noch gültige RROP 2005 ersetzen wird. „Die Bekanntmachung der allgemeinen Planungsabsichten erfolgte bereits im Oktober 2011, der erste Entwurf des RROP lag bereits im Frühjahr 2017 zur Öffentlichkeitsbeteiligung aus“, sagt Kreispressesprecher Tore Harmening. Im Anschluss seien die eingegangenen Stellungnahmen gesichtet und der Entwurf entsprechend überarbeitet worden. „Das neue RROP wird für die Nutzung von Windenergieanlagen Vorrangflächen festlegen. Diese sollen gleichzeitig so festgelegt werden, dass außerhalb dieser Flächen Windenergieanlagen nicht errichtet werden dürfen. Das ist eine Ausschlusswirkung.“ Moderate Erweiterung ist in Eschede vorgesehen: In der Gemeinde Eschede sind im bisherigen Entwurf des RROP lediglich die Sicherung der bestehenden Flächen in Ohe mit 25,6 Hektar und eine moderate Erweiterung dieser Flächen um 44,1 ha vorgesehen. „Auf diesen Flächen lassen sich aber wahrscheinlich keine 79 Windkraftanlagen errichten“, vermutet Harmening. „Eine Festsetzung von Flächen für die Nutzung anderer Energiequellen ist im RROP nicht vorgesehen.“ Nachgefragt bei Lars Günsel: Als Sprachrohr nicht nur für „Biogaser“ und „Windmüller“ versteht sich seit drei Jahren der Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen Bremen. Ihm gehören inzwischen 2500 Mitglieder an, und CZ-Mitarbeiter Lothar H. Bluhm befragte Pressesprecher Lars Günsel zu Aufgaben, Arbeitsweisen und Erfolgen des Verbandes, auch im Hinblick auf das Pariser Klimaschutzabkommen. Der Ausbau von erneuerbarer Energie steht im Mittelpunkt Ihrer Arbeit, also Energie aus Wind, Biomasse, Sonne, Wasser und Geothermie. Wie entwickelt sich dieses Vorhaben? Wir fördern die Vernetzung unserer Mitglieder, bündeln ihre Interessen und vertreten sie gegenüber Politik, Medien und Öffentlichkeit. Unser Ziel ist die zügige Umsetzung der Energieversorgung in Niedersachsen und Bremen zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien. Wir betrachten dies als wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Pariser Klimaziele und zur Regionalisierung und Demokratisierung der landesweiten Energieversorgung. Woher kommen Ihre Mitglieder? Sie stammen zu einem großen Teil aus dem Bereich Windenergie, zu einem anderen Teil aus dem Bereich Biogas, dann aus Wasserkraft, Erdwärme und Solar. Mitglieder sind Anlagenbetreiber. Die können sehr klein sein, es können aber auch Biogasanlagenbetreiber sein oder auch Projektierer oder Betreiber von Windkraftanlagen. Wie erfolgt die Finanzierung Ihrer Arbeit? Wir finanzieren uns über Mitgliedsbeiträge. Wir gehören in keiner Weise der öffentlichen Hand an oder sind abhängig von Steuergeldern. Welches Ziel verfolgen Sie denn konkret? Unser Ziel ist, die Energiewende voranzutreiben. Unser Wunsch ist, dass 100 Prozent der Energie aus Erneuerbaren kommt. Wir wissen, dass das ein langer Weg ist, aber unser Ziel ist, den Anteil der Erneuerbaren so hoch wie möglich zu machen. Das ist auch unser Auftrag. Gibt es dafür Kooperationsprojekte? Oh ja. Tatsächlich bewerben wir uns auf projektbezogen geförderte Vorhaben. Da wird das Projekt gefördert, nicht der Verband. Tatsächlich kooperieren wir, weil gerade die Industrie einen hohen Dekarbonisierungsbedarf hat. Das heißt, die Frage, wie sie CO2-arm oder -frei produzieren kann, bewegt die Industrie zurzeit sehr. Wohin geht denn der Trend? Die Entwicklung ist gut: Wir werden immer bekannter, wir haben uns ein Stück weit etabliert. Wir stehen auch in einem engen Austausch mit der Politik, sprechen mit den Leuten, die sich mit Energiepolitik beschäftigen. Wir werden auch zunehmend von der Öffentlichkeit wahrgenommen, und die Industrie nimmt uns immer stärker wahr: Die Industrie kommt auf uns zu und sucht Partner bei der Frage, wie sie ihre Prozesse verändern kann. Hat da eine Bewusstseinsänderung stattgefunden? Ja, genau. Es hat ein Umdenken eingesetzt, ich muss fairerweise sagen, dass das auch mit Greta Thunberg und Fridays for Future zu tun hat. Gespräche in Familien haben viel bewegt. Da sind viele Akteure, aber ein großer Treiber sind die jungen Leute, Schülerinnen und Schüler, die auf diesen Klimanotstand aufmerksam gemacht haben. Das hat sehr viel bewegt. Wir versuchen, im Dialog Prozesse voranzutreiben. Wann sind Sie denn erfolgreich? Erfolgreich sind wir immer dann, wenn wir gemeinsam mit der Politik dazu beitragen können, dass Gesetze oder Verordnungen so gestaltet werden, dass die Energiewende vorangetrieben wird und dass auch der Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgen kann. Das ist beispielsweise mit dem Windenergieerlass gelungen … Von Lothar H. Bluhm Mit dem neuen Windenergieerlass will das Land den Windenergieausbau wieder in Schwung bringen und ein deutliches Signal für die Energiewende setzen. Durch Einrichtungen von Eigenbetrieben für Windenergieanlagen, Nachrangdarlehen und Zahlungen an die Kommunen könnte die Bereitschaft zum Bau von Windrädern gefördert werden.