Hermannsburger Missionswerk unterstützt Projekte zur Linderung der Not

Das Evangelisch-lutherische Missionswerk in Niedersachsen (ELM) arbeitet mit 22 evangelischen Kirchen in 17 Ländern zusammen. Bei Katastrophen wie aktuell der Corona-Pandemie und den wirtschaftlichen Folgen der strengen Ausgangssperre („Lockdown“) kann die aus der Hermannsburger Mission hervorgegangene, landeskirchlich anerkannte Einrichtung auf funktionierende gewachsene Strukturen, Kontakte und die Erfahrungen der Partnerkirchen zurückgreifen. Fortlaufend treffen in Hermannsburg Berichte der Partnerkirchen über die Angst vor der Ausbreitung des Virus und über die verheerenden wirtschaftlichen Folgen ein. Um zu verhindern, dass die Pandemie zu einer sozialen Katastrophe wird, in der die Schwächsten noch mehr leiden, sind bereits die ersten Hilfsprojekte angelaufen. Indien: Die lutherische Gemeinschaft in Indien besteht überwiegend aus Dalits und Adivasii. Dalits („die Gebrochenen“) wurden früher „Unberührbare“ genannt und gelten im Hinduismus als „unrein“. Im Kastensystem stehen die Dalits nach wie vor auf der untersten Stufe, obwohl das Kastenwesen seit 70 Jahren offiziell abgeschafft ist. Zusammen mit den Dalits gehört die indigene Bevölkerungsgruppe der Adivasii zu den am stärksten benachteiligten Menschen in Indien. Kein Geld wegen des Lockdowns: Ihre verzweifelte und unverschuldete jetzige Situation schildert Daniel, ein indischer Wanderarbeiter: „Eigentlich arbeite ich tageweise in der Landwirtschaft. Aber unser Land ist zu trocken, um die Felder zu bewirtschaften. Um Arbeit zu finden und meine Familie zu ernähren, bin ich vor zwei Jahren in die Großstadt Chennai (das frühere Madras) gezogen. Weil ich wegen des Lockdowns nicht mehr arbeiten durfte, bekam ich auch kein Geld. Wir sind zu Fuß in unseren Heimatort gelaufen und manchmal auch getrampt, fast 600 Kilometer. Wenn uns nicht Leute ab und zu etwas gegeben hätten, wären wir verhungert oder verdurstet. An den Kontrollposten wurden wir angehalten und manchmal auch geschlagen, weil wir ja eigentlich nicht den Ort wechseln dürfen. Aber in Chennai wären wir verhungert. Gott sei Dank haben wir alle lebend unser Heimatdorf erreicht. Aber auch dort haben wir kein Geld. Und Regierungsausweise haben wir auch nicht. Deshalb bekommen wir keine Essensrationen.“ Pastor Joshua Peter, Generalsekretär der Vereinigten evangelischen lutherischen Kirchen in Indien, beschreibt in einem Brief an das ELM, dass zusätzlich zu den Wanderarbeitern auch die ungelernten Arbeiter – etwa Träger und Rikscha-Fahrer – durch die völlige Abriegelung schlimm betroffen sind. „Diese Personengruppen haben keinen Zugang zu Nahrungsmitteln für ihr tägliches Überleben.“ Lebensmittelpakete für landlose Familien: In einem ersten Schritt finanziert das ELM durch Spenden die Versorgung von fast 3000 Familien landloser und ungelernter Arbeiter sowie alleinstehender Witwen und Waisen. Sie erhalten Lebensmittelpakete und Desinfektionsmittel. Die Familien werden unabhängig von Religion, Kaste und ethnischer Zugehörigkeit ausgewählt. Jedes Lebensmittel-Paket mit Reis, Linsen, Speiseöl, Salz, Gewürzen und Handdesinfektionsmittel sichert das Leben einer Familie für rund einen Monat. Für nur rund 12,50 Euro pro Familie werden die Hilfsgüter zusammengestellt und die Verteilung organisiert. Und auch die Familien von Schülern aus kirchlichen Wohnheimen werden unterstützt. Mala ist acht Jahre alt und eine Schülerin aus dem Wohnheim in Sarapaka. „Ich bin aus meiner Familie die Erste, die zur Schule geht“, sagt sie. „Mit dem Lockdown mussten alle Schüler das Wohnheim verlassen und nach Hause gehen. Ich bin natürlich froh, bei meinen Eltern zu sein. Aber Papa kann im Moment nicht auf dem Feld arbeiten. Im Wohnheim haben wir immer Essen bekommen, jetzt habe ich dauernd Hunger, es gibt nur einmal am Tag ein bisschen Reis.“ Äthiopien: Die ELM-Partnerkirche in Äthiopien berichtet von Hilfsmaßnahmen in zwei großen Gefängnissen. Besonders geschlossene Einrichtungen wie Gefängnisse bergen eine hohe Gefahr, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Dazu kommt, dass Menschen in Gefängnissen einen schlechteren Gesundheitszustand als die Allgemeinbevölkerung haben. Schutzausrüstung hinter Gittern gefragt: In den Gefängnissen in Ambo und Adama werden von der Kirche Materialien zur Infektionsprävention und persönliche Schutzausrüstung bereitgestellt: 4000 Seifenstücke, Desinfektionsmittel, Handschuhe und Masken sowie zusätzliche mobile Waschbecken. Diese Maßnahmen werden mit Spenden des ELM finanziert. 100 Stück Seife zur Verteilung unter den Gefangenen kosten zum Beispiel 55 Euro. Zembaba Debela arbeitet als Gefängniswärter und begrüßt die Maßnahmen der Kirche: „Zunächst möchte ich mich bedanken. Wir waschen uns so oft wie möglich die Hände, um uns zu schützen.“ Gleichzeitig sieht er aber bei aller Dankbarkeit das Problem der fehlenden Möglichkeit, sich räumlich zu distanzieren: „Hier leben 70 bis 100 Gefangene in einem Raum. Es ist schier unmöglich, dass wir die Pandemie verhindern können, wenn so viele Insassen in einem Raum leben.“ Deshalb fordert er eine politische Lösung des Problems. Gefangene mit kurzen Haftstrafen sollten entlassen werden, um mehr Platz für die restlichen Insassen zu schaffen. Aufklärungsarbeit als zweite Säule: Neben ganz konkreter Hilfe setzt die Kirche vor allem auf Aufklärungsarbeit. Das bedürfe hoher Sensibilität, denn Gefangene (die durch die Haft sowieso schon mit vielen Einschränkungen ihrer Freiheit leben müssen) würden auf weitere restriktive Maßnahmen mit deutlich mehr Unmut reagieren als die Menschen „draußen“. Mitarbeitende in Gefängnissen, zuständige Gesundheitseinrichtungen und Ehrenamtliche werden geschult, geeignete Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Dabei kann die Partnerkirche auf gute Erfahrungen mit Projekten zu Aufklärung und Konfliktbewältigung zurückgreifen. Südafrika: Großstadtdschungel in Johannesburg: Im Stadtteil Hillbrow leben 70.000 Menschen – vor allem Flüchtlinge aus anderen afrikanischen Ländern – auf einem Quadratkilometer. Die Gegend ist von Arbeitslosigkeit, Gewalt, Prostitution und Drogen geprägt. Leidtragende sind besonders Kinder, Jugendliche und Frauen. In einem solchen Umfeld hat die Sozialarbeit der lutherischen Kirche konstruktive Programme etabliert, um Menschen darin zu unterstützen, möglichst unabhängig ein Leben in Würde führen zu können. Schutzmasken vom Nähprojekt: Ein Projekt ist das Boitumelo-Nähprojekt. Dort lernen Männer und Frauen kunsthandwerkliches Nähen, Stricken und Sticken und verkaufen ihre Produkte, um den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren. Wegen der strengen Corona-Auflagen war das längere Zeit nicht möglich. Jetzt ist das anders: „Wir dürfen Masken machen“, freut sich Robert Michel, Geschäftsführer der Outreach Foundation. „Wir haben die Fähigkeiten und Einrichtungen zur Herstellung von Masken, um die Südafrikaner im Kampf gegen die Corona-Pandemie zu unterstützen. Jetzt haben wir von der südafrikanischen Regierung den Status eines wesentlichen Dienstleisters bekommen.“ Das ELM unterstützt mit Spendengeldern die Produktion von 4000 Schutzmasken. Außerdem fördert das Hermannsburger Werk die Abgabe von Lebensmittelgutscheinen an bedürftige Familien. Ein Lebensmittelgutschein kostet etwa 20 Euro und sichert 14 Tage lang die Grundversorgung für vier Personen. Zur Finanzierung verzichten in der Kapkirche Mitarbeitende auf fünf Prozent ihres Gehalts. Die ersten Gutscheine sind bereits verteilt: „Ich bin so dankbar für den Gutschein“, freut sich Raymond Kok – selbstständig und seit dem Lockdown ohne Einkommen – über die Unterstützung. „Ich möchte allen danken, die gespendet haben, und ich hoffe und bete, dass unser Gott Sie mit der Fülle des Lebens segnen wird.“ Von Klaus M. Frieling Dank der Unterstützung durch Spenden sowie der Landeskirche Hannovers konnten viele Projekte in Partnerkirchen des Hermannsburger ELM finanziert werden. Damit weiter Menschen unterstützt werden können, die wegen der Corona-Einschränkungen ihren Lebensunterhalt verloren haben, sind Spenden auf das ELM-Konto IBAN: DE54 2575 0001 0000 9191 91 unter dem Stichwort „Corona Hilfe CZ“ willkommen. Auch online kann gespendet werden unter www.spenden-fuer-mission.de