Wie sich Winsens Gewerbe durch die Krise kämpft

Die Gemeinde gilt als eine der lebendigsten im Landkreis Celle. An der Einkaufsmeile und seinen Nebenstraßen gibt es zahlreiche Läden. Kleine Boutiquen, liebevoll gestaltete Schaufenster. Während andere Gemeinden keinen echten Ortskern haben oder der örtliche Handel längst vor den Internet-Riesen eingeknickt ist, hält sich das Winser Gewerbe hartnäckig. Kaum noch Leute auf der Poststraße: Doch jetzt, nach fast einem Jahr Corona-Pandemie sind auch in Winsen die Spuren der Krise deutlich sichtbar. Auf der Poststraße sind kaum noch Leute unterwegs, es gibt die ersten Betriebsschließungen. Zahlreiche Geschäfte müssen in der Krise auf Kurzarbeit zurückgreifen. Schaufensterverkauf beim Juwelier: Goldschmiedemeisterin Imke von Bostel hat ihre Angestellte, die sonst im Verkauf arbeitet, vorübergehend nach Hause geschickt. Das Ladengeschäft ist geschlossen, nur die Werkstatt ist geöffnet. Immerhin darf sie einen Schaufensterverkauf anbieten. Wer vorher anruft oder im Internet bestellt, kann sich seine Uhr oder den Schmuck abholen. Von Bostel versucht, optimistisch in die Zukunft zu schauen. „Bei mir ist das Glas immer halb voll“, sagt die Inhaberin des Juwelierladens, obwohl die Umsätze in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen seien. Wie es langfristig weitergeht, weiß sie nicht. Andrea Tanke, Chefin der Pusteblume, spricht von 30 Prozent weniger Umsatz in ihrem Laden. Da sie Waren des täglichen Bedarfs wie Kosmetik und Feinkost verkauft, darf sie öffnen. Sie hat drei Angestellte, im ersten Lockdown musste sie ihre Leute für einen Monat in unbezahlten Urlaub schicken. Um ihre Kunden zu halten, fährt Andrea Tanke bestellte Ware sogar mit dem Fahrrad aus. „Der Online-Handel macht uns sehr zu schaffen“, berichtet sie. Die Stimmung unter den Winser Unternehmern sei gedrückt. Sie wisse von zwei Betrieben, die bereits geschlossen hätten oder schließen werden. Folge: Der Leerstand an der Poststraße wird zunehmen. Gewerbeverein rechnet mit Schließungen: Beim Gewerbeverein kennt man die schwierige Lage. Der Vorsitzende Norbert Hinz schließt nicht aus, dass in den kommenden Monaten noch weitere Winser Geschäfte für immer zusperren müssen. Viele Betriebe hätten Kurzarbeit angemeldet. „Kurzarbeit heißt weniger Geld im Portemonnaie“, sagt Hinz. In den Betrieben würden nur wichtige und nötige Ausgaben getätigt. Coronahilfen seien zwar geflossen, aber viel zu wenig. "Hohe Umsatzeinbrüche bei laufenden Ausgaben sind über so einen langen Zeitraum nicht zu kompensieren. Die Reserven sind aufgebraucht. Es wird mehr Hilfe benötigt“, schlägt der Vorsitzende des Gewerbevereins Alarm. Die Corona-Auswirkungen auf das Winser Gewerbe sind höchst unterschiedlich. Während bei vielen Handwerkern die Auftragsbücher nach wie vor gut gefüllt sind, ist die Stimmung im Einzelhandel auf dem Tiefpunkt. Kerstin Wennde, Inhaberin des Schuh- und Sporthauses, hat acht Mitarbeiter – sie sind alle in Kurzarbeit. Mit "Click & Collect" versucht sie, wenigstens ein bisschen Umsatz zu machen. Das läuft so: Kunden bestellen sich zum Beispiel drei Paar Schuhe, holen diese ab, probieren sie zu Hause an und bringen zwei Paar zurück. "Wir kämpfen uns durch die Krise. So langsam ist die Geduld aufgebraucht. Wir brauchen ein Datum, wann wir wieder aufmachen dürfen", fordert Wennde. Sie glaubt, dass der Handel noch zwei oder drei Jahre an der Krise "zu knapsen" habe. In der Gastronomie ist die Situation mitunter dramatisch. Trotzdem will Claudia Perchner vom Hotel-Restaurant "Stadt Bremen" nicht zu schwarz malen. Im Gegenteil, sie bleibt optimistisch. Ihre Urgroßeltern hätten das Gasthaus im Jahr 1913 übernommen. "Wir haben zwei Weltkriege überstanden, wir werden auch die Pandemie überstehen", sagt sie. Auch sie hält sich mit Außer-Haus-Verkauf über Wasser. Die Kunden können alle Gerichte auf der Speisekarte bestellen und selbst abholen. "Das wird gut angenommen", sagt die Chefin, "den Kopf in den Sand zu stecken, bringt nichts. Ich möchte, dass alle irgendwie durch die Krise kommen." Gutscheine kommen super an: Bei der Gemeinde sieht man die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise aus zwei Blickwinkeln. Einerseits wurden im vergangenen Jahr so hohe Gewerbesteuern wie nie zuvor bezahlt. Das Pandemie-Jahr wurde mit einem sensationellen Zwei-Millionen-Euro-Plus abgeschlossen, was darauf schließen lässt, dass die Hauptzahler von der Krise kaum betroffen sind. Auf der anderen Seite geht es um all das, was einen lebendigen Ort ausmacht: Handel, Gastronomie, Dienstleistungen. "Da geht es ums nackte Überleben", sagt Bürgermeister Dirk Oelmann. Die Mittel der Gemeinde, das örtliche Gewerbe zu unterstützen, sind beschränkt. Wenigstens gibt es eine gute Nachricht: Der kurz vor Weihnachten von Unternehmern ins Leben gerufene "Winsen-Gutschein", bei dem Dutzende Geschäfte, Dienstleister und Gastronomiebetriebe mitmachen, kommt richtig gut an. Die Gutscheine für 5, 10, 20 und 44 Euro wurden bisher mehr als 500 Mal verkauft – jetzt müssten nur noch die Geschäfte wieder öffnen, damit man die Gutscheine auch einlösen kann.