Ein Heimatloser wird Winser Heimatpfleger

Er war angesichts des einstimmigen Votums im Gemeinderat so perplex, dass ihm erstmal die Sprache wegblieb: Bernd Harding, Winsens neuer Heimatpfleger, hatte in der Dezember-Sitzung des Rates dann aber seine Sprache wiedergefunden. Und bedankte sich am Ende der Sitzung bei seinen Ratskollegen für das Vertrauen. Führungen auf Museumshof: Mit dem Mann aus Bannetze hat Winsen nach einigen Jahren wieder einen Heimatpfleger. Das kam so: FDP-Ratsherr Harding hatte immer wieder sein Interesse für historische Themen deutlich gemacht. Er engagiert sich im Heimatverein und hält – auch auf Englisch – Führungen auf dem Museumshof. Im vergangenen Jahr hat er den Arbeitskreis „Winser Geschichte“ initiiert. Als er vor einigen Monaten die Brauer-Geschichte des maroden Gebäudes Am Wördel recherchierte, sprach ihn der Winser Archivar Lukas Mücke an. Ob er Lust habe, sich als Heimatpfleger zu engagieren. Bernd Harding musste nicht lange überlegen. Klar hat er Lust. Von Wuppertal in die weite Welt: Das entbehrt nicht einer gewissen Komik. Denn der 72-Jährige sagt von sich selbst, dass er eigentlich keine Heimat hat. "Ein Heimatloser wird Heimatpfleger", witzelt er. Das kam so: Der gebürtige Wuppertaler war vor seinem Ruhestand bei der Bundeswehr tätig – sowohl als Reserveoffizier als auch als Beamter in der Wehrverwaltung. Seine Aufgaben führten ihn für mehrjährige Einsätze in die kanadische Provinz Manitoba, nach El Paso (Texas) und auf die Nordseeinsel Sylt. Als die Bundeswehr ihn auf die Feldjäger- und Stabsdienstschule nach Hannover schickte, wollte er nicht in die Großstadt, sondern aufs Land ziehen. Schließlich hält man zwei Pferde in Bannetze besser als in der Landeshauptstadt. In Bannetze will er bleiben: Seit 13 Jahren wohnt er jetzt in Bannetze, so lange wie an keinem Ort zuvor. "Mir gefällt es hier", sagt der Berufsnomade. Der Zeit der Umzüge ist vorbei. Er will im Celler Land bleiben, sagt Bernd Harding, der mit Gabriele verheiratet ist. Die beiden haben zwei Kinder, Sybil und Tobias. Ortsgeschichte bewahren: Das Ehrenamt des Heimatpflegers war in Winsen zuletzt zwar in mehreren Ortsteilen, nicht aber im Kernort der Gemeinde besetzt. Die Heimatpfleger engagieren sich seit Ende der 1980er Jahre für die Bewahrung der Ortsgeschichte. Zu ihren vielen Aufgaben zählt es, historische Unterlagen zu sammeln und sie an das Gemeindearchiv weiterzuleiten. Darüber hinaus erforschen und dokumentieren sie Ereignisse, die ihren Ortsteil betreffen. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen werden regelmäßig in den Winser Geschichtsblättern veröffentlicht. "Bedeutsame Arbeit": „Die Heimatpfleger leisten eine bedeutsame und identitätsstiftende Arbeit für die Ortsteile der Gemeinde", freut sich Archivar Mücke über die Ernennung Hardings. Mit seinem Engagement als Winser Heimatpfleger fehlen nur noch in Wolthausen und Südwinsen Leute, die sich ehrenamtlich um die Ortsgeschichte kümmern. Wenn es nach Harding geht, dürfen gerne weitere "Historiker" zu ihm dazustoßen. Schließlich ist die Winser Geschichte lang; es gibt viele Themen, die noch niemand aufbereitet hat. Bernd Harding hat einiges vor. Er will den Winser Heimatverein und die Heimatpfleger stärker miteinander verknüpfen. "Das Heimatmuseum betrachte ich als echten Schatz", sagt der 72-Jährige. Das erste größere Projekt, das er in Angriff nehmen möchte, ist die Erforschung der Elektrifizierung der Gemeinde Winsen im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Harding will Dokumente zusammentragen, auswerten und dann einen Aufsatz für die Geschichtsblätter schreiben. Ein weiteres Projekt ist eine Annäherung an die historische Winser Gaststätten-Szene. "In Winsen wurde viel gebraut und gebrannt", sagt Bernd Harding und nimmt damit Bezug zu dem Gebäude Am Wördel, wo ein Brauer-Stern auf die örtliche Bier-Geschichte verweist. Vor allem in Aller-Nähe hatten sich früher die Alkoholproduzenten niedergelassen, um Bier und Schnaps zu verschiffen. Und schließlich nennt der neue Heimatpfleger mit der Rolle Winsens im Dreißigjährigen Krieg ein weiteres Projekt, das er zu Papier bringen will.