Prozess gegen Ex-Polizist aus Nienhagen: Menschenleben gefährdet?

Dem ehemaligen Polizeibeamten aus Nienhagen legt die Staatsanwaltschaft 29 Straftaten zur Last. Der Angeklagte ist nach seinem umfangreichen Geständnis weiter auf freiem Fuß - und derzeit oft in Lüneburg anzutreffen. So vorige Woche, als der ehemalige Polizist in einem anderen Brandstiftungsprozess als Zeuge vor dem Landgericht Rede und Antwort stand. Er war mit dem dort angeklagten Mann, der in Adendorf (Kreis Lüneburg) am Elternhaus seiner Lebensgefährtin zündelte, im Untersuchungsgefängnis zusammengekommen. "Der Hochsitz gegenüber glühte“: Als der Vorsitzende Richter Michael Herrmann die Beweisaufnahme eröffnete, saß der 54-Jährige wieder auf einem anderen Platz: der Anklagebank. Vor dem Schwurgerichtssaal wartete ein Zeuge. Hans-Heinrich M., der ein Jagdrevier bei Celle-Burg bewirtschaftet, schilderte ein Erlebnis bei der Pirsch im Oktober vorigen Jahres: „Erschrocken stellte ich fest, dass der Hochsitz gegenüber glüht.“ M. alarmierte die Feuerwehr. Weil die Jagd meist in der Dunkelheit stattfindet, zog der Staatsanwalt nach der Befragung den Schluss, dass der Tatverdächtige durchaus Menschenleben gefährdete, als er zündelnd durchs Unterholz streifte. Vorwurf an die Polizei: Gibt es neben dem Angeklagten noch weitere Täter, die Hochsitze zerstören und abfackeln? Die Frage stellte Verteidigerin Franziska Mayer und führte dem Publikum zwei Ereignisse vor Augen, die für Nachahmer sprechen: Mitte April, da saß Gorch U. in Haft, brachten Pächter des Neustädter Gehölz die Zerstörung mehrerer Hochsitze zur Anzeige. Für ein Feuer im Bereich Bockelskamp von Herbst vorigen Jahres könne der Mandant ebenfalls nicht verantwortlich sein: In der fraglichen Zeit fuhr der 54-Jährige zu seinem Arzt nach Celle, viele Kilometer vom Brandort entfern. Eine Polizistin aus Wathlingen winkte ihn unterwegs mit Kelle heraus. Die Beamtin soll vor der Strafkammer aussagen, um das Alibi zu bestätigen. Jeder im Saal 21 verstand, dass die Verteidigerin indirekt die Polizei kritisierte, die ihrem ehemaligen Kollegen alles vorwerfe, was Straftaten im Themenbereich Wald und Jagd betreffe. Die Brandserie, die die Strafkammer aufarbeitet, zog sich über vier Jahre hin. Zwischen 2016 und 2020 zündete der Ex-Polizist immer wieder Jagdkanzeln an und legte Brände in Wäldern, fackelte Strohmieten ab. Auch für den Diebstahl zahlreicher Wildkameras soll der 54-Jährige verantwortlich sein. Am 2. Oktober geht es in Lüneburg weiter, mit einem Urteil ist Ende Oktober zu rechnen. (bre) Von Benjamin Reimers