100 Jahre Hannoverscher Aero-Club

Ziemlich genau 100 Jahre ist es her, seit der erste Flieger des Hannoverschen Aero-Clubs (HAeC) beim Schaufliegen auf der Vahrenwalder Heide in Hannover vom Boden abhob und damit die Geschichte eines der ältesten Luftsport -Vereine in Deutschland begann. Anfangs wurde die am 11. März 1921 gegründete Gemeinschaft der Flugbegeisterten noch unter dem Namen Hannoverscher Verein für Flugwesen geführt. Erst durch den Zusammenschluss mit dem „Ring der Flieger, Ortsgruppe Hannover“ rund sieben Jahre später wurde aus dem HVF der Hannoversche Aero-Club. Bald darauf folgte jedoch eine schwere Zeit für den recht jungen Verein. Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, war damit auch das Schicksal dieser Fliegervereinigung besiegelt, denn durch die erzwungene Eingliederung in die einheitliche Organisation der Nationalsozialisten wurde die Auflösung des Clubs und die Überführung in den Deutschen Luftsportverband beschlossen, bevor dieser 1937 in das Nationalsozialistische Fliegerkorps eingegliedert wurde. Nach Kriegsende dauerte es fünf Jahre, bis erneut eine größere Anzahl Interessenter zusammenkam und am 8. September 1950 eine Neugründung der Fluggemeinschaft beschloss. Seit 45 Jahren auf dem Platz in Oppershausen: „Wir hatten hier schon einmal jemanden, der deshalb großspurig behauptete, dass unser Verein dann ja noch keine 100 Jahre alt sein kann“, erzählt die ehemalige Segelfliegerin Hannelore Keßler, die dem HAeC seit vielen Jahren treu verbunden ist. „Aber die vormaligen Gründungsmitglieder schlossen sich der Runde wieder an und der Name blieb der alte, weshalb allgemein von einem Fortbestehen des Vereins über all die Jahre gesprochen wird.“ Heute zählt der Verein um die 180 Mitglieder. Auch die Akademische Fliegergruppe Hannover – kurz Akaflieg oder AFH –, die sich aus Studenten und Absolventen der hannoverschen Hochschulen zusammensetzt, feiert ihr 100-jähriges Bestehen. Zusammen kamen beide Vereine 1976 dann auf dem Flugplatz in Oppershausen. „Die 45 Jahre sind also ebenfalls ein Jubiläum.“ Weil es zuvor zu einem Vorfall gekommen war, bei dem das Schleppseil auf die benachbarte Autobahn fiel und einen Autounfall verursachte, mussten sich die Gruppen nach einem neuen Platz umsehen, von wo aus ihre Segelflugzeuge starten durften. Ganz ohne Einschränkungen und Kompromisse war der Flugbetrieb zwar auch auf ihrem neuen Flugfeld nicht möglich, denn es mussten Absprachen mit dem Militärflugplatz Wietzenbruch gehalten werden. „Die Sicherheit aller geht einfach vor. Aber immerhin dürfen wir hier bei Wind aus allen Himmelsrichtungen starten“, erklärt Keßler und spielt damit auf die Verordnung des alten Vereinsflugplatzes in Hannover an, da die Flieger dort nach dem Ereignis mit dem Schleppseil nur noch bei Westwind abheben durften. Dreht der Wind sich auf den Oppershäuser Feldern nun, kann die Winde bewegt und für den perfekten Start an der jeweils kurzen Seite des Flugfeldes neu positioniert werden. Bestenfalls kommt der Wind beim Start nämlich von vorne. In 1600 Metern Höhe ist Brocken erkennbar: Doch nicht nur die Windrichtung am Startpunkt spielt beim Segelfliegen eine wichtige Rolle. Ohne thermische Aufwinde (Sonneneinstrahlung erwärmt die Luft, die nach oben steigt)können die Segelflieger nicht an Höhe gewinnen und würden kurz nach dem Start wieder gen Boden streben. Am vergangenen Wochenende waren Flüge von bis zu 1800 Metern möglich, an anderen Tagen sind es auch mal gut über 2000 Meter. „Bei einer Höhe von 1600 Metern könnten wir von hier bis nach Hannover kommen. Aber das brauchten wir gar nicht, denn der Anblick von Celle und Umgebung aus dieser Perspektive ist atemberaubend genug.“ Schemenhaft sind von dort oben in der Ferne das Steinhuder Meer oder der Brocken im Harz zu erkennen. Auf der Suche nach perfektem Aufwind: Ein stetiges Piepen in unterschiedlichen Tonlagen begleitet den Flug und signalisiert, ob der Flieger an Höhe verliert oder gewinnt. Dabei ist es wichtig, immer unter der „Basis“ zu bleiben, die Wolkendecke also nicht zu durchbrechen, denn für einen „Wolkenflug“ benötigt man eine entsprechende Lizenz und die Freigabe der Flugsicherung. Der besondere Ehrgeiz der Piloten besteht darin, mit dem Segelflieger besonders gut „einzukreisen“, um den perfekten thermischen Aufwind zu erwischen, denn in diesem Luftsport geht es darum, so schnell wie möglich Kilometer hinter sich zu lassen. So können sich Piloten beispielweise auch in der Segelflug-Bundesliga (OLC) miteinander messen. Doch das Leistungsfliegen ist natürlich kein Muss. Auch Geselligkeit ist für die Gruppe wichtig. Wenn die Flugbegeisterten an den Flugtagen – gewöhnlich immer am Wochenende – um 9.30 Uhr zusammenkommen, dann hilft jeder, wo er nur kann, um die neun vereinseigenen Flugzeuge startklar zu machen. Mindestens ein Flugleiter, ein Fluglehrer und ein Windenführer müssen immer anwesend sein. Jeder darf mal fliegen, es kommt also kein Neid auf, denn Segelfliegen ist ein Teamsport. Welches Flugzeug dabei genutzt werden darf, hängt allein vom Ausbildungsstand des Piloten ab. Flugausbildung endet mit Klaps auf Hintern: Da man Segelflieger bereits mit nur 14 Jahren werden kann, ist das Segelfliegen auch besonders für junge Interessenten attraktiv. Der Luftfahrerschein wird dann zwei Jahre später, am 16. Geburtstag übergeben. Um eine Segelfluglizenz zu erhalten, muss der Flugschüler, ähnlich wie in der Fahrschule, eine Reihe von Bedingungen und einen Test absolvieren, bevor er dann mit der Lizenz in den Händen ganz alleine mit dem Segelflugzeug starten darf. Zuvor beginnt er die Flugausbildung im Zweisitzer, mit dem Fluglehrer auf dem hinteren Sitz. „Hat der Schüler soweit alles mit Bravour absolviert, dann wird ihm der Hintern versohlt“, erzählt Hannelore Keßler augenzwinkernd. Nachdem der Prüfling die ersten drei Flüge im Einsitzer erfolgreich gemeistert hat, wird ihm ein Strauß mit dornigen Pflanzen überreicht, bevor ihm jedes anwesende Vereinsmitglied einen Klaps auf den Hintern geben darf. „Für ein besseres Gefühl in den Fingern, um das Quer-und Höhenruder ruhig bedienen zu können. Und für ein besseres Gefühl im Hinterteil, damit man die Thermik optimal spüren kann.“ Wenn die Flugsaison im Oktober endet, werden die Vereinsflugzeuge in der vereinsinternen Werkstatt in Hannover gewartet. Dort befindet sich nach wie vor der Vereinssitz mit den Büros und Räumen für die Theoriestunden und Fortbildungen. Doch nicht nur der Segelflug gehört zum Hannoverschen Aero-Club, denn auch die Sparte Modellflug ist im Verein anzutreffen. Die kleinen Segel- und Elektroflieger starten auf dem alten Flugplatzgelände im Norden Hannovers und gehören genauso zum Vereinsleben wie die großen Segelflieger. Von Vanessa Deckwer