Carola Rackete : "Ihr wird das nicht zu Kopf steigen"

Ständig klingelt das Telefon. Ekkehart Rackete steht kurz auf, sieht die Hamburger Vorwahl. "Das dürfte der 'Spiegel' sein", sagt er. Die Redaktion von Markus Lanz hat sich die Tage gemeldet. Ob Tochter Carola denn nicht in die TV-Sendung kommen würde. Und der NDR will auch gerne was machen. Markus Lanz hat schon angefragt: Der 74-Jährige leitet alles an seine Tochter weiter. "Ich habe gerade eine Dreiviertelstunde mit ihr telefoniert, es geht ihr gut", sagt er am Mittwochvormittag. Carola Rackete hält sich noch auf Sizilien auf. Wo genau, verrät die Hilfsorganisation "Sea-Watch" nicht. „Es gab einige Drohungen gegen Carola“, so ein Sprecher von Sea-Watch. Und weiter: „Deshalb haben wir sie an einen geheimen Ort gebracht. Über ihre weiteren Reisepläne werden wir uns nicht äußern.“ Nach Angaben ihres Vaters hält sie sich im Haus einer Unterstützerin auf und "ist froh, sich wieder frei bewegen zu können". "Mich hat die Solidarität berührt": Der Hausarrest war am Dienstagabend aufgehoben worden. "Mich hat die Solidarität, die mir so viele Menschen ausgedrückt haben, berührt", wird Carola Rackete in Medien zitiert. In der kommenden Woche ist auf Sizilien ein weiterer Gerichtstermin angesetzt worden. Die 31-Jährige soll dann wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur illegalen Migration vernommen werden. Der italienische Innenminister Matteo Salvini, der die Kapitänin als verantwortungslose Kriminelle einstuft, will sie abschieben lassen. Gezeltet auf Chinesischer Mauer: "Carola ist zufrieden, dass die erste Hürde genommen ist", berichtet ihr Vater. Der Mann mit dem weißen Schnauzer verfolgt weiterhin gelassen die Aufregung um seine Tochter. Wann sie wieder nach Hambühren kommt, weiß er nicht. Die Tochter war in den vergangenen Jahren nur selten zu Hause. Carola war – das kann man in diesem Fall ohne Übertreibung sagen – in der Welt unterwegs. Sie war mit einem Forschungsschiff am Nordpol, ist durch Südamerika getrampt und hat auf der Chinesischen Mauer gezeltet. Zuletzt hatte die 31-Jährige in einem schottischen Nationalpark hospitiert. "Wenn sie einen Monat im Jahr zu Hause ist, dann ist das viel", sagt Ekkehart Rackete. Wenige Kontakte nach Hambühren: Das erklärt wohl auch, warum nur wenige Leute in Hambühren und Celle Carola Rackete überhaupt kennen. Egal, wen man zum Beispiel auf der Kundgebung am Montag vor dem Celler Schloss ansprach, niemand kannte sie persönlich. Dabei ist sie hier aufgewachsen. Sie ging in Ovelgönne zur Grundschule und machte 2007 am Ernestinum ihr Abitur. "Fast unmittelbar danach hat sie mit der Seefahrt angefangen", sagt ihr Vater. Sie habe kaum noch private Kontakte nach Hambühren und Celle. Sie sei aber nach wie vor in der Gemeinde im Celler Westkreis gemeldet und habe auch keine andere Wohnung, stellt ihr Vater klar. Carolas ältere Schwester wohnt im Celler Ostkreis. Kein Waffenhändler, kein Millionär: Im Internet werden in diesen Tagen sehr viele Unwahrheiten über ihn und seine Tochter verbreitet. Eine Legende besagt, dass Ekkehart Rackete Millionär sei und in der Rüstungsindustrie sein Geld verdient habe. Der 74-Jährige kann darüber nur lachen. Er lebt mit seiner Frau im schönen, aber gewiss nicht luxuriösen Einfamilienhaus in Ovelgönne. "Sieht das nach einem Millionär aus?", fragt er. Rackete besitzt noch nicht mal ein eigenes Auto. Verschwörungstheoretiker machten ihn zudem zum Waffenhändler. Richtig ist: Der Vater ist Oberstleutnant der Reserve. Er hat als Berater für ein Unternehmen gearbeitet, das kugelsichere Westen – etwa für die Polizei – herstellt. "Carola ist eigentlich öffentlichkeitsscheu": Dass Carola Rackete quasi über Nacht zu einer Berühmtheit wurde, sei ihr völlig klar, berichtet der Vater. "Ihr wird das mit Sicherheit nicht zu Kopf steigen." Sie habe es auch nicht auf große Aufmerksamkeit angelegt. "Carola ist eigentlich öffentlichkeitsscheu. Sie ist aber jemand, der zu entschlossenem Handeln neigt", sagt Ekkehart Rackete. Seine Tochter habe mit der Sea-Watch-Aktion kein politisches Statement abgeben oder gar Salvini provozieren wollen. Es sei ihr ausschließlich darum gegangen, Menschen zu retten. Sache ist juristisch nicht ausgestanden: Klar ist, dass die Frau aus Hambühren zum Gesicht von Sea-Watch geworden ist. Nie zuvor stand die Hilfsorganisation derart im Licht der Öffentlichkeit. Damit verbunden ist die große Chance für die Aktivisten, das Thema der Migration übers Mittelmeer weiter in der Öffentlichkeit zu halten. Für Carola Rackete ist die Sache juristisch noch längst nicht durchgestanden. "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand", sagt ihr Vater. Bei Carola Rackete trifft dieser Satz gleich doppelt zu.

Carola Rackete - "Ihr wird das nicht zu Kopf steigen"