Lammzeit auf dem Heidschnuckenhof Niederohe im Landkreis Celle

Die Böcke stehen draußen im Schnee, die Lämmer blöken im Stall und tollen um ihre Mütter herum. Hütehund Pelle hält tapfer Wache. Carl W. Kuhlmann betrachtet stolz den tierischen Nachwuchs. Jedes Jahr beginnt um Weihnachten und Neujahr herum die Lammzeit in der Südheide. Auf dem Hof des Heidschnuckenzüchters in Niederohe bei Faßberg haben schon rund 180 Lämmer das Licht der Welt erblickt. Kuhlmann rechnet mit etwa 450. Die Hauptlammzeit ist im Januar und Februar. Kuhlmann muss nur selten bei der Geburt helfen: "Wir können ganz gut abschätzen, wann es losgeht, denn die Tragezeit der Heidschnucke beträgt fünf Monate beziehungsweise 153 Tage", sagt Kuhlmann. Manchmal muss er als Geburtshelfer einspringen, aber normalerweise schaffen die Muttertiere ihre Aufgabe auch allein. "In der Herde sind sonst nur weibliche Tiere und der Bock wird immer dann dazu gebracht, wenn wir Lämmer wollen. Am Anfang sind natürlich nicht alle brünftig, aber das entwickelt sich im Laufe der Zeit. Dann kommt der geballte Nachwuchs." Heidschnucken sind eine alte Landschafrasse und werden nicht auf Mehrlingsgeburten oder ein großes Geburtsgewicht gezüchtet. Sie sind "leichtlammend", ab und zu kommen Zwillinge zur Welt. "Ich muss bei 450 Geburten vielleicht dreimal mithelfen", berichtet der Züchter. Lamm-Kindergarten: Geburten passieren selbstverständlich auch nachts. Kuhlmann schaut immer wieder im Stall vorbei und kontrolliert, ob alles in Ordnung ist: "Im Idealfall ist das Lamm schon abgeleckt und trocken." Heidschnucken sind Steppentiere und können zwei Stunden nach der Geburt laufen. Dann werden die Lämmer und ihre Mütter in kleine Einzelbuchten gebracht. Die Mutter muss den Geruch des Lammes annehmen, das Lamm ihre Stimme kennenlernen. Dies ist sehr wichtig für die Bindung zwischen den Tieren. In den Einzelbuchten bleiben sie eineinhalb bis zwei Tage und werden danach unter größere Gruppen gemischt. Dort sind etwa 50 bis 60 Muttertiere mit ihrem Nachwuchs. Die Lämmer bekommen nun ihre Ohrmarken – nach EU-Vorschrift eine in jedes Ohr, falls eine Markierung verloren geht. Die Lämmer spüren nur einen kurzen Schmerz, danach tut es nicht mehr weh. "Ist wie Ohrringe stechen", sagt Kuhlmann und lächelt. In den Gruppen bleiben die Lämmer sieben Wochen. Erst danach sind sie mit der Herde unterwegs. Die täglichen Wege von zehn bis zwölf Kilometern würden die ganz kleinen Tiere nicht schaffen. Abstand halten ist der wichtigste Schutz: Manchmal mangelt es den Lämmern an Vitamin E oder am Spurenelement Selen. "Kurz nach der Geburt spritzen wir eine kleine Dosis", so Kuhlmann. Gefahr droht außerdem durch die Blauzungenkrankheit und den Schmallenberg-Virus. Letzterer kann bei der Entwicklung des Lammes im Mutterleib zu Missbildungen führen. Beide Krankheiten werden durch Gnitzen und Mücken übertragen. Es gibt viele Schafskrankheiten, doch Kuhlmanns Tiere bleiben von den meisten verschont: "Unsere Schafe treffen niemals auf andere Schafe. Abstand halten ist der wichtigste Schutz. Das merken wir Menschen ja auch gerade." So viel wiegen Lämmer bei der Geburt: Im ersten Jahr haben die Lämmer zunächst ganz schwarzes, gelocktes Haar. Später wächst die graue Wolle durch, so dass lediglich die Beine, der Kopf und der Brustlatz der ausgewachsenen Heidschnucken die schwarze Färbung zeigen. Das Geburtsgewicht der Lämmer beträgt ungefähr zweieinhalb Kilogramm. Ein ausgewachsenes weibliches Schaf kann durchaus 65 Kilogramm wiegen, ein Bock sogar 120 Kilogramm. Schmackhafte Kiefern und Fichten: Die Heidschnucken pflegen die Landschaft: Sie halten durch ihren ständigen Verbiss die Heide kurz und der nährstoffarme Boden bleibt erhalten. Die Tiere finden auch im Schnee noch genug zu fressen. Kiefern- und Fichtenschösslinge stehen jetzt auf ihrem Speiseplan. "Bei Frost treten die ätherischen Öle aus", erklärt Kuhlmann. "Deshalb fressen die Heidschnucken diese Pflanzen im Winter besonders gern." Heidschnucken angucken: Corona wirkt sich auch auf die Heidschnuckenzucht aus. "Alle Restaurants haben zu. Wir können schlecht planen, weil wir nicht wissen, wie viel Lammfleisch wir verkaufen werden. Wir wollen nicht riskieren, dass wir im nächsten Jahr zu viele Tiere haben", so Kuhlmann. Unter anderem musste das jährliche "Heidschnucken-Lämmer-Gucken" 2020 ausfallen. Interessierte dürfen zu dieser Zeit die Tiere auf dem Hof bestaunen. Das leistet ein guter Zuchtbock: Übrigens haben die Böcke bei der Begattung gut zu tun: Eine Faustregel besagt, dass ein guter Zuchtbock fünfzig Weibchen trächtig machen kann. So mancher Bock vollbringt bei seiner Aufgabe wahre Spitzenleistungen: Vor einigen Jahren lebte auf dem Heidschnuckenhof in Niederohe "Romeo" – er hat 110 Muttertiere in einer Woche gedeckt.