Wechselvolle Geschichte seit 1847: Bahnhof Eschede besteht 175 Jahre

Unzählbar aber sind die Schritte, die an dieser Stelle in Eschede schon zurückgelegt wurden: Raus aus dem Zug, rein in den Zug, warten, am Bahngleis auf- und abgehen – Wege, die in Maßeinheiten nicht darstellbar sind. Klar ist in jedem Fall: Eschede ohne den Bahnhof und die Anbindung an den Schienenverkehr – das ist längst nicht mehr vorstellbar. Seit nunmehr 175 Jahren ist das Bahnhofsgebäude fester Bestandteil des Ortsbildes. Die Eröffnung der Bahnstrecke Hannover-Harburg Anfang Mai 1847, mit der auch der Ursprung des Escheder Bahnhofs einhergeht, war ein Meilenstein. Eschedes Archivar arbeitet Geschichte des Bahnhofs auf: Im Archiv der Gemeinde wird die Geschichte der Escheder Bahnstation wieder lebendig. Seit 1985 hegt und pflegt Kurt W. Seebo als Archivar die Texte und Fotos aus der Vergangenheit. Ein Großteil der Dokumente ist mittlerweile digitalisiert. Eine Zeichnung von 1851 aus der Allgemeinen Bauzeitung hingegen, die einen Eindruck vermittelt vom verputzten Ursprungsbau, ist noch in der Original-Version als gedrucktes Dokument vorhanden. Zu sehen ist ein prächtig anmutendes Gebäude. Die Bauweise erinnert an die Epoche des Klassizismus, die um 1850 endete. Bahnhof Eschede besteht seit 1847: Seebo hat bereits 1987 die mehr als 100 Seiten lange Broschüre "Eschede...Eschede – Mit der Bahn ins Industriezeitalter" veröffentlicht. "Die Geschichte des Bahnhofs Eschede ist mittlerweile zu Ende recherchiert", weiß auch Klaus Drögemüller, ehemaliger Verwaltungsvize. Im Arbeitskreis Dorfgeschichte(n) ist er der Vergangenheit auf der Spur. Eröffnung der Bahnstrecke über Eschede Anfang Mai 1847: Die Eröffnung der Bahnstrecke war "auch für Eschede ein großes Ereignis", schreibt Seebo. Für viele Menschen habe sich in ihrem Alltag aber wahrscheinlich kaum etwas verändert. Höchstens die neuen Annahmezeiten für Briefe, Päckchen und Geldsendungen seien ungewohnt gewesen. "Denn es ging jetzt alles mit der Bahn mit, und der Postkutschenverkehr lag brach." So sah Bahnhof Eschede in den Anfangsjahren aus: Seebo hat herausgefunden, dass das alte Bahnhofsgebäude bereits am 1. Mai 1847, dem Tag der Streckeneröffnung, stand. Im Gebäude befand sich auch eine Wohnung, in der der Bahnwärter lebte. Ein erster Ausbau erfolgte 1858. "Die Wasserstation wurde modernisiert und es entstanden Wasch- und Backhaus, Geräte-, Torf- und Holzremise, Waagehaus, Weichensteller- und Wachthaus, drei Ställe und ein Beamtenwohnhaus", schreibt der Gemeindearchivar. Die Gehöfte wurden 1873 durch einen Brand zerstört. Personen und Güter in einem Zug transportiert: In den Anfangsjahren wurde in den Zügen alles mitgenommen – Personen, Post und Waren. Als der Güterumschlag zunahm, wurden Personen und Waren getrennt abgefertigt, um die Fahrpläne einzuhalten. Sechs Personenzüge – drei in jede Richtung – hielten pro Tag in Eschede. Das war alles in den ersten Jahren. Erst vor dem Ersten Weltkrieg wurde das Angebot mit nun 17 abfahrenden Personenzügen pro Tag deutlich verbessert. Escheder Bahnhof nach dem Zweiten Weltkrieg: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Fahrplan stetig verbessert. 1965 wurde die Bahnstrecke zwischen Celle und Hamburg elektrifiziert. Dafür gab es Einschnitte anderer Art: 1967 wurde die Bahnmeisterei Eschede aufgelöst, zehn Jahre später das alte Bahnhofsgebäude geschlossen und abgerissen – "gegen massive Widerstände", heißt es in der Escheder Jahrhundertchronik. 150-jähriges Bestehen 1997 groß gefeiert: Am 3. Mai 1997, zum 150-jährigen Bestehen, herrschte Volksfeststimmung im Ort: Das Jubiläum wurde zum Jahrhundertfest. 20.000 Besucher waren an der Bahnhofstraße anzutreffen, die zu einer langen Festmeile wurde. "Bahnhofsfest soll die ganze Region locken", titelte die CZ damals. Das Fest ist vielen Eschedern noch gut in Erinnerung. Niemand ahnte, dass Eschede und die Bahn gut ein Jahr später auf ganz andere Weise von sich reden machten: Bei der ICE-Katastrophe am 3. Juni 1998 starben 101 Menschen. Derzeit laufen die Planungen für ein Jubiläumsfest zum 175. Bestehen. Klar ist nur: So ausgiebig gefeiert wie vor 25 Jahren wird diesmal wohl nicht. Coworking Space im ehemaligen Fahrdienstleiterraum: Der Bahnhof veränderte noch ein paar Mal sein Aussehen. Bis 1999 wurde das Gebäude modernisiert, ein Bistro eröffnet und ein paar Jahre später wieder geschlossen. Als vor rund zehn Jahren das Naturpark-Informationszentrum eröffnete, gab es noch einen Fahrdienstleiter. So ändern sich die Zeiten: Inzwischen ist der ehemalige Fahrdienstleiterraum Teil eines Coworking Space, den vor allem Freiberufler nutzen. Was sich aber in 175 Jahren nicht geändert hat: das tägliche Kommen und Gehen – und immer wieder das Geräusch eines herannahendes Zuges ...