Seit 40 Jahren in Eschede: Bürgermeister Günter Berg geht in den Ruhestand

Wenn Günter Berg durch die Ortsmitte seiner Gemeinde geht, könnte er wohl an jeder Häuserecke stehen bleiben. Überall würden ihn Erinnerungen ereilen. Allein im Glockenkolk stecken unzählige Geschichten. Das Areal zwischen Rebberlaher Straße, Kantstraße und Bahnhofstraße hat den langjährigen Bürgermeister so sehr beschäftigt wie kaum ein anderes Thema. Nun befindet sich das Gelände zwischen alter Grundschule, Musenmöhl und Rathaus mitten in einer Umbruchphase – mit Bürgerpark und Bürgerhaus entsteht in Eschede ein völlig neues Zentrum. Vor 40 Jahren in Eschede angefangen: Im Umbruch aber steckt auch das Rathaus. Genauer gesagt: das Chefzimmer. Für Günter Berg ist die Zeit des Abschiednehmens gekommen. Mit dem Jahreswechsel geht der 67-Jährige, seit 2006 an der Spitze der Verwaltung, in den Ruhestand. Der neue Bürgermeister Heinrich Lange wird ab Januar sein Büro übernehmen. Bergs Arbeitsplatz aber ist das Rathaus schon viel länger. Vor 40 Jahren, am 1. Januar 1982, war sein erster Tag bei der Gemeinde. Spaziergang durch die Gemeinde: Spaziergang mit dem scheidenden Bürgermeister: Vom Rathaus, das damals noch deutlich kleiner war, geht es in Richtung Bahnhofstraße. Die alte Grundschule ist eingerüstet. Nach der Sanierung soll das denkmalgeschützte Backsteinhaus umgebaut werden zum neuen Rathaus. Schul- und Gemeindeverwaltung werden in den kommenden Jahren die Gebäude tauschen. Alte Grundschule weckt private Erinnerungen: Die alte Grundschule, mehr als 100 Jahre alt und für Berg „das schönste alte Gebäude im Ort“, beschäftigt ihn in mehrerer Hinsicht: „Als feststand, dass die Oberschule geschlossen wird, war klar, dass die Grundschule in die anderen Räumlichkeiten geht“, erinnert der Bürgermeister. Noch vor ein paar Jahren kursierten viele Ideen – vom Ärztezentrum bis zum Lego-Museum. „Wir haben händeringend nach neuen Nutzungen gesucht. Es gab damals auch Überlegungen und Anfragen für eine Privatschule. Das hat sich aber nach vielen, vielen Gesprächen zerschlagen.“ Für die meisten Escheder wird das imposante Gebäude mit Erinnerungen an die eigene Schulzeit oder die der Kinder und Enkelkinder verbunden bleiben. Dem scheidenden Verwaltungschef geht es da nicht anders. „Meine beiden Töchter sind hier eingeschult worden“, erzählt Berg und zeigt auf die Treppe vor dem Eingang. „Dort haben wir tolle Fotos gemacht.“ So kam Günter Berg nach Eschede: Günter Berg wohnt mit seiner Lebenspartnerin in Rebberlah. Geboren und aufgewachsen ist er in Nordhessen, in der Nähe von Eschwege. Ein leichter Dialekt ist bis heute hängen geblieben. Eine Verwaltungslaufbahn war für den gelernten Maschinenschlosser zunächst kein festes Vorhaben. Nach dem Realschulabschluss und der Lehre folgte die Zeit bei der Bundeswehr, wo Berg als Fahrlehrer beschäftigt war. Als stellvertretender Vorsitzender eines Sportvereins kam er mit der Kommunalpolitik in Berührung – und er sattelte noch einmal um. Nach der Verwaltungsausbildung wurde der damals 27-Jährige auf eine freie Stelle in der niedersächsischen Provinz aufmerksam. Die vielen Rübenlaster auf der Straße – Günter Berg erinnert sich noch genau an seinen ersten Arbeitstag in Eschede: „Die Herzlichkeit der Menschen hier habe ich sofort gespürt.“ Andere Berufschancen nicht ergriffen: Bei der damaligen Samtgemeinde Eschede hat Berg in den vier Jahrzehnten diverse Funktionen gehabt: Leiter der Ordnungs- und Sozialabteilung, Kämmerer, Leiter der Haupt- und Bauabteilung. Zwei zwischenzeitliche berufliche Offerten waren vergebens – Günter Berg blieb in Eschede. 1986 saß er quasi auf gepackten Koffern, hatte bei der Landeskirche in Osnabrück bereits zugesagt. „Ich hatte dort sogar schon eine Wohnung gemietet“, erzählt er. Da wurde im Escheder Rathaus die Stelle des Sozialamtsleiters frei – und Berg machte alles rückgängig. Zwei Wahlen in Eschede gewonnen: 2006 folgte der größte Karrieresprung. Der damalige stellvertretende Samtgemeindedirektor entschloss sich für die Kandidatur zum Verwaltungschef. Er sicherte sich die absolute Mehrheit, auch aus der Wahl zum Bürgermeister der neuen Einheitsgemeinde ab 2014 ging der Einzelbewerber als klarer Sieger hervor. „Bis zur Wahl 2006 hatte ich schon einen recht guten Einblick in das Geschehen. Das hat mich beflügelt und mir Stärke und Rückhalt gegeben“, erzählt Berg. Dorfzentrum Höfer mit besonderer Bedeutung: Ortswechsel: Von Eschede geht es im Auto nach Höfer. Eine Schlüsselfunktion hat für ihn das Dorfzentrum mit seiner „wechselvollen Geschichte“, wie er sagt. Schule, Kindergarten, Wohnungen, ein kleines Gemeindebüro ... – das Haus ist im Laufe der Jahre vielseitig genutzt worden. Vor etwa zehn Jahren, nachdem die Wohnungen in keinem guten Zustand mehr waren, wurde nochmal alles auf den Prüfstand gestellt: Was lässt sich aus dem Haus machen? „Wir konnten das Land überzeugen, hier ein Zentrum mit möglichst vielseitigen Nutzungen durch die Dorfgemeinschaft zu schaffen“, blickt Berg zurück. Höfer stimmt Fusion mit Eschede zu: Dazu muss man wissen: Vor zehn Jahren war die Situation noch eine gänzlich andere. Eschede hatte den Entschuldungshilfevertrag mit dem Land geschlossen, damit einher gingen die Pläne für eine Umstrukturierung von der Samt- zur Einheitsgemeinde. Die Verwaltung konnte nicht so selbstständig agieren wie heute. Und besonders wichtig: „Unter diesen Voraussetzungen konnten sich auch die Höferaner vorstellen, einer Fusion zuzustimmen“, erinnert Berg. 2012 schließlich hat der Gemeinderat Höfer grünes Licht für den Bau des Dorfzentrums gegeben. Derzeit dient das Gebäude vor allem der Kinderbetreuung. Berg verspricht aber, dass es wieder seiner ursprünglichen Nutzung zugeführt wird, sobald die Kita Eschennest im Hauptort erweitert worden ist. Ungelöstes Problem betrübt Bürgermeister: Am Ende seiner langen Amtszeit wirkt Günter Berg insgesamt zufrieden. „Es ist aber auch gut, dass die Zeit nun vorbei ist. Es müssen andere Leute ran mit anderen Ideen. Unser Gemeinwesen lebt vom Wechsel, das ist ganz wichtig“, sagt der scheidende Rathauschef. Ein ungelöstes Problem ist der Hof am Finkenberg. „Der Protest im Ort hat an Fahrt aufgenommen, seitdem das Gelände der NPD gehört. Mehr Aktivität hätte ich mir auch vorher gewünscht. Das betrübt mich ein bisschen.“ Das Zentrum der Neonazis habe sich auch auf die Außenwahrnehmung Eschedes ausgewirkt. „Dabei sind wir ein Ort, der viele gute Dinge zu bieten hat.“ Hier ist Günter Bergs Lieblingsplatz: Was Günter Berg an der Gemeinde liebt, ist die Natur. Einer seiner Lieblingsplätze: die Aschauniederung. Das Laub auf dem gefrorenen Boden im Bereich der Brücke am Allerhop in Höfer knistert unter den Schuhen. Winter-Idylle pur entlang des Heidebachs. Das Plätschern des Wassers durchbricht die Stille. „Es ist einfach traumhaft schön“, sagt Berg und gerät ins Schwärmen. Seine Pläne für den Ruhestand: Sein Leben wurde viele Jahre lang vom Terminkalender bestimmt. Künftig kann der 67-Jährige mehr selbst über seine Zeit verfügen. Zeit, die er für sich, seine Familie und für Reisen nutzen will. „Wir haben schon ein paar Ziele ins Auge gefasst“, sagt Berg schmunzelnd. Und Zeit, um zurückzublicken. „Es gab nicht einen langweiligen Tag. Ich hatte ein wahnsinnig interessantes Berufsleben.“