NPD-Zentrum Eschede: Darf Innenminister Pistorius den Laden dicht machen?

Die Forderung, das NPD-Zentrum in Eschede zu schließen, trifft auf viel Zuspruch. Drei überparteiliche Bündnisse gegen Rechtsextremismus wollen Innenminister Boris Pistorius (SPD) zu einer Schließung von Hof Nahtz wegen Verfassungsfeindlichkeit bewegen. Eine Online-Petition fand innerhalb von nur zwei Tagen schon mehr als 1000 Unterzeichner. "Und das sind nur die Online-Unterschriften", freute sich Wilfried Manneke vom Netzwerk gegen Rechtsextremismus Südheide, der die Petition mitorganisiert hat, am Donnerstag. In gedruckter Form werden die Unterschriftenlisten erst noch verteilt, die Aktion endet am 31. Dezember. "Ich gehe davon aus, dass bis dahin einige Tausend Unterschriften zusammen kommen werden", sagte Manneke. Innenminister zu Hof Nahtz eingeladen: Am liebsten würde er Pistorius die Listen am 19. Dezember bei einer Mahnwache direkt vor Hof Nahtz persönlich überreichen. Eine Einladung an den Innenminister ist raus. Dass sie angenommen wird, kann sich Manneke gut vorstellen: "Ich habe Herrn Pistorius und seine Lebensgefährtin mehrmals in Bad Nenndorf als Teilnehmer bei Demonstrationen gegen die NPD gesehen." Zu den Unterstützern des Aufrufs gehören unter anderem bereits die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, der Flüchtlingsrat Niedersachsen, die Grünen-Landtagsabgeordnete Julia Willie Hamburg oder der frühere Celler Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass eine verfassungsfeindliche Partei ein ‘Schulungszentrum’ unterhalten kann. Deshalb schließen!", twitterte der SPD-Politiker. Der Escheder Bürgermeister Günther Berg begrüßte die Aktion ebenfalls: "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich persönlich werde auch unterschreiben." Hetendorf 13 als möglicher Präzedenzfall: Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Innenminister ein rechtsextremistisches Schulungszentrum im Landkreis Celle verbietet. Manneke und seine Mitstreiter verweisen in einem offenen Brief zur Unterschriftensammlung auf einen vergleichbaren Fall: "Das Neonazi-Zentrum ‘Hetendorf 13’ wurde 1998 vom damaligen Innenminister Glogowski wegen Verfassungswidrigkeit geschlossen." Doch es gibt auch Unterschiede zu damals. Ein Rückblick: Fast 20 Jahre lang war "Hetendorf 13" im gleichnamigen Ortsteil der Gemeinde Südheide einer der wichtigsten Treffpunkte der deutschen Neonazi-Szene. Im Februar 1998 zog der niedersächsische Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) aber einen Schlussstrich und ließ das "Heide-Heim" schließen. Gegen die beiden Trägervereine sprach er ein Vereinsverbot aus. Das Vermögen der beiden Gruppierungen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Die Begründung: Die beiden Vereine "richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung". Die Neonazis klagten dagegen erfolglos. "Der Kläger weist Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf und strebt eine entsprechende Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung in kämpferisch-aggressiver Weise an", urteilte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) und bestätigte das Vereinsverbot. Stand heute: Bei Hof Nahtz in Eschede liegen die Dinge etwas anders. Hier ist der Eigentümer kein Trägerverein. Laut Bürgermeister Berg gehört die Immobilie direkt dem Landesverband der NPD, der nicht so einfach enteignet werden kann. Ein Parteiverbot ist auch keine Option, wie das Bundesverfassungsgericht im Januar 2017 urteilte. Die NPD strebe zwar die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung" an, ist nach Ansicht der Verfassungsrichter aber zu unbedeutend, um dieses Ziel zu erreichen. Weiterbildung durch Verfassungsfeinde erlaubt? Für Wilfried Manneke spricht das sogar für eine Schließung von Hof Nahtz. "Eine Partei wie die NPD, die vom höchsten deutschen Gericht als verfassungswidrig eingestuft wird, darf trotzdem zu Seminaren und Schulungen einladen und ihre menschenverachtende Ideologie dort weitergeben. Das ist für uns schlichtweg unverständlich", sagt er. Wenn man die NPD schon nicht verbieten könne, müsse man ihr doch zumindest die Gelegenheit entziehen, auch noch Schulungszentren einzurichten, um ihrer verfassungswidrige Ideologie auch noch an Dritte weiterzugeben. Manneke: "Das kann doch nicht so schwer sein!" Ob Boris Pistorius tatsächlich die Befugnis hat und eine Notwendigkeit sieht, das NPD-Zentrum Eschede zu schließen, ist unklar. Das Innenministerium ließ eine entsprechende CZ-Anfrage unbeantwortet. Zuletzt machte es nicht den Eindruck, als würden die Verfassungsschützer in Hannover den rechtsextremistischen Aktivitäten in der Südheide allzu große Bedeutung beimessen. Den Gebäudeankauf durch die NPD per Kaufvertrag vom 26. Februar 2019 hatten die Sicherheitsbehörden verschlafen. Der Immobilienbeauftragte des Verfassungsschutzes erfuhr erst zweieinhalb Monate später durch die Polizei Celle von dem Eigentümerwechsel. Da war es auch schon zu spät. Herschberg macht NPD-Schließung vor: Wie man ein NPD-Schulungszentrum erfolgreich verhindert, hat die Gemeinde Herschberg in der Südwestpfalz gezeigt. Dort hatte die Partei 2010 ein ehemaliges Café gemietet und zum Neonazi-Treffpunkt umfunktioniert. Die Kreisverwaltung verbot der NPD jedoch aus baurechtlichen Gründen, das Haus als Parteiheim zu benutzen. Das OVG Rheinland-Pfalz bestätigte das Verbot. Laut Gericht könne die NPD nicht einfach aus einem Restaurant ein Parteiheim machen, wenn sie dafür keine Baugenehmigung hat. "So dürften die beabsichtigten Versammlungen, Vortragsveranstaltungen und sonstige Treffen von bis zu 70 Personen zu einer im Vergleich zum bisherigen Gaststättenbetrieb deutlich anderen Nutzungsqualität führen", urteilte das OVG. Laut dem Landkreis Celle gelten für Hof Nahtz, das im Außenbereich der Gemeinde Eschede liegt, eigentlich ähnliche Voraussetzungen, wie Kreisrat Gerald Höhl bereits im Juni 2019 der CZ bestätigte. Trotzdem finden auf dem Gelände immer wieder NPD-Veranstaltungen statt. Gerade die Kaderschmiede der Partei, die Jungen Nationalisten, ist in Eschede sehr präsent. Das Netzwerk Südheide geht davon aus, dass hinter den Sichtschutzwänden auf Hof Nahtz, bereits Seminare und Schulungen durchgeführt werden. Schon seit 90er Jahren ein brauner Sumpf: Eine Chronolgie zu Hof Nahtz NPD in Eschede: 231 Polizisten beschützen fünf Neonazis vor Gegendemo Rabiate Antifa verärgert Nazi-Gegner aus Eschede AfD-Politiker Andreas Kalbitz: Seine "Karriere" begann auf Hof Nahtz in Eschede