Eschede stemmt sich gegen Neonazis

Ein turbulentes Wochenende ist in Eschede friedlich zu Ende gegangen. Erst zogen am Samstagvormittag neun NPD-Anhänger durch das Dorf, ehe am Mittag die Gegenveranstaltungen begannen. Insgesamt setzten sich rund 350 Bürger gegen das Neonazi-Treffen auf Hof Nahtz zur Wehr. Starkes Polizeiaufgebot: Abgeschirmt von einem starken Polizeiaufgebot und begleitet von teils lautstarken Protesten marschierten die NPDler durch Wohngebiete, deren Bewohner sich weitestgehend nicht um das rechte Treiben kümmerten. Bis auf zwei kleine Rangeleien zwischen Antifaschisten und Rechten, die die Polizei sofort unterband, blieb alles im Rahmen. Die Szenerie hatte etwas Surreales – zum Beispiel in der Gartenstraße. Dort pflasterte gerade ein Anwohner seine Einfahrt, ein anderer wässerte seine akkurat gepflegten Rabatten, ein weiterer wollte gerade mit dem Hund vor die Tür, als sich eine seltsame Marschkolonne näherte: Polizisten, noch mehr Polizisten und mittendrin ein einzelner Trommler der NPD, dessen monoton dumpfer Takt so gar nicht zum gutbürgerlichen Milieu des Wohngebietes passte. Acht NPD-Anhänger, darunter auch Joachim Nahtz, der der rechten Partei sein Anwesen am Finkenberg verkauft hatte, folgten. Einer hatte eine Fahne dabei. Einige Anwohner drehten sich weg, als der Zug sich nähert, andere zeigten mit Trillerpfeifen und Transparenten, dass sie von der NPD und ihren Anhängern nichts halten. Stellt NPD Bürgermeister-Kandidat? In der Stettiner Straße hielt Sebastian Weigler, Landes-Chef der NPD-Nachwuchsorganisation Junge Nationalisten, eine Rede. Die vernahmen in erster Linie die Polizisten, die den Kundgebungsort absichern mussten. Escheder Bürger hörten sich das nicht an. Weigel attackierte politische Gegner und Medien, kündigte an, im Ort weiter präsent sein zu wollen und spielte mit dem Gedanken, im Dorf an die Macht zu kommen: Die NPD denke daran, so Weigler, bei der nächsten Bürgermeisterwahl einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Auch die Antifa ist wieder vor Ort: Doch Eschede zeigte erneut, dass der Ort nicht bereit ist, dem rechtsextremen Treiben tatenlos zuzusehen. Die Gegenveranstaltungen, zu denen das Bündnis gegen Rechtsextremismus und das Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus aufgerufen hatten, begannen auf dem Escheder Marktplatz, wo die Landtagsabgeordneten Jörn Schepelmann (CDU) und Jörg Bode (FDP) ihren Protest gegen die NDP-Treffen zum Ausdruck brachten. Der Widerstand formierte sich anschließend am Bahnhof, wo der frühere Celler Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende (SPD) das Wort ergriff. "Wir sind viele und wir sind bunt. Eschede ist bunt", sagte Mende. Bunter Protest: Die Gegendemo wurde von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis getragen. Vertreter von CDU, SPD, Grünen und Linken beteiligten sich genauso wie Kirchen und Gewerkschaften. Auch die Antifa war wieder zugegen. Der "Schwarze Block" umfasste etwa drei Dutzend Personen. "Wir wollen, dass das NPD-Zentrum geschlossen wird": Vom Bahnhof zog der bunte Tross zunächst zur Ecke Hermannsburger Straße/Zum Finkenberg. "Die Rechten auf Hof Nahtz sind nicht die netten Jungs von nebenan, das sind Hardcore-Nazis", sagte Wilfried Manneke, Sprecher des Netzwerks Südheide gegen Rechtsextremismus. Er sei verwundert, dass die Behörden nichts gegen die Veranstaltungen unternehmen würden. "Dieser Hof darf auf keinen Fall ein Refugium für Neonazis werden", erklärte Manneke. Eine Petition an Innenminister Boris Pistorius sei in Arbeit. "Wir wollen, dass das NPD-Zentrum geschlossen wird", sagte der Pastor im Ruhestand. "Erntefest" mit 40 Teilnehmern: Danach ging es zum Nahtz-Hof am Ortsrand, wo die NPD ein "Erntefest" veranstaltet hatte. Nach Polizeiangaben waren zu der NPD-Veranstaltung rund 40 Teilnehmer erschienen, deutlich weniger als erwartet. Am Zaun kam es zu ein paar Provokationen und Scharmützel, insgesamt blieben größere Zwischenfälle aber aus. Zahlreiche Polizisten schirmten den Hof ab, eine Reiterstaffel war im Einsatz. Sogar ein Hubschrauber der Bundespolizei flog über das Gelände. Völkische Musik aus Lautsprechern: Die NPD versuchte unterdessen, die Abschlusskundgebung der Gegendemonstranten mit völkischer Musik zu stören. Aus den Lautsprechern kam etwa die verpönte erste Strophe des Deutschlandliedes. Jens-Christian Wagner, scheidender Leiter der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten, erklärte, dass eine "klare politische Haltung gegen Rassismus, Antisemitismus und Demokratieverächtung" notwendig sei. "Wir demonstrieren gegen die unerträgliche Präsenz radikaler Neonazis auf Hof Nahtz in Eschede. Von diesen Schulungs- und Vernetzungstreffen geht eine virulente Gefahr aus. Das können wir nicht dulden." Landkreis kontrolliert Corona-Regeln: Nach der Kundgebung kontrollierten Mitarbeiter des Landkreises Celle, ob die NPD-Anhänger die Corona-Abstands- und Hygieneregeln bei ihrem "Erntefest" einhielten. Beanstandet wurde nichts, dafür wurde laut Polizei ein Verstoß gegen das Waffengesetz festgestellt. Die NPD hat für den kommenden Samstag einen weiteren Aufzug angemeldet. Von Simon Ziegler und Michael Ende