Eschede demonstriert friedlich gegen NPD

Gehört dieses Vorgehen zur Taktik der NPD? Das haben sich dem Vernehmen nach viele Teilnehmer der großen, bunten Gegendemonstration am Samstag gefragt. Die Neonazis hatten ihren für diesen Tag angemeldeten Aufmarsch durch Eschede am Vormittag kurzfristig abgesagt – offenbar hatten sie nicht genug Mitstreiter gefunden. Die Bürger der Gemeinde und die anderen Demonstranten, von denen der größte Teil aus der demokratischen Mitte kam, zeigten sich davon weitgehend unbeeindruckt. Rund 350 Menschen zogen nach Polizeiangaben „absolut friedlich“ durch den Ort – hier geht es zur Bildergalerie. "Gedankengut der NPD darf sich nicht verbreiten": Einer von ihnen ist Dirk Kröger. „Ich wäre so oder so mitgegangen“, so der 48-Jährige, der seit 20 Jahren in Eschede wohnt. „Ich bin absolut gegen Rechts und kann das Gedankengut der NPD nicht tolerieren. Das darf sich nicht verbreiten“, sagte Kröger, nachdem sich die Demonstranten vom Bahnhof auf den Weg durch den Ort machten. Ihr Protest richtet sich gegen die Aktivitäten der NPD auf dem früheren Hof Nahtz, wo auch heutige rechtsnationale Politiker wie Andreas Kalbitz schon waren. Große Solidarität der Bürger in Eschede: Bei einer Abschlusskundgebung vor dem Rathaus zeigten sich die Veranstalter vom örtlichen Bündnis gegen Rechtsextremismus begeistert von der Solidarität. „Die Rechten sind zuvor durch den Ort gefahren, haben sich umgesehen und sich nicht hergetraut“, fasste der Vorsitzende Marlon Gollnisch zusammen. „Es ist grandios, was Ihr auf die Beine gestellt habt“, wandte sich Bürgermeister Günter Berg an die Menschen der Gemeinde. „Wir sind bunt und lassen uns nicht unterkriegen. Wenn es darauf ankommt, stehen wir zusammen. Darauf sollten wir stolz sein“, so der Verwaltungschef. Viele junge Menschen bei der Demonstration: Auch viele junge Menschen nahmen an der Demonstration teil. „Das Thema geht uns alle an. Es ist wichtig, dass auch wir zeigen, was wir denken. Wir sind schließlich die nächste Generation“, sagte Sophia Harke (22 Jahre) aus Scharnhorst. Auch "Die Partei" ist in Eschede vertreten: Noch vergleichsweise wenig Zulauf hatte die Mahnwache, die zuvor an der Kreuzung zum Finkenberg stattfand. Etwa 50 Menschen nahmen daran teil. Auch diese Aktion hatte das Bürgerbündnis organisiert. Die Satire-Partei „Die Partei“ schloss sich mit einem Stand an. „Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Man darf sich von Faschismus nicht beeindrucken lassen – niemals“, sagte der Celler Ratsherr Dirk Gerlach. Angesichts der Diskussion um eine Umbenennung der Straße „Zum Finkenberg“ tauften die Satiriker den Weg zum NPD-Gelände kurzzeitig in „Inglourious-Basterds-Weg“ (deutsch: „Unrühmliche Mistkerle“) um – in Anlehnung an den Kriegsfilm von Quentin Tarantino. Nur ein Punktsieg gegen die NPD: Umso größer war am Schluss die Zahl der Menschen vor dem Rathaus. „Die NPD wird weiter versuchen, mit uns in Kontakt zu treten“, mahnte die Grünen-Politikerin Marlies Petersen angesichts der weiteren bereits angemeldeten Neonazi-Aufmärsche. „Es passiert möglicherweise etwas im Hintergrund, von dem wir gar nichts mitbekommen“, sagte der stellvertretende Escheder Verwaltungschef Wilfried Nieberg der CZ. Und der Bürgerbündnis-Vorsitzende Gollnisch verglich den Verlauf mit einem Spieltag beim Fußball: „Das war heute nur ein Punktsieg.“ Ob sich die Neonazis am 20. Juni in Eschede sehen lassen, wird sich in dieser Woche zeigen. Die Gegendemonstranten wollen ab 13 Uhr vom Bahnhof aus bis etwa 150 Meter nördlich des NPD-Geländes am Finkenberg laufen. Ob weitere Veranstaltungen stattfinden, wird ebenfalls in dieser Woche entschieden. Für Vielfalt Wenn ich mich mit einem Plakat an einer Demo gegen Neonazis beteiligen würde, dann würde ich folgende Aufschrift wählen: „Ich bin für Vielfalt in Deutschland!“ Ich finde es ganz wichtig, dass man sagt, wofür man steht, was man möchte und nicht nur, dass man gegen etwas ist. Ich weiß zwar nicht, ob das bei diesen Menschen am rechten Ufer ankommt, diese Botschaft, aber ich bezweifle, dass Sprüche wie „Wir wollen keine Nazis!“ oder „Keine Nazis in Eschede!“ eher etwas bewegen. Die Botschaft, dass man keine Nazis in seinem näheren Umfeld haben möchte, ändert diese Menschen nicht. Wenn sie nicht in Eschede wären, dann wären sie woanders. Es gibt auch kluge Leute, die meinen, es sei besser, wenn man wüsste, wo sich diese Szene trifft und sie somit unter Kontrolle hat, als wenn sie sich im absolut Verborgenen organisierte und von dort aus Dinge plane, die wir Anti-Nazis uns natürlich alle nicht wünschen. So wie es jetzt am Samstag in Eschede angelaufen ist – das macht Hoffnung: Die Rechten bekommen nicht genügend „Aufrechte“ zusammen, die sich trauen, ihr Gesicht bei einem „Aufmarsch“ zu zeigen. Ab wieviel Teilnehmern darf man eigentlich von einem „Aufmarsch“ sprechen? Und der Protest gegen die NPD zeigt Flagge, entspannt und gleichzeitig entschlossen. Dieser Protest gegen rechts zeigt eindeutig: Die Demokraten sind in Deutschland eindeutig in der Überzahl! Noch mal zur Vielfalt zurück: Auf solch ein Pack wie die NPD könnte ich gerne verzichten, aber da es sie gibt, muss man sie in ihre Schranken verweisen – und zwar deutlich. Andreas Babel

Eschede demonstriert friedlich gegen NPD - wie geht es nun weiter?