Reisebüro Phillips in Bergen: So erlebt die Reisebranche die Coronakrise

Hinter Ralf Phillips liegen schwere Monate. Die Coronakrise hat den Inhaber des Berger Reisebüros wirtschaftlich hart getroffen. "Der Motor läuft seit Ostern nur noch auf niedrigsten Touren", sagt er. "Seitdem hagelt es Stornierungen und Buchungen bleiben weitestgehend aus." Systmrelevant dank Deutscher Bahn: Es ist ruhig geworden in den Geschäftsräumen an der Celler Straße, Philips und sein Team nutzen die unverhoffte Freizeit für Renovierungsarbeiten. "Aktuell habe ich wenn es gut läuft einen Kunden am Tag hier, im Sommer war die Lage zumindest etwas entspannter", berichtet der Berger, der überhaupt nur geöffnet haben darf, weil sein Reisebüro eine Deutsche-Bahn-Agentur beherbergt. "Dadurch sind wir systemrelevant." Eine großer Vorteil ergibt sich daraus allerdings nicht. "Die Menschen sind skeptisch und trauen sich noch nicht wirklich Urlaub zu buchen. Der Lockdown und der nun verlängerte Lockdown haben natürlich, in meinen Augen auch völlig zurecht, dafür gesorgt, dass die wenigen Buchungen die wir für Januar und Februar hatten, nun auch noch storniert wurden." Politik unterstützt Reisebranche: Phillips arbeitet derzeit hauptsächlich alleine. Seine Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. "Ich musste glücklicherweise noch niemanden entlassen", sagt er. Das hänge auch damit zusammen, dass die Politik die Reisebranche nicht hängen gelassen hat. "Ich kann sagen, dass viel für uns gemacht wurde, es gab unter anderem Überbrückungshilfen. Verlust habe ich natürlich trotzdem gemacht, aber ich bin optimistisch, dass ich die Krise überstehen kann. Wer vorher vernünftig gewirtschaftet hat, hat definitiv eine Chance. Ich würde nicht mehr hier sitzen, wenn ich keine Hoffnung hätte." Bei vielen seiner Kollegen hingegen verabschiedet sich der Optimismus von Woche zu Woche mehr. "Ich spüre bei vielen Reisebüro-Inhaber-Kollegen mittlerweile eine gewisse Resignation. Aber ich denke, wenn man wie wir fast zehn Monate Stillstand mit andauernder Stornowelle hat, gewissermaßen den Teppich unter den Füßen weggezogen bekommt, ist es sicherlich nicht einfach, sich täglich aufs Neue zu motivieren." Preissteigerung wegen Corona? In den buchungsstärksten Monaten November und Dezember herrschte bei Phillips fast vollständig Flaute. "Hier mal Kanaren, oder da Griechenland – das gab es vereinzelt. Aber kaum jemand wollte, wie eigentlich normal, in den vergangenen Wochen den Jahresurlaub für 2021 buchen." Er glaubt, dass die Buchungen ab Ostern wieder zunehmen könnten. "Die Menschen vermissen das Reisen. Ich bin mir sicher, dass sie wieder buchen werden, sobald absehbar ist, dass sich die Lage dauerhaft entspannt. Ab Sommer rechne ich wieder mit einem einigermaßen normalen Buchungsverhalten." Der Reisefachmann vermutet allerdings, dass sich das Reisen an sich verändern könnte. "Ich bin mir sicher, dass Masken uns gerade unterwegs noch lange begleiten werden und das ein oder andere Urlaubsland möglicherweise auch eine Impfung voraussetzt. Aber die Menschen, die wirklich verreisen wollen, werden sich daran nicht stören." Erhebliche Preissteigerungen oder Rabatte erwartet er nicht: "Wenn alles wieder anläuft, könnten die Preise eventuell angezogen werden. Aber ich denke, dass sich das sehr schnell wieder auf einem bekannten Level einpendelt." Wechselbad der Gefühle: Wenn Phillips auf die vergangenen zehn Monate zurückblickt, erinnert er sich vor allen Dingen an ein permanentes Wechselbad der Gefühle. "Da war alles dabei. Traurigkeit, Hoffnung, Resignation. An dem einen Tag saß ich zu Hause und habe das ein oder andere Tränchen verdrückt. Am kommenden Tag bin ich dann allerdings aufgestanden und war voller Motivation." Klar ist: Auch die kommenden Lockdown-Wochen werden nicht einfacher. Aber der Silberstreif am Horizont, den verliert der Reisefachmann nicht aus den Augen. "Jeder Tag, der ins Land zieht, ist ein weiterer Tag in Richtung Sommer, auch wenn der Weg noch ein sehr weiter ist."