Bergen will das älteste Haus der Stadt verkaufen

Die klamme Stadt Bergen muss derzeit jeden Cent zweimal umdrehen. Um den Haushalt nachhaltig zu sanieren, will sich die Kommune deswegen von alten Immobilien trennen, die nicht gebraucht werden und im Unterhalt zu teuer sind. Ganz oben auf der Liste stehen dabei zwei Gebäude in der Stadtmitte: das frühere Stadtarchiv "Am Museum 2" und das Haus "Tummers Twiete 5", in dem sich noch das Frauen- und Mütterzentrum befindet. Frauen- und Mütterzentrum soll umziehen: "Da keine sinnhafte Nachnutzung des Gebäudes Tummers Twiete 5 durch die Stadt selbst ansteht und es eine konkrete Anfrage zum Erwerb gibt, soll das Objekt einem Verkauf zugeführt werden", argumentiert die Stadtverwaltung von Bürgermeisterin Claudia Dettmar-Müller. Für das Frauen- und Mütterzentrum werde bereits eine neue Bleibe gesucht. Zunächst soll ein Gutachter den Kaufpreis bestimmen, anschließend ein Makler mit der Veräußerung beauftragt werden. Das letzte Wort über Verkauf soll der Rat haben. Laut Rathaus hat der Verkauf zwei Vorteile: "Dies führt dem städtischen Haushalt eine einmalige Kaufpreiseinnahme zu. Außerdem würden nach Verkauf die laufenden Kosten der Verwaltung, des Betriebs und der Instandhaltung wegfallen." Rat und Ortsrat finden diese Argumente überzeugend und haben dem Verfahren zugestimmt. SPD fordert dendrochronologisches Gutachten: Gleiches gilt auch für das Haus "Am Museum 2", für das es allerdings noch keinen Interessenten gibt. Zudem gab der SPD-Fraktionsvorsitzende Rüdiger von Borcke zu bedenken: "Das Gebäude ist ein ortsbildprägendes Einzeldenkmal. Und was für mich besonders zählt: Es ist womöglich das älteste Gebäude in Bergen, das noch steht." Die Balken des Hauses würden vermutlich aus dem Jahr 1470 stammen, was aber noch nicht bewiesen ist. „Wir hätten längst ein dendrochronologisches Gutachten in Auftrag geben müssen, um herauszufinden, ob das Gebäude wirklich so alt ist", sagte von Borcke. Die Dendrochronologie ist die Datierungsmethode, bei der mithilfe von Baumringen das Alter eines Holzstamms bestimmt werden kann. Römstedthaus ist ältestes Gebäude in Bergen: Der Ort Bergen wird urkundlich erstmals 1197 als Kirchspiel erwähnt. Mitte des 15. Jahrhunderts bestand das Dorf bereits aus zehn Höfen und 30 Hütten. Auch eine Mühle klapperte damals nördlich des Deichends, die aber 1903 nach einem Blitzschlag abbrannte. Das offiziell älteste Gebäude der Stadt ist das Römstedthaus, das im 17. Jahrhundert als Räucherhaus genutzt wurde und heute ein Heimatmuseum ist. Die Hofstelle mit Gaststätte wurde 1470 zum ersten Mal erwähnt, 1828 neugebaut. Von 1989 bis 2019 war dort das Stadtarchiv ansässig. Bieter für Reihenhäuser macht Rückzieher: Von drei Reihenhäusern an der Rosenstraße will sich die Stadt ebenfalls trennen. Es ist bereits der dritte Verkaufsversuch, nachdem auch die zweite Ausschreibung im Jahr 2019 überraschend gescheitert war. "Der Bieter trat vor Vertragsabschluss vom Kauf zurück", heißt es aus dem Rathaus. Die Gründe dafür bleiben jedoch im Dunkeln. Diesmal will die Stadt im Kaufvertrag nicht mehr den Abriss der mit Asbest belasteten Häuser an der Rosenstraße 19–23 vorschreiben, die mittlerweile entmietet wurden. Hausverkauf kommt Jugendfeuerwehr zugute: Außerdem hat der Rat den Verkauf des Grundstücks Wallfurth 20 beschlossen. Das Höchstgebot für Wohnhaus und Grundstück lag mit 120.500 Euro um 5500 Euro über dem geschätzten Grundstückswert. Das Haus war über eine Erbschaft in den Besitz der Stadt gelangt. Der frühere Eigentümer verband die Erbschaft jedoch mit einer Auflage: Das Vermögen soll der Berger Jugendfeuerwehr zur Verfügung gestellt werden. 1470: Erste Erwähnungen der Hofstelle, die eine Gaststätte beinhaltet 1563, 1571: Weitere Erwähnungen 1587/88: Zuordnung der Hofstelle zum Abt zu St. Michaelis zu Lüneburg 1664: Beschreibung der Bestandteile der Hofstelle (Hausbuch der Berger Vogtei) 1754: Aufnahme ins Brandversicherungskataster 1816: Beschreibung der Bestandteile der Köthnerstelle (Quelle: unbekannt) 1828/34: Umzug der dem Hof zugehörigen Gaststätte in ein neues Gebäude, Nutzung der Hofstelle als Abbauerstelle 1837: Erwerb durch einen Hamburger Kaufmann, Einrichtung eines Ladengeschäfts 1903: Anbau des großen Vorderhauses 1928: Erwerb des Hinterhauses durch die Berger Creditbank 1935–1942: Vermietung der oberen Etage als Wohnung 1942: Umzug der Creditbank in neue Räume, Umbau des Hinterhauses zu Klassenräumen 1952: Erwerb durch die Gemeinde Bergen, Einrichtung der Mädchenabteilung der Landwirtschaftsschule 1958: Übernahme des Hinterhauses durch den Landkreis Celle 1961: Einrichtung eines Kindergartens 1966: Übernahme durch die Stadt Bergen, Einrichtung eines Freizeitheimes 1989: Einzug des Berger Stadtarchivs 1995–2012: Nutzung zweier Räume durch die Kfz-Zulassungsstelle 2019: Auszug des Berger Stadtarchivs Seit 2020: Nutzung als Lager des Planarchives und Abstellräume für den Heimatverein Quelle: Bauhistorische Untersuchung des Architekturbüros Brüggemann, 2020