Ungewöhnliche und reizvolle Orgel in Bleckmar

Bleckmar, dieser idyllische Vorort von Bergen, dessen Reiz so verborgen abseits der den Ort streifenden Bundesstraße im Osten von dieser liegt, hat nicht nur diverse alte Gehöfte mit schönem altem Baumbestand, hier findet man auch eine relativ neue Kirche am Ortsausgang, auch wieder Richtung Osten. 1979 wurde diese Kirche erbaut als Nachfolgerin einer Kirche, die unter Denkmalschutz stand. 1978 hatte man sich entschlossen eine neue Kirche zu bauen, eine Abbruchgenehmigung beim Denkmalschutz für die alte Kirche beantragt und tatsächlich wurde die Abbruchgenehmigung sogar zügig erteilt: Ein geradezu unglaublicher Vorgang aus heutiger Sicht, aber in dieser Zeit zählte wohl das Neue mehr als heute. Im Dezember 1979 konnte bereits die neue Kirche geweiht werden. Und kurz danach wurde die alte abgerissen. Entscheidung, Planung, Neubau, Altbauabriss: das Alles in zwei Jahren – heute unvorstellbar. Holzgehäuse ist auffallend gut handwerklich gearbeitet: Die neue Kirche der SELK, der Selbständigen Evangelisch-lutherischen Kirche St.-Johannis in Bleckmar, ist als Bauwerk durchaus gelungen: Schlicht ist dieses Gebäude, aber keineswegs kühl oder sachlich. Ganz im Gegenteil: die innenarchitektonische Gestaltung mit der zeittypischen Holzdecke, das klare Licht, teilweise durch abstrakte Farbfenster, die nach oben hin heller werden, das wirkt alles sehr in sich ruhend. Und dazu passt auch noch eine 1987 geweiht reizvolle Orgel, gebaut von einem unbekannten Orgelbauer aus Schleswig-Holstein namens Andreas Andresen: ein Instrument, das sich gut einfügt in die Gesamtarchitektur. Diese Orgel vermittelt optisch einen sehr wertigen Eindruck, ist doch ihr Holzgehäuse auffallend gut handwerklich gearbeitet. Dieser Orgelbauer muss dafür ein besonderes Händchen gehabt haben. Hört man sich allerdings um – betreffs weiterer Orgeln aus dieser Werkstatt – so bekommt man wenig gute Informationen. Die Bleckmarer Orgel wird als die wohl beste dieses Instrumentenbauers bezeichnet, die aber früher auch nicht so gut gewesen sein soll wie sie es jetzt ist. Im Inneren dieser Orgel wurden wohl diverse, für den Orgelbau nicht bewährte Materialien wie Aluminium verarbeitet, die später von einem anderen Orgelbauer ersetzt werden mussten. Viel Reizvolles entdecken: Am Klang dieser Orgel hat wohl Orgelbauer Amadeus Junker aus Meinersen bei der großen Überholung im Jahr 2009 noch merkliche Korrekturen vorgenommen. Und diese haben dazu geführt, dass man jetzt alle Register richtig gut mit einander kombinieren kann. Wer diese Orgel heute spielt, der wird viel Reizvolles an diesem zungenregisterlosen Instrument entdecken. Vor allem gibt es hier etwas, was äußerst selten ist und wohl eine Konzept des damals betreuenden Sachverständigen Siegfried Schwertner war: Hier hat man nämlich fünf Register für die Manuale so gebaut, dass sie je nach Bedarf entweder auf dem oberen oder dem unteren Manual gespielt werden können. Diese dafür eingesetzten sogenannten abstoßenden Wechsel- oder Zwillingsschleifladen sind etwas Seltenes. Sie erweitern die klangfarblichen Möglichkeiten erheblich. Allerdings hebt diese Bauweise die über Jahrhunderte zur Tradition gewordene Bauweise der sich deutliche unterscheidenden Pfeifenwerke für die einzelnen Manuale auf. Aber was soll daran schlecht sein, wenn man mit diesem Kniff als Organist eines kleinen Instrumentes auf einmal viel mehr Möglichkeiten mit der Orgel bekommt? Spielens- und hörenswertes Instrument: Die gute, wahrscheinlich teilweise erst nachträglich entstandene klangliche Gestaltung dieser Orgel mit ihren bauartbedingt ungewöhnlichen Kombinationsmöglichkeiten macht das Besondere dieses Instruments aus. Andererseits aber leidet diese Orgel unter dem zeittypischen Mangel von zu wenig und zu zeichnungsschwachem Bass. Das Pedal ist ohne heruntergekoppelte Register aus den Manualen brummig und kaum als melodische Linie wahrnehmbar. Aber trotzdem: Der Gesamtklang dieser Orgel hat einen ganz eigenen Charakter, der ideal geeignet ist für Orgelmusik mit wenig Pedal wie Barockmusik aus Süddeutschland oder Italien. Das könnte eventuell damit zusammenhängen, dass der seinerzeitige Orgelsachverständige der SELK, eine Position, die es heute in dieser Form bei der SELK gar nicht mehr gibt, aus dem süddeutschen Heidelberg stammte und möglicherweise hier ein Instrument hat bauen lassen, das dortiger Tradition näher steht als hiesiger Tradition. Auf jeden Fall erweitert dieses Instrument die hiesige Orgellandschaft auf erfreuliche Weise. Ein spielens- und hörenswertes Instrument. Von Reinald Hanke Hersteller: Orgelbau Andresen, Neumünster Mechanischen Traktur und Registratur: 2 Manuale, Pedal 12 Register: 3 im ersten Manual, 2 im zweiten Manual, 5 wechselweise auf erstem oder zweitem Manual verfügbar, 2 im Pedal