Celle-Landkreis

Weitere Celler Opfer der NS-"Euthanasie" entdeckt

Sieben Opfer der Menschen verachtenden NS-Ideologie aus dem Landkreis Celle sind jetzt bekannt geworden. Ihre Namen sind Ende vergangenen Jahres in dem „Hamburger Gedenkbuch Euthanasie. Die Toten 1939 – 1945“ veröffentlicht worden. Zudem sind drei aus Hamburg stammende Kinder in diesem Buch vermerkt, die in Celle gestorben sind.

  • Von Michael Ende
  • 23. Apr. 2018 | 18:17 Uhr
  • 09. Juni 2022
Die Ärztin Dr. Helene Sonnemann Anfangder 1940er Jahre vor dem Kinderkrankenhaus Rothenburgsort in Hamburg. Hier tötete die Medizinerin eigenhändig mindestens zwölf behinderte Kinder. Jetzt ist bekannt geworden, dass während des Krieges unter Sonnemanns Verantwortung auch drei behinderte Kinder in Celle starben.
  • Von Michael Ende
  • 23. Apr. 2018 | 18:17 Uhr
  • 09. Juni 2022
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Celle-Landkreis.

Kinder als Opfer: Die drei behinderten Kinder, Henry Blanke, Rolf Uenzelmann (Geburtsdaten unbekannt) und Ingrid Ullrich (geboren am 8. Juli 1938), sind in dem Kinderkrankenhaus Rothenburgsort (KKR) aufgenommen worden. In dieser Hamburger Einrichtung ist während der NS-Zeit eine Kinderfachabteilung eingerichtet worden, in der gezielt und geheim gehalten behinderte Kinder getötet worden sind. Diese galten den NS-Ideologen als „lebensunwert“.

Stellvertretende KKR-Leiterin war Dr. Helene Sonnemann. Sie führte mit sechs Ärztinnen und 60 Kinderkrankenschwestern einen Transport von 200 Kindern nach Celle. Der Grund dafür: Das KKR war im Juli 1943 ausgebombt worden. Sonnemann blieb in Celle und wurde hier Leiterin des Kinderhospitals des AKH. Sie wurde nach dem Krieg beschuldigt, mindestens zwölf Kinder eigenhändig ermordet zu haben. Nach dem Krieg heiratete Sie den einstigen Hitler-Adjutanten Fritz Darges und lebte mit ihm bis zu ihrem Tod 1998 unweit des Kinderhospitals in Celle. Fritz Darges starb erst Ende 2009 in Celle.

Nach neuesten Recherchen der Hamburger Forscherin Hildegard Thevs ist die Opferzahl weitaus höher als die von der Hamburger Staatsanwaltschaft in den späten 1940er Jahren festgestellte von 56. Nach Auswertung von bislang nicht gesichteten Akten sind im KKR mindestens 127 Kinder gestorben, die behindert waren. „Man kann die neu ermittelten 71 Kinder zu den Opfern zählen, auch ohne zu wissen, ob sie gezielt getötet wurden, denn sie hatten eine damals meldepflichtige Krankheit und sie sind in einer Einrichtung ums Leben gekommen, die eigens zur Tötung von Kindern geschaffen wurde, die eine meldepflichtige Krankheit wie das Down-Syndrom oder Lähmungen aufwiesen“, sagt Andreas Babel, der das Gedenkbuch hinsichtlich der Celler Opfer ausgewertet hat. Babel hat in seinem Buch „Kindermord im Krankenhaus“ (Edition Falkenberg) die Lebenswege der KKR-Täterinnen nachgezeichnet.

Die Celler Opfer: Sieben Menschen aus dem Landkreis Celle sind offenbar während der NS-Zeit in Hamburger Anstalten untergebracht gewesen. Von dort sind sie in Einrichtungen verlegt worden, in denen sie Opfer der so genannten „Euthanasie“-Politik geworden sind.

Georg Heinrich Brammer (am 10. Januar 1861 in Hermannsburg geboren) wurde im August 1943 aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn in die Vernichtungsanstalt Hadamar verlegt, wo er zwei Monate später starb.

Wilhelmine Camman (geboren am 25. Februar 1885 in Beedenbostel) wurde von Alsterdorf nach Wien verlegt, wo sie am 10. Juni 1944 starb.

Hermann Ernst Friedrich Hemme (geboren am 21. Dezember 1860 in Celle) wurde aus einem Versorgungsheim in die Landeskrankenanstalten Obrawalde bei Meseritz verlegt, wo er am 22. Oktober 1942 starb.

Ferdinand Otto Arthur Müller (geboren am 25. Februar 1888 in Celle) ging denselben Weg. Er starb am 19. April 1944 in Obrawalde-Meseritz.

August Rabe (geboren am 19. März 1853 in Sülze) wurde ebenfalls aus einem Hamburger Versorgungsheim verlegt und starb am 29. April 1944 in der Pflegeanstalt Mittweida. Am Tag der Veröffentlichung des CZ-Artikels in der gedruckten Zeitung meldete sich Sülzes Dorfchronist Wilhelm Helms bei der CZ. Er hatte in den alten Kirchenbüchern nach August Rabe gesucht und ihn mit dem Geburtsdatum 19. März 1858 auch gefunden, also genau fünf Jahre nach dem im Gedenkbuch angegebenen Datum. Es wird sich bei den Hamburger Unterlagen um einen Lese- oder Übertragungsfehler handeln. Augusts Rabes Vater hat 1852 das Haus Nummer 48 in Sülze. "Mit Hilfe des Sattelhofs, von dem der Vater stammt", ergänzte Helms.

Franziska Tomaszewski (geboren am 27. Februar 1890 in Diesten) wurde im November 1941 aus Langenhorn in die Gauheilanstalt Tiegenhof verlegt, wo sie am 4. November 1942 starb.

Gustav Wagener (geboren am 1. Oktober 1924 in Celle) wurde im August 1943 aus den Alsterdorfer Anstalten nach Eichberg und weiter in die Landesheilanstalt Weilmünster verlegt, wo er am 31. August 1944 starb.