Gestern verhandelte das Oberlandesgericht Celle (OLG) ihre Berufung gegen eine Entscheidung des Landgerichts Hannover. Zwar wird das Urteil erst Ende Mai verkündet. Die Richterin ließ aber kaum einen Zweifel an der bevorstehenden Entscheidung: Das Gericht geht nicht von einer Mithaftung des Verkehrsunternehmens aus. Die Klägerin, die beim Landkreis Celle als Ingenieurin arbeitet, fordert Unterhalt für sich und ihre heute zwölfjährige Tochter. Der Streitwert liegt bei 220.000 Euro.
Im Dezember 2007 war Wegeners Ehemann Peter Waibel tödlich verunglückt. Er wurde an der Herrenhäuser Straße von einer Straßenbahn erfasst und mitgeschleift. Zuvor hatte er bei grüner Ampel die Straße überquert. Die Kläger argumentieren, dass der Fahrer für die schlechten Sichtverhältnisse an dem regnerischen Abend zu schnell fuhr und nicht geläutet habe. Zudem habe es kurz vorher an der selben Stelle schon einen tödlichen Unfall gegeben.
Die Vorsitzende Richterin dagegen sagte, es sei nicht erkennbar, dass gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht verstoßen worden sei. Sie betonte stattdessen "das schwere Verschulden des Fußgängers". Er habe auf den Gleisen gestanden, sei dunkel gekleidet gewesen und habe sich nicht bewegt. "Wir können uns kaum einen größeren Verstoß eines Fußgängers vorstellen als diesen", sagte die Richterin. Ein Fußgänger habe nichts auf den Gleisen verloren. Ein Straßenbahnfahrer sei zudem nicht verpflichtet, unter 30 Kilometer pro Stunde zu fahren, sagte sie. Gutachten hatten ergeben, dass der tödliche Unfall bei einer geringeren Geschwindigkeit hätte vermieden werden können.
"Was Sie hier statuieren, ist aus meiner Sicht ein Freifahrtschein für die Üstra. Das kann nicht sein", sagte Opfer-Anwalt Reinhold Schneegans. Von einer Straßenbahn erwarte er, dass sie so schnell fahre, um im Notfall bremsen zu können. Er beantragte, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Hannover zurückzuweisen. Die Kläger gehen von einer 50-prozentigen Mitschuld der Hannoverschen Verkehrsbetriebe aus.
Wegener äußerte sich nach der Verhandlung tief enttäuscht. "Ich kann es nicht nachvollziehen. Das ist nicht gerecht", sagte sie. Dagegen sieht sich die Üstra bestätigt. Das Gericht habe erklärt, dass der Betrieb eines öffentlichen Verkehrsmittels im Sinne der Kläger nicht möglich sei, sagte Anwalt Martin Berkemeier. Das OLG habe die Fakten juristisch zutreffend bewertet.