40 Minuten dauerte gestern Morgen die Güteverhandlung im Celler Amtsgericht. Die Vorsitzende Richterin gab sich alle Mühe, die beiden Streitparteien zu einem Vergleich zu bewegen. Schließlich könne sie sich nicht vorstellen, dass es gut für die Politik und Nienhagen sei, wenn etwa zehn Ratsmitglieder als Zeugen geladen werden, so die Richterin. „Da fragt man sich bei so einer Sache, muss das sein?“
Es muss wohl. Denn gütliche Einigungen sind zwischen CDU und SPD in Nienhagen kaum noch zu erreichen. Am 21. April 2009 soll Makel in einem Umwelt- und Bauausschuss aufgesprungen sein und Führer einen „Lügner und Betrüger“ genannt haben, behauptet die Kläger-Seite, die eine Unterlassungserklärung fordert. Makel bestritt die Äußerungen und will lediglich mit der Äußerung „das ist Lug und Betrug“ das Abstimmungsverhalten der gesamten CDU-Fraktion gemeint haben. Inhaltlich ging es in dem Ausschuss um das Protokoll der vorherigen Sitzung, als der stellvertretende Ausschuss-Vorsitzende Führer dem SPD-Ratsmitglied Peter Mahler das Wort entzogen hatte. Dann wurde über den SPD-Antrag abgestimmt, das Protokoll zu ändern. Die CDU lehnte ab, woraufhin die Worte gefallen sein sollen, die jetzt das Gericht beschäftigen.
Die Richterin versuchte gestern, zahlreiche Brücken zu bauen: So hätte man sich einigen können, dass solche Äußerungen künftig nicht mehr fallen dürfen, verbunden mit der Formulierung, dass es unangemessen wäre, Führer als Lügner und Betrüger zu bezeichnen. Doch die Führer-Seite lehnte ab. „Man darf sich laut und zünftig streiten. Aber ‘Lügner und Betrüger’ geht nicht. Das sind ehrverletzende Äußerungen gewesen. Ich habe Herrn Makel angeboten, dass er sich entschuldigt“, so Führer. Makel wiederum blieb bei seiner Darstellung: „Ich habe Sie in keiner Form persönlich angegriffen und bedaure, dass wir hier nicht mit einem Händeschütteln auseinander gehen.“
Erwartet wird, dass die Richterin kurzfristig den Beweisbeschluss verkündet. Das bedeutet, dass die benannten Zeugen vernommen werden müssen. Dabei handelt es sich um die Berufung von zahlreichen Ratsmitgliedern in den Zeugenstand – ein in dieser Form wohl beispielloser Vorgang im Kreis Celle. „Während meiner Zeit im Amtsgericht seit 2001 hat es eine vergleichbare Klage aus dem politischen Raum nicht gegeben“, sagte Amtsgerichtsdirektor Günter Busche. Kreisdezernent Michael Cordioli, zuständig für die Kommunalaufsicht, kann sich ebenfalls nicht an einen solchen Fall erinnern. „So etwas habe ich noch nicht erlebt.“
Kommentar von Simon Ziegler
Der Anlass macht die Geschichte noch unglaublicher. Dass eine Auseinandersetzung um das Protokoll einer banalen Ausschuss-Sitzung dazu führt, dass bald der halbe Nienhäger Gemeinderat vor dem Amtsgericht erscheinen muss, ist ein Armutszeugnis für alle Beteiligten.
Dabei hatte die Richterin gestern versucht, Lösungen zu finden, damit die vom Volk gewählten Ratsmitglieder ihr Gesicht wahren können. Doch der Zeitpunkt für eine gütliche Einigung war wohl verpasst. Was bleibt, ist Kopfschütteln darüber, dass die politische Atmosphäre in Nienhagen so verkommen ist, dass man Gerichte bemühen muss, um über derlei Nichtigkeiten zu befinden.
Und da liegt bei aller Banalität der Sachlage der eigentliche Skandal. Die Richter am Celler Amtsgericht haben gewiss Besseres zu tun, als angebliche oder tatsächliche Beleidigungen aus politischen Gremien zu verhandeln. Hinzu kommt, dass jetzt eine zeitintensive Beweisaufnahme mit der Vernehmung etlicher Zeugen erbracht werden muss. Wofür eigentlich? Damit am Ende herauskommt, dass entweder die Worte „Lügner und Betrüger“ oder die Worte „Lug und Betrug“ gefallen sind?
Der Schaden ist schon jetzt erheblich. Für den Gemeinderat an vorderster Front, der zu einem albernen Kasperle-Theater verkommt. Für die Parteien, die bei der kommenden Wahl möglicherweise mit einer Quittung durch die Wähler zu rechnen haben. Und schließlich für die Bürger: Denn es ist dieser zerstrittene Haufen von Politikern, der in den Zeiten einer großen finanziellen Krise in den Kommunen die Weichen für die Zukunft Nienhagens stellen muss.