Landkreis Celle

„Nicht bereit, uns Prügel abzuholen“

Die Debatte um die mögliche Errichtung einer Kooperativen Gesamtschule (KGS) wird immer schärfer. Die SPD befürchtet eine Bankrotterklärung der Kommunalpolitik und spricht von einem CDU-Chaos. Die Christdemokraten keilen zurück: Der Wahlkampf mache die Sozialdemokraten verrückt.

  • Von Simon Ziegler
  • 13. Juni 2010 | 09:36 Uhr
  • 09. Juni 2022
  • Von Simon Ziegler
  • 13. Juni 2010 | 09:36 Uhr
  • 09. Juni 2022
Anzeige
Landkreis Celle.

Wer geglaubt hatte, die KGS-Debatte sei bislang schon emotional geführt worden, der muss einsehen, dass eine Steigerung immer noch möglich ist. Besonders die Sozialdemokraten teilen jetzt kräftig aus. Rolf Meyer, Kreis-Schulausschussvorsitzender und SPD-Landtagsabgeordneter, wirft der Union vor, dass ihr „Chaos eine totale Ignoranz des Elternwillens“ bedeute. 3600 Eltern im Kreis wollen eine KGS, so Meyer. „Was wollen CDU und FDP daraus machen? Nichts. Ich nenne das eine Verarschung von Schülern und Eltern.“

In den vergangenen Tagen wurde deutlich, dass eine KGS sowohl im Kreis als auch in der Stadt immer unwahrscheinlicher wird. Zunächst hatte die Landesschulbehörde in einer Vorab-Stellungnahme Landrat Klaus Wiswe mitgeteilt, dass eine Gesamtschule wohl nur in der Stadt Celle genehmigt werden könnte. Vor dem Hintergrund der massiven Proteste des Hölty-Gymnasiums hatte die CDU zugleich Abstand von der Idee genommen, dieses Gymnasium in eine KGS umzuwandeln. Der Schulausschuss der Stadt hatte zudem einer Gesamtschule im Stadtgebiet am Mittwoch eine Absage erteilt. Heißt im Klartext: In Bergen und Winsen wird eine KGS nicht genehmigt. In Celle gibt es den politischen Willen nicht, die Schullandschaft zu verändern.

Diese Gemengelage bringt die SDP auf die Palme. „Wenn wir jetzt keine KGS kriegen, ist das eine Bankrotterklärung der Kommunalpolitik“, sagte Kirsten Lühmann, Oppositionsführerin im Kreistag. Zugleich wirft die SPD der CDU vor, den Landrat zu blamieren, weil der sich für eine KGS in Celle ausgesprochen hatte.

Diese Vorwürfe lässt die CDU nicht auf sich ruhen. Wenn einer blamiert sei, dann diejenigen, die geglaubt hatten, eine KGS habe eine große Unterstützung in der Bevölkerung, sagt der CDU-Fraktionschef Joachim Müller. Er warf der SPD Feigheit vor, da die Partei keine Standorte für eine KGS genannt hatte. Müller: „Wir sind jedenfalls nicht bereit, uns für die schulpolitischen Wünsche der Sozis die Prügel abzuholen.“

Landrat Klaus Wiswe, der zuletzt auch von der Stadt-CDU für sein Vorgehen im Zusammenhang mit dem Hölty kritisiert wurde, räumte ein, dass er mit den Protesten an der Schule in dieser Form nicht gerechnet habe. „Ich glaube, dass es eine KGS in Celle im Moment nicht geben wird“, so Wiswe. Zu der Winser KGS-Forderung sagte er, dass ausreichende Schülerzahlen nicht dadurch sichergestellt würden, dass man annimmt, auch Schüler aus Bergen würden in die Westkreis-Gemeinde gehen. „In der Umfrage hatten Eltern aus Bergen die Möglichkeit, auch für Winsen zu stimmen, das haben sie nicht gemacht“, sagte der Landrat. Forderungen nach einer erneuten Befragung wies er entschieden zurück. Wiswe: „Wir haben eine seriöse Befragung gemacht. Das Ergebnis muss man jetzt respektieren.“

●Ausschuss: Das Thema KGS wird den Schulausschuss des Landkreises am Dienstag beschäftigen. Die Sitzung beginnt um 14.30 Uhr im Kreistagssaal in der Trift.

Debatte um Gesamtschule

CDU hat KGS nie gewollt

KGS: Was bisher geschah

●Bergen und Winsen: Als erste Kommune spricht sich im April 2008 der Berger Stadtrat für eine KGS aus. Der Winser Gemeinderat votiert im September ebenfalls für eine Gesamtschule mit gymnasialem Zweig. Entscheiden muss aber der Schulträger – und das ist der Landkreis.

●Umfrage: Mitte Oktober gibt die CDU ihren Widerstand auf und kündigt an, den KGS-Bedarf über eine kreisweite Elternbefragung ermitteln zu lassen.

●Kreistag: In einer denkwürdigen Debatte stimmt der Kreistag zwei Wochen später für die Umfrage. Drei Stunden lang überhäufen sich die Kreistags-Mitglieder mit Vorwürfen. Beobachter nennen die Sitzung ein Schmierentheater.

●Eltern: Im März 2009 werden die Eltern von Grundschulkindern zur KGS befragt.

●Ergebnisse: Am 25. April präsentiert Landrat Klaus Wiswe die Ergebnisse: Eine KGS, sagt er, könne nur in der Stadt Celle errichtet werden. Er bringt zugleich das Hölty-Gymnasium als möglichen Standort ins Gespräch.

●Protest: Schüler, Eltern und Lehrer des Hölty protestieren anschließend gegen die Umwandlung ihrer Schule.

Kommentar:

Sollte nicht noch eine Überraschung geschehen, wird es keine KGS geben – weder in Bergen noch in Winsen und in Celle erst recht nicht. Der Kreis Celle bewegt sich damit schulpolitisch in Niedersachsen auf dem Holzweg. Während in fast allen Kreisen des Landes Integrierte Gesamtschulen genehmigt werden (also die echten Gesamtschulen, in denen das dreigliedrige System aufgelöst ist), können sich die Parteien hier noch nicht mal auf eine KGS einigen, die Schule, die vielen ohnehin als Gesamtschul-Mogelpackung gilt.

Die CDU in ihrer großen Mehrheit hat eine KGS nie gewollt. Und so hat sie sich auch verhalten. Nur um dem öffentlichen Druck nachzugeben, hat sie sich für eine KGS in Celle ausgesprochen. Dieses Ziel ist aber von der eigenen Partei in der Stadt zunichte gemacht worden. Moderne Schulpolitik, die die Interessen der Eltern ernst nimmt, sieht anders aus.