Bei Saturn in Celle finden die „Powerbanks“, also Batterien mit denen Spieler ihr Handy unterwegs laden können, reißenden Absatz. Längst ist die App auf Platz Nummer eins in den Download-Charts geklettert, noch vor Branchengrößen wie WhatsApp, Facebook oder Snapchat. Der Wert der Aktie von Nintendo, der Firma, die die Rechte an den Wesen hält, verdoppelte sich in den vergangenen Tagen.
Höchste Zeit also, dass ich mich als CZ-Volontär selbst auf den Weg mache, um sie alle zu fangen. Schließlich bin ich sowas wie ein Pokémon-Veteran, der sich schon als Kind mit dem Gameboy die Zeit auf langen Autofahrten vertrieb. Das Prinzip ist einfach: Man läuft durch die Straßen und sieht auf seiner Karte eingezeichnet, wo sich die Fantasiewesen rumtreiben. Hat man sie gefangen, kann man in virtuellen Arenen gegeneinander kämpfen.
Zunächst spiele ich nur auf dem Weg zum Mittagessen mit den Kollegen. Da kommt eine etwa 40-jährige Frau auf uns zu und sagt: „Na, spielt ihr auch Pokémon?“, und schnappt sich direkt vorm Thaer-Denkmal ein „Sterndu“. Scheint also keineswegs ausschließlich ein Kinderspiel zu sein.
In Celle gibt es viele Pokémon, doch wie sieht es im Landkreis aus? Dazu fahre ich nach Feuerschützenbostel. Dort ist der Internetempfang ziemlich schlecht. „Für besseren Empfang müssen sie weiter die Straße runter gehen“, sagt mir eine freundliche Frau. Nach 20 Minuten will ich eigentlich schon aufgeben, da zeigt sich noch ein wildes „Hornliu“. Nichts besonderes, landet aber trotzdem als Fang im Pokéball.
Weiter geht es nach Lohheide, zur KZ-Gedenkstätte. In Ausschwitz gab es Schlagzeilen, dass dort schon Pokémon gefangen wurden. Vom Parkplatz in Bergen-Belsen aus sehe ich, dass keine Pokémon in der Nähe sind. Hier scheinen die Entwickler richtig reagiert zu haben. Die Gedenkstätte selbst will ich aus Pietätsgründen nicht mit der App betreten.
Jetzt soll es aber richtig losgehen. Schließlich habe ich erst zwei Pokémon gefangen. Deswegen fahre ich nach Winsen, wo ich mir mehr erhoffe. An der örtlichen Arena treffe ich Gleichgesinnte. Liam (18) und Vanessa (20) Boyle sind gemeinsam mit einem Freund unterwegs. „Liam hat uns das gezeigt und jetzt sind wir losgezogen“, sagt Vanessa Boyle. Immer auf der Suche nach dem seltenen Pokémon.
Auch ich habe in Winsen Glück und fange insgesamt 36 der kleinen Gestalten – bis mein Akku schlapp macht. Denn das Spiel zieht mächtig an der Batterie. GPS und mobiles Internet werden ständig gebraucht, dazu ist der Bildschirm permanent an – keine gute Kombination für eine lange Laufzeit. So hat mich die reale Welt vorerst wieder. Bis es morgen wieder losgeht heißt es: Halali.
Von Alexander Hänjes