Landkreis Celle

Ist ein uneheliches Kind ein späteres Ehehindernis?

Im Sommer 1666 verlobten sich der Sohn des Lachendorfer Müllers, Caspar Bruens, und Ilsebee Gudehuß aus Altenhagen. Wie es sich ge- - hörte, war das „Ehelich Verlobniß“ mit den beiderseiti- - gen Angehörigen begangen. Man beschloss, in Kürze die Ehe „durch den Priester Gottliches Worts vollziehen zu lassen.“

  • Von Cellesche Zeitung
  • 13. Juni 2010 | 09:49 Uhr
  • 09. Juni 2022
  • Von Cellesche Zeitung
  • 13. Juni 2010 | 09:49 Uhr
  • 09. Juni 2022
Anzeige
Landkreis Celle.

Aber die Welt ist klein. Als sich die Verlobung der beiden jungen Leute herumsprach, erinnerten sich einige Leute, dass der Bräutigam wohl doch keine ganz weiße Weste hatte. Jedenfalls wurde dem Amtsvogt in Beedenbostel und dem Pastor zugetragen, dass der Bräutigam vor vier Jahren Ilsabe Knop in Lachendorf geschwängert habe, und diese habe daraufhin „ein Kindt von ihme zur Weldt gebracht.“ Die Denunzianten meinten auch zu wissen, dass Caspar ihr die Ehe versprochen habe. So sei es geboten, „diese Ehe zu hindern.“

Nun wurden zu jener Zeit allerdings voreheliche intime Beziehungen, wenn sie denn Folgen hatten, angezeigt und den beiden Personen nach einer Verhandlung vor dem Landgericht Bußgelder – Wrogen – auferlegt. Doch weder bei der Amtsvogtei Beedenbostel noch unter den Protokollen des Landgerichts vom 24. Juli 1662, das dafür zuständig gewesen wäre, fanden sich entsprechende Belege, dass „selbieges Delictum gewruget undt zur Straffe gebracht worden.“ Auch gab es keine gerichtliche Notiz, dass Caspar Bruens ein Eheversprechen abgegeben habe.

„Ernstlich undt

hart vermahnet“

Um Licht in die ganze Angelegenheit zu bringen und den Wahrheitsgehalt der Anzeige zu prüfen, blieb der Amtsvogtei nichts weiter übrig, als die betreffenden Personen auf die Amtsstube zu zitieren.

Zunächst wurde Caspar Bruens, nachdem er „ernstlich undt hart vermahnet worden, davon die recht grundliche Wahrheit auszusagen,“ befragt. Er erklärte, der Ilsabe Knop niemals die Ehe versprochen zu haben. Es sei bei ihrem Zusammensein auch nie davon die Rede gewesen, deshalb fühle er sich auch nicht schuldig, sie zu sich zu nehmen.

„Darauff dan(n) dass Weibstücke alß Ilsebee Knops auch vorgefordert undt von ihr vernommen worden,“ wie sie zu Caspar Bruens stände. Sie sah die Beziehung zu ihm völlig anders und erklärte, es treffe zu, dass sie ein Kind von ihm zur Welt gebracht hätte. Das sei auch noch am Leben. Caspar habe ihr außerdem die Ehe versprochen. Sie könne es also nicht zulasen, dass er sich „mit einer andern befreyen wollte.“ Sie erhebe daher „Einsage“ (= Widerspruch) gegen die von ihm jetzt geplante Ehe.

So stand nun Aussage gegen Aussage, aber ein Beweis für das angebliche Eheversprechen ließ sich nicht erbringen. Ilsabe Knop muss wohl bei der Verhandlung einen weniger guten Eindruck auf den Amtsvogt gemacht haben. Der Amtsvogt meinte jedenfalls zu spüren, dass sie es nur „uff ein Stücke Geldes“ abgesehen habe. Daher riet er, sich mit einem Vergleich zufrieden zu geben.

Am Ende stimmte Caspar Bruens zu, für das Kind und die Mutter, die er bereits vier Jahre mit insgesamt fünf Talern unterhalten hatte, noch weitere zehn Taler zu zahlen, fünf zu Michaelis 1666 und die restlichen fünf Taler zu Ostern des folgenden Jahres. Damit waren die Verpflichtungen des Caspar Bruens völlig abgegolten, und er konnte Ilsebee Gudehueß aus Altenhagen heiraten.

Um Alimente ging es im selben Jahr auch bei einer Klage der Mette Brandes aus Ahnsbeck. Sie trug am 23. April 1666 dem Amtsvogt in Beedenbostel vor, Ernst Dralle aus Lachendorf habe sie „geschwengert undt zu Unehren gebracht.“ Nachdem sie „eines Kindes von ihme genesen“, habe er aber von ihr nichts mehr wissen, „auch des Kindes sich nicht annehmen“ wollen. Sie müsse daher gegen ihn klagen, damit er ihr einen „gebührlichen Unterhalt“ gebe.

Ernst Dralle gab zwar zu, „dass er in Unzucht bey ihr gewesen“, aber er sei nicht der Vater des Kindes. Seine Gründe für diese Behauptung seien, dass „das Kindt nach seiner Meinung nicht zu rechter Zeit zur Weldt kommen.“ Auch habe ihn die Klägerin „zu solcher Unzucht genötiget undt verführet.“

Das bestritt Mette ganz entschieden. Ernst sei acht Tage vor Pfingsten vergangenen Jahres zu ihr in die Kammer gekommen und habe Unzucht mit ihr getrieben. Der Beklagte meinte sich aber genau zu erinnern, dass es nicht in der Woche vor Pfingsten geschehen sei, sondern in der Woche des St.-Johannis-Tages. Das Kind sei nach dieser Zeitvorgabe sieben Wochen zu früh gekommen, könne also nicht von ihn stammen. Daher lehne er die Zahlung von Alimenten ab.

Mette ging jedoch nicht von ihrer Darstellung ab und forderte weiterhin, nicht nur die Kosten des Kindbettes erstattet zu bekommen, sondern auch den Unterhalt des Kindes.

Kosten des Kindbetts mit zwei Talern veranschlagt

Als beide Parteien auf ihrem Standpunkt beharrten, entschied der Amtsvogt: Da kein anderer Vater des Kindes namhaft gemacht werden könne, sei Ernst Dralle als solcher anzusehen und habe für die entstandenen und laufenden Kosten aufzukommen. Die Kosten des Kindbetts wurden mit zwei Talern veranschlagt. Für die Alimentation des Kindes habe er im ersten Lebensjahr acht Taler zu zahlen. Ob auch für weitere Jahre eine Zahlungspflicht bestehen sollte, weist die Akte nicht aus.

In diesen beiden auf dem Amt protokollierten Streitsachen ist von den Strafgeldern, die bei unehelichen Geburten verhängt wurden, nicht die Rede. Aus anderen Verfahren wissen wir aber, dass trotz des erhobenen moralischen Zeigefingers von Kirche und Obrigkeit die „Hurenbrüche“ eine angenehme Einnahmequelle waren. Ansprüche darauf konnte derjenige erheben, auf dessen „Hoheitsgebiet“ das Kind geboren war. So hatte man in einer Resolution des Jahres 1695 die Erhebung der Unzuchtsbrüche auch dem Adel eingeräumt. Doch nicht selten wollten die weltlichen Behörden das nicht anerkennen und bestanden darauf, dass die Strafe in dem Amt erhoben werde, „da das Kind die Welt beschreyet“.

Wann diese Verfahren ausliefen, konnte bisher nicht ermittelt werden. Rund hundert Jahre nach den oben geschilderten Fällen waren sie aber noch durchaus üblich.

Quellen:

1. Akten des Nds. Hauptstaatsarchivs Hannover, Hann. 72 Celle Nr. 507, Seite 20 und 27

2. Adolf Meyer in: Ortschronik Wohlenrode, 1993, S. 41 ff.

Von Adolf Meyer

Von