Historische Fotos: Erinnerungen an Winter 1978/1979 im Landkreis Celle

Wann wird’s mal wieder richtig Sommer? Das fragt Rudi Carrell in seinem bekannten Schlager. Wann wird’s mal wieder richtig Winter? Das fragen sich alle, die die Schneekatastrophe von 1978/79 miterlebt haben. "Dieser Winter war im Vergleich gar kein Winter", sagt Harald Losch (Jahrgang 1951). Seine Frau Marion erwartete damals ein Kind und die Schwangerschaft verlief mit einigen Komplikationen. "Ich musste sie ständig von unserer Wohnung in Wietzenbruch in die Landesfrauenklinik bringen", erzählt der Zeitzeuge, der sich an die hohen Schneemassen auf den Straßen erinnert. Es ging aber alles gut. Als eines der letzten Kinder wurde das Kind im April 1979 geboren. "Heute haben wir eine 41-jährige Tochter, die wohlauf ist", erzählt Harald Losch. Unterkünfte in Kaserne in Nordholz eingeschneit: Peter Kuhlmann (Jahrgang 1959) erinnert sich ebenfalls noch gut an den Winter 1978/79. Er war damals Soldat bei den Marinefliegern in Nordholz. "Am Abend sind wir zu viert mit dem Auto nach Bremerhaven ins Kino gefahren", erzählt er. "Auf der Hinfahrt war nur leichter Schneefall und wir dachten an nichts Schlimmes." Doch auf dem Rückweg mit dem alten Audi 60 sah das ganz anders aus. "Wir haben so gut wie nichts gesehen, alles weiß und Schneegestöber, aber trotzdem kamen wir irgendwie wohlbehalten in der Kaserne an", erzählt der damalige Soldat. "Am nächsten Morgen waren unsere eingeschossigen Unterkünfte bis zu den Fensterbänken zugeschneit, und es schneite immer noch weiter." Westercelle tief verschneit: Kein Durchkommen auf Straßen: Elke Naß (Jahrgang 1958) war damals 21 Jahre alt und fuhr jeden Tag mit ihrem kleinen Renault 30 Kilometer zur Arbeit. "Nur an einem Tag, es war der 14. Februar 1979, haben wir es nicht geschafft, alle Straßen in unserem Wohngebiet in Westercelle waren tief verschneit und es gab kein Durchkommen", erzählt sie. Christian Lange erinnert sich an Schneeschippen in Eschede: Der Escheder Christian Lange (Jahrgang 1963) erinnert sich an die Nachbarschaftshilfe. "Bei uns im Habighorster Weg haben sich öfter Autos im Schnee festgefahren, da im vorderen Bereich der Straße noch keine Häuser standen und der Schnee verwehte", erzählt der damals 15-Jährige. Walter und Thomas Hildebrandt, Bernd und Rüdiger Krell, Uwe Rajewski, Thomas Voigt und er hätten die Straße geräumt. "Es hat viel Spaß gemacht", erzählt der Zeitzeuge. Ein Foto davon wurde damals auf der Titelseite des Mitteilungsblattes der Samtgemeinde abgedruckt. Riese Schneeberge auf Bürgersteig: "Damals war ich junge Mutter meiner ältesten Söhne Max und Moritz", erzählt Sylvia Falkenhagen (Jahrgang 1955). "Moritz (acht Monate) lag im Kinderwagen, Max (zwei Jahre) saß auf einem kleinen Sitz obendrauf oder aber lief und kämpfte sich durch den Schnee." Die Familie wohnte damals an der Hüttenstraße in Celle. "Meine Aufgabe war es jeden Tag, den 60 Meter langen Fußweg an unserem Gartenzaun entlang vom Schnee zu befreien", berichtet die Zeitzeugin. "Man wusste schon nach wenigen Tagen nicht mehr, wohin mit dem ganzen Schnee." Am Anfang habe man ihn noch über den Gartenzaun schippen können, nach kurzer Zeit lag der Schnee aber auch im Garten schon mehr als einen Meter hoch. "Dann war eben doch der Fußweg dran", sagt Sylvia Falkenhagen. "Der Straßenrand war schon belegt. Die Schneeberge rechts und links vom Fußweg waren etwa 1 bis 1,50 Meter hoch. Ungefähr alle 50 Meter gab es dann einen Durchgang damit man die Straße queren konnte." Winter 2021: Auf Schlossberg in Celle kann gerodelt werden: Mit dem Schnee in diesem Winter sei es sehr schön gewesen. "Zurzeit haben wir unseren vierjährigen Enkel da und waren mit ihm im Schlosspark zum Rodeln", erzählt die Großmutter. "Es ist der erste richtige Schnee, den er erlebt. Aber so viel Schnee wie damals möchte ich nicht mehr erleben." Lothar H. Bluhm war damals Pressesprecher der Stadt Celle: Nahezu stündlich musste Lothar H. Bluhm (Jahrgang 1949) als damaliger Pressesprecher der Stadtverwaltung im Februar 1979 Anfragen zur Lage beantworten. "Dem Anspruch der Straßenmeistereien, dafür zu sorgen, dass die Straßen ,schwarz' sind, also bis auf den Asphalt geräumt sind, konnte nicht entsprochen werden", erinnert er sich. "Splitt half gegen Glätte. Denn problematisch war damals, dass die Temperaturen sehr niedrig waren und das Streusalz keine Wirkung mehr hatte." Eispanzer auf Aller in Celle sollten gesprengt werden: Die Schneeberge in der Innenstadt seien per Frontlader auf Lkw gekippt und abtransportiert worden. "Aber besondere Brisanz entstand dadurch, dass sich die Eisschollen auf der Aller im Bereich des Wehres ineinanderschoben und hoch auftürmten", sagt Lothar H. Bluhm. "Man überlegte, den so entstandenen Eispanzer zu sprengen." Nach rund fünf Tagen sei aber Entspannung eingetreten. "Ich konnte den durch die Situation immer wieder verschobenen Urlaub antreten", sagt der Zeitzeuge. "In den Dolomiten hatten wir auch Schnee – aber entspannter." Aller gefroren: Auf Schlittschuhen bis Café KräuThaer: Karsten Hälbig (Jahrgang 1958) erinnert sich an die Eisschollen, die sich auf der Aller bildeten. Bei der zweiten Kältewelle seien wieder Eisschollen entstanden, die sich auf der Hochwasser führenden Aller vor dem Wehr und der Pfennigbrücke noch höher auftürmten. "Die Aller war komplett gefroren", sagt Karsten Hälbig. "Es bildete sich auf den Wiesen eine durchgehende Eisfläche, die ich sogar zweimal benutzt habe, um meine Mutter von Altencelle aus in der August-Bier-Straße in Nähe des Stadtfriedhofs zu besuchen." In rasanter Schlittschuhfahrt, mit Rückenwind aus Osten, sei es auf der rechten Allerseite über die Wiesen bis zur Lachte und nach Überquerung der Brücke dann noch weiter bis zur Dammaschwiese auf Höhe der Landfrauenschule, heute Café KräuThaer, gegangen. Beim Panzerlehrbataillon 11 gab es nur Klappspaten zum Schneeräumen: "Das Schneechaos von 78 wird bei der jetzigen Situation omnipräsent", sagt Hubertus Bloom (Jahrgang 1958). "Damals war ich Wehrdienstleistender im Panzerlehrbataillon 11 in Munster. Unser schwerer Zug musste nach Fehmarn ausrücken. Die Kompanieführungsgruppe, bei der ich tätig war, verblieb in der Kaserne." Seine Aufgabe sei es gewesen, mit dem Klappspaten – es habe damals standardmäßig keine Schneeschieber gegeben – den Antrete-Platz freizuschaufeln. "Ein Unterfangen, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Diesbezüglich habe ich den Bund geliebt", sagt Hubertus Bloom. "Heute noch finde ich Parallelen im öffentlichen Dienst, wenn es heißt, außergewöhnliche Situationen zu meistern." Sein alter VW 1600 Stufenheck habe ihn damals aber sicher und pünktlich zum Dienst gebracht. Manfred Röber kommt mit Trecker zum Dienst in Immelmann-Kaserne: Mit seiner sicheren Fahrt zum Dienst landete Manfred Röber (Jahrgang 1955) sogar in der Celleschen Zeitung – allerdings im Winter 1988. "Die Haupttorwache der Immelmann-Kaserne staunte nicht schlecht, als vor dem allgemeinen Dienstbeginn am Donnerstagmorgen aus starkem Schneetreiben ein Traktor auftauchte und auf sie zurollte", schrieb die CZ am 7. Dezember 1988. "Eine Personen- und Ausweiskontrolle ergab die Zutrittsberechtigung des Fahrers zum Flugplatz. Zivilfahrer Manfred Röber, langjähriger Mitarbeiter der Heeresflugplatzkommandantur 101 und in Hustedt zuhause, sah am frühen Morgen keine Chance, mit seinem Auto die Dienststelle zu erreichen." Kurzentschlossen habe sich der 33-Jährige auf seinen mit viel Liebe und Mühe wieder hergestellten 20 Jahre alten Trecker der Marke Deutz gesetzt. "Er war der Erste, der von Hustedt den alten Postweg in Richtung Süden befuhr, und bestimmt waren einige Autofahrer dem Treckerfahrer dankbar, der eine auch für sie brauchbare Spur in den etwa 20 Zentimeter hohen Neuschnee gefahren hat", hieß es in dem Artikel. Manfred Röber ergänzt: "Auf dem Weg habe ich ein Taxi aus dem Straßengraben herausgezogen und zwei weitere Pkw von Schneeverwehungen befreit", berichtet der treue CZ-Leser. Als Lohn für seine "vorbildliche Pflichterfüllung" bekam er damals zwei Tage Sonderurlaub durch den höchsten General in Hannover. Ute Karstens (Jahrgang 1966) besuchte damals die fünfte Klasse der Orientierungsstufe in Hankensbüttel. "Ich wohnte damals in Sprakensehl in einem alten Fachwerkhaus zusammen mit meinen Eltern und meiner Oma", erzählt sie. "Zu der Zeit hatten wir Weihnachtsferien, deshalb brauchten wir nicht mit dem Bus zu fahren, der uns sonst täglich zur Schule brachte." Silvesterfreizeit der St.-Peter-Paul-Gemeinde auf Krautsand: "Im Jahrhundertwinter 1978/1979 fand zu Silvester eine Freizeit mit Jugendlichen unserer Kirchengemeinde St.-Peter-Paul auf Krautsand statt, an der auch meine Tochter Carmen teilnahm", erzählt Astrid Aulich (Jahrgang 1946) aus Hermannsburg. "Sie fuhren mit Zug und Bus zwei Tage vor Silvester los und wollten am Tag nach Neujahr wieder zurück sein. Das war aber total unmöglich, denn kein Zug und kein Bus konnte aufgrund der Schneemassen fahren und nichts kam von der Halbinsel runter." Natürlich habe sie sich Sorgen gemacht, doch unnötig: Zwei Tage später sei die lustige Truppe wieder daheim gewesen. Kind in Klinik in Rotenburg zur Welt gebracht: Gudrun Lochau (Jahrgang 1954) war in diesem ereignisreichen Winter im Landkreis Soltau zu Hause. "Am 12. Februar fing es am späten Nachmittag heftig an zu schneien und es wurde bitterkalt", erzählt die gebürtige Höferanerin. "Gegen 23 Uhr machten wir uns auf den Weg in die Klinik nach Rotenburg. Das Baby wollte auf die Welt kommen." Man habe den Straßenverlauf nur erahnen können. "Wir drückten die Nase an die Autoscheibe, um wenigstens zwei Meter weit schauen zu können", erzählt die Zeitzeugin. Einige Autos seien in einer aufgetürmten Schneewehe am Straßenrand stecken geblieben, aber sie kamen durch. Krankenhaus in Rotenburg: Ärzte mit Panzern zum Dienst gebracht: "Am 13. Februar 1979 kam unsere Tochter zur Welt", sagt Gudrun Lochau. "Ich war die letzte Patientin, die ohne fremde Hilfe ins Krankenhaus nach Rotenburg kam." Die Stationen seien in den kommenden Tagen mit einer Notbesetzung betrieben worden. "Das war nur möglich, weil die Krankenschwestern und Ärzte täglich von der Bundeswehr mit Panzern zum Krankenhaus transportiert wurden", erzählt die Zeitzeugin. "Der ganze Verlauf dieser Wetterlage war für die betroffenen Menschen eine Jahrhundertkatastrophe, aber gleichzeitig war die Schönheit dieser Schneelandschaft ein kleines Winterwunderland." Weitere Erinnerungen an den Winter 178/79 lesen Sie hier Die CZ bedankt sich für die vielen Rückmeldungen. Jetzt freuen wir uns auf den Frühling!