Wolfsberater im Interview

Dem Wolf auf der Spur

Es gibt derzeit kein Thema, das so emotional und kontrovers diskutiert wird, wie die Rückkehr des Wolfes. Raoul Reding bleibt aber ganz sachlich.

  • Von Cellesche Zeitung
  • 22. Aug. 2018 | 16:57 Uhr
  • 09. Juni 2022
Raoul Reding, Wolfsbeauftragter der Landesjägerschaft Niedersachsen, im Interview.
  • Von Cellesche Zeitung
  • 22. Aug. 2018 | 16:57 Uhr
  • 09. Juni 2022
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Celle.

Er ist der Wolfsbeauftragte der Landesjägerschaft Niedersachsen, die seit 2011 vom Land mit dem Wolfsmonitoring beauftragt ist. CZ-Redakteur Christopher Menge traf ihn in Hannover zum Interview.

Herr Reding, wann haben Sie das letzte Mal einen Wolf in freier Wildbahn gesehen?

Ich habe mal einen Wolf in Kanada gesehen, aber hier in Niedersachsen noch nicht. Auch wenn in der Öffentlichkeit ein anderer Glaube vorherrscht, ist die Chance, einen Wolf zu sehen, gering. Allerdings wird der Ortsrand zu gewissen Jahreszeiten durchaus frequentiert. Im Herbst und Winter sind die Wölfe mobiler. Im Frühjahr und Sommer werden die Welpen aufgezogen und die Vegetation ist hoch. Da werden die Tiere nicht so schnell gesehen. Das merken wir auch bei den Meldungen.

Wie sollte man sich denn verhalten, wenn man doch auf einen Wolf trifft?

Man sollte ruhig bleiben und wie auch bei anderen Wildtieren einen respektablen Abstand halten. Vor allem Jungwölfe sind neugierig. Wenn der Wolf auf einen zukommt, sollte man auf sich aufmerksam machen, laut rufen und sich groß machen. Bisher hat es sich dann immer erledigt. Auf keinen Fall sollte man weglaufen oder die Tiere anfüttern. Das wäre das Fatalste. Wenn man mit dem Hund unterwegs ist, muss man ihn an der kurzen Leine halten. Hunde werden immer als feindliche Artgenossen gesehen.

Nicht nur Hundebesitzer auch viele Eltern haben ein ungutes Gefühl, wenn ihre Kinder im Wald unterwegs sind ...

Da Kinder deutlich kleiner sind, wären sie eine einfachere Beute. Die Unfälle, die es mit Wölfen gab, waren auch meistens mit Kindern oder Personen, die sich nicht wehren konnten. Eltern sollten mit ihren Kindern die Verhaltensweisen besprechen. Einen fremden Hund sollte man ja auch nicht einfach streicheln. Meistens sind Kinder aber nicht sehr leise im Wald, sodass die Wildtiere weg sind. Das ist auch beim Wolf der Fall. Es muss aber klar sein, dass es einen Unfall geben kann. Die Gefahr durch andere Faktoren ist aber deutlich höher als durch den Wolf.

Haben Wölfe denn keinen Respekt vor dem Menschen?

Sie wissen, dass Menschen ihnen nichts tun. Warum sollten sie da Angst haben? Daher laufen sie manchmal auch durch Siedlungen. Der Mensch gehört aber nicht ins Beuteschema. Wenn ein Wolf aber positive Erfahrungen mit dem Menschen gemacht hat, zum Beispiel durch Anfütterungen, wird es ganz gefährlich. Der Wolf darf keinen positiven Bezug zum Menschen bekommen.

Wie viele Wölfe sind denn im Celler Land unterwegs?

Das sind schon einige Wölfe. Wir haben Rudel in Walle, Bergen, Ostenholzer Moor, Ebstorf und Wietzendorf sowie das Rudel Eschede/Rheinmetall. Zu einem Rudel gehören etwa acht Tiere. Mindestens 50 Wölfe sind also im Landkreis Celle unterwegs. Für ganz Niedersachsen erwarte ich, dass wir bis Ende des Jahres ungefähr 250 Wölfe haben. Mit der steigenden Anzahl von Wölfen steigt auch die Zahl von tödlichen Unfällen mit Wölfen, von Sichtungen und Nahkontakten.

Kürzlich wurden ja schon zwei Wölfe in Burgdorf nachgewiesen ...

Dort wurden zwei Wölfe durch eine Fotofalle nachgewiesen. Da ein Tier besendert ist, wissen wir, dass es ein Rüde aus Kaliß in Mecklenburg-Vorpommern ist. Bei dem zweiten Wolf handelt es sich um eine Fähe, damit hätten wir in Burgdorf ein Wolfspaar. Hinweise auf Reproduktion haben wir aber noch nicht.

Wie stehen Sie zu den Plänen der Landesregierung, Wölfe zu besendern?

Das ist aus wissenschaftlicher Sicht auf jeden Fall zu befürworten. Wir haben so die Möglichkeit, die Ausbreitung in einem solch dicht besiedelten Lebensraum zu ermitteln. Das ist eine riesen Chance. Auch aus Managementsicht, wenn Wölfe vergrämt oder entnommen werden sollen.

Das zweite große Thema ist der Schutz von Nutztieren ...

Die Tiere zu schützen, ist nicht ganz so einfach. Ein Elektrozaun mit einer Höhe von mindestens 90 Zentimeter, bei dem die unterste Litze nicht weiter als 20 Zentimeter vom Boden entfernt ist, wird als wolfsabweisend bezeichnet. Klar, kann ein Wolf darüber springen, aber instinktiv versucht er erstmal, unten hindurch zukommen. Der Stromschlag ist abweisend. Da haben wir positive Erfahrungen gemacht. Aber Wölfe sind hochintelligente Tiere. Allein die Installation von Elektrozäunen ist kein Allzweckmittel.

Wie sieht denn der ideale Wolfsschutz aus?

Ein Elektrozaun mit einer Höhe von 1,20 Meter plus zwei Herdenschutzhunde. Aber das ist beispielsweise in Cuxhaven oder in Tourismusgebieten nicht anwendbar. Es gibt Möglichkeiten, aber es kommt auf die Gegebenheiten an. Und alles ist mit einem erheblichen Mehraufwand für die Nutztierhalter verbunden. Zu einem 12-Stunden-Tag kommen dann noch ein paar Stunden dazu. Von den Kosten ganz zu schweigen. Zwar werden 80 Prozent bei der Anschaffung vom Land gefördert, aber die täglichen Kosten in der Unterhaltung sind enorm teuer.

Und die Wölfe werden immer schlauer, oder?

Die Wölfe passen sich an die Bedingungen an. Wenn sie positive Erfahrungen gemacht haben, sind die Nutztiere nur noch schwer zu schützen. Die Wölfe sind ja damals nicht hier verschwunden, weil die Nahrungsmittel fehlten, sondern weil sie durch Menschen verdrängt wurden. Daher hat der Wolf kein Problem, sich hier wiederanzusiedeln. Er ist dabei anpassungsfähiger als man vor 20 Jahren dachte.

Und der Wolf polarisiert ...

Das ist ein großes Problem. Es gibt absolute Befürworter und Hasser. Dem kann man nur mit Sachlichkeit begegnen. Auf beiden Seiten gibt es aber extreme Hardliner, die für wissenschaftliche Fakten nicht offen sind.

Von Christopher Menge

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