Ein Jahr nach Einführung der Oberschule fällt die Abstimmung der Eltern und Schülern mit den Füßen deutlich aus. Hatten sich vor einem Jahr noch 123 Schüler für das Christian-Gymnasium entschieden, waren es in diesem Jahr 150. Lachendorf bleibt auf einem hohen Niveau und muss ebenfalls fünf Klassen im neuen Jahrgang bilden. Bei den Oberschulen sind hingegen fast nur abnehmende Schülerzahlen festzustellen.
Das spiegelt sich auch in den Gesamtzahlen der Anmeldungen für Stadt und Landkreis wieder. Statt 41 wollen knapp 48 Prozent der Schüler zu den Gymnasien gehen, an die Oberschulen zieht es nicht mehr 59, sondern 52 Prozent. „Wir müssen zudem feststellen, dass kaum ein Kind mit Gymnasialempfehlung die Oberschulen anwählt”, sagt Kreisschulamtsleiter Reinhard Toboll.
In der Kreispolitik wird dieses Verhalten überwiegend als vorläufiges Misstrauensvotum gegenüber den neuen Oberschulen gewertet, die Deutung fällt aber sehr unterschiedlich aus. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Joachim Müller sieht in der Ablehnung auch eine gewisse Skepsis gegenüber dem Thema Gesamtschule bei vielen Eltern, weil die Oberschule zumindest im unteren Bereich ähnlich arbeitet. „Mich überrascht der Run auf die Gymnasien nicht”, so Müller.
Dem widersprechen Maximilian Schmidt (SPD) und Gerald Sommer (Grüne). „Die Umfrage hat gezeigt, dass die Gesamtschul-Nachfrage da ist und die Eltern wollen ja keine Gesamtschule-Light wie bei den Oberschulen, sondern eine richtige Gesamtschule”, sagt Schmidt. Sommer kritisiert, dass die flächendeckende Einführung der Oberschulen zu der Skepsis geführt hat. „Das liegt nicht an den Kollegen in den Schulen, die wirklich gute Arbeit leisten”, so Sommer.
In einem sind sich alle einig: „Noch ist es nur ein Trend, doch man muss mindestens noch das nächste Jahr abwarten, bis man beurteilen kann, ob er sich verstetigt”, sagt Ulrich Kaiser (WG). Allerdings müsse man, sollte die Tendenz sich bestätigen, dann auch ehrlich darüber reden, dass die Eltern den gymnasialen Zweig in Oberschulen nicht als adäquates Angebot betrachten würden.
Dafür müssen die Oberschulen allerdings erstmal zum gymnasialen Zweig kommen, denn frühestens nach drei Jahren sollen die Kurse gebildet werden. Zudem weist Maximilian Schmidt darauf hin, dass „die Oberschulen eher für die Kinder gedacht sind, die auf der Kante sind und durch Förderung vielleicht doch den höheren Bildungsabschluss Abitur anstreben können.”
Ein Problem hat durch die Anmeldezahlen die Außenstelle Faßberg. „Eigentlich“, sagt Schulamtsleiter Toboll, „müsste diese Schule geschlossen werden, denn mit einer Schülerzahl von 17 ist die Zweizügigkeit dort nicht mehr gegeben”. Doch so richtig möchte da in der Politik noch keiner ran, zumal wohl einige Schüler in den nächsten Jahren von den Gymnasien an die Oberschulen wechseln werden, weil sie die Anforderung dort nicht erfüllen können. „Faßberg hat wie alle Außenstellen die faire Chance bekommen, das Angebot über drei Jahre zu entwickeln und diese Chance wollen wir auch gewähren”, sagt Schmidt.
Tore Harmening
Von Tore Harmening