Schädel für drei Pizzen in Celle gebrochen: Duo vor Gericht

Das Opfer zuckt im Zeugenstand die Achseln. „Ich musste sechs Länder durchqueren, um hier in Deutschland Sicherheit zu finden. Und dann werde ich hier überfallen.“ Haji S. (35) befühlt seinen Hinterkopf, der immer noch gebrochen ist. Von einem Hieb mit einem faustgroßen Stein. Jason Lee A. (17) und Justin A. (18) hatten ihn am 15. April in Klein Hehlen an der Straße "Tribünenbusch" überfallen. Das Duo hatte den Pizzaboten in eine Falle gelockt, um ihn seiner Pizzas zu berauben. Das gaben die Deutschen nun vor dem Landgericht Lüneburg zu. Als Pizzabote in Celle für „Pizza-Kurier“ im Einsatz: Es musste viel zusammenkommen, damit sich die Lebenswege von Tätern und Opfern kreuzen. Weltpolitik und Brutalität. Haji S. verließ den Iran, weil seine Heimat im Würgegriff der Sanktionen darbt. Eine Inflationsrate von über 20 Prozent, eine Arbeitslosenquote von 16,3 Prozent. Zudem gelten Menschenrechte den Mullahs nichts. In Deutschland arbeitete der gelernte Tischler als Pizzabote – fuhr in Celle für den „Pizza-Kurier“ aus. Langes Vorstrafenregister der Angeklagten: Jason Lee A. wurde in Hannover geboren, Justin A. in Buchholz in der Nordheide. Seit dem November 2019 sollen die beiden laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft insgesamt 15 Straftaten begangen haben. Von Beleidigungen auf einem Volksfest über den Diebstahl einer LED-Lichterkette und zweier Fahrräder, Körperverletzungen mit der Faust, Nötigung mit vorgehaltenem Taschenmesser bis hin zum Deponieren eines großen Steins auf nachtdunkler Fahrbahn. Für Letzteres, bei dem im Anschluss ein Golf beim Darüberfahren einen kapitalen Getriebeschaden erlitt, wollte allerdings keiner der beiden vor Gericht geradestehen. Justin A. schildert vor Landgericht Lüneburg Attacke auf Pizzaboten: Anders beim Überfall: Justin A. schilderte, wie sie am Abend des 15. April der Hunger plagte, ihre Portemonnaies aber leer waren. „Jason schlug vor: Wie wäre es, wenn wir eine Oma abziehen? Ich antwortete: Stell dir mal vor, jemand zieht deine wehrlose Oma ab.“ Das Duo einigte sich darauf, einen Pizzaboten „abzuziehen“. Sie holten sich im „Pizza-Kurier“ eine Menükarte, baldowerten einen abgelegenen Ort mit wenig Zeugen aus und orderten drei Pizzas, zwei davon mit Thunfisch, im Wert von 31 Euro. Nachdem Haji S. an der angegebenen Adresse keinen Kunden vorfand, winkte Jason A. ihn am Straßenrand zu sich. „Wegen Corona haben viele Kunden ihre Pizza auf der Straße entgegengenommen“, erklärte Haji S., warum er trotz wachsenden Misstrauens zu dem jungen Mann fuhr. Mit faustgroßem Stein Opfer auf Hinterkopf geschlagen: Während der an seiner leeren Geldbörse nestelte, um das Opfer abzulenken, schlich sich Justin A. an ihn heran und schlug ihm mit einem faustgroßen Stein auf den Hinterkopf. Angeblich „mit geschlossenen Augen“, weil er sich nicht überwinden konnte. Angeblich zur Überraschung von Jason A., der nach eigener Aussage von einem gewaltlosen Überfall ausging – dann aber einräumte, dass ein Schlag mit einer Sattelstange besprochen worden war und dass ihm sein Komplize den Stein vorab gezeigt hatte. „Ich dachte aber, er tut nur Spaß machen.“ Opfer schleppt sich mit Schädelbruch zu einem Haus in Celle: Haji S. schleppte sich mit Schädelbruch um Hilfe schreiend zu einem der nahen Häuser. Das Duo floh – und hatte kaum noch Appetit auf die Beute. Justin: „Ich zitterte am ganzen Körper.“ Jason: „Ich hab nichts mehr runtergekriegt.“ Die restliche Pizza warfen sie in eine Hecke. Haji S. arbeitet jetzt in Celle als Putzkraft: Der Schädelbruch von Haji S. ist noch nicht verheilt, das dauere lange, haben ihm die Ärzte gesagt. Schmerzen hat er immer noch, ebenfalls Taubheitsgefühle und Schwindel. „Wenn ich mich daran erinnere, ist es wie im Horrorfilm.“ Inzwischen arbeitet er nicht mehr als Pizzabote, sondern als Putzkraft. „Meine Mutter ist in der Heimat in Ohnmacht gefallen, als sie von dem Überfall gehört hat. Sie hat mich gebeten, etwas anderes zu machen.“ Selbst sein Sohn sei ängstlich, wenn er zur Schule gehen müsse. Nach dem Schlag, der eine Zäsur für sein Leben bedeutet, erhofft sich Haji S. vom Gericht nur eines: „Gerechtigkeit“. Von Joachim Zießler