Prozessauftakt nach Attacke mit Samuraischwert in Celle: „Ich töte dich“

Der 30-Jährige begrüßte mit einem kräftigen „Moin“ am Donnerstagmittag seinen Verteidiger Ralf Blidon. Die Akten auf dem Tisch der 4. Großen Strafkammer reichen von versuchtem Totschlag, gefährlicher Körperverletzung bis zum Angriff auf Vollstreckungsbeamte. Ist René Manfred W. für die Allgemeinheit gefährlich und muss dauerhaft in die Psychiatrie? Das ist die wichtigste Frage, die das Lüneburger Landgericht in den nächsten Wochen klären muss. Mit Samuraischwert in Kleingartenkolonie in Blumlage herumgefuchtelt: Zunächst ritzte sich W. mit einer Rasierklinge am Abend des 30. Juli vergangenen Jahres den Unterarm auf. Im stark alkoholisierten Zustand verließ er blutend in Tarnkleidung gehüllt seine Wohnung. In der Kleingartenanlage Hospitalwiesen an der Braunschweiger Heerstraße traf der Beschuldigte kurz nach 21 Uhr zufällig auf einen 63 Jahre alten Laubenpieper. „Ich töte dich“, sagte er und fuchtelte mit dem Samuraischwert herum. Das Opfer Andreas St. reagierte in einem E-Rollator sitzend, geistesgegenwärtig. Celler Rentner wird durch Hiebe verletzt: Mit dem linken Arm wehrte er die Hiebe die Richtung Kopf und Hals zielten ab. Der Rentner erlitt eine Rissquetschwunde an Hand und am Ohr, die Ärzte im Krankenhaus versorgten. „Das kam mir alles nicht normal vor“, sagte St., der im Schock laut um Hilfe zu schreien begann. Aus den umliegenden Gärten eilten mehrere Ersthelfer herbei. Das Opfer hat die dramatischen Ereignissen bis heute nicht verarbeitet. „Ich bin seelisch mitgenommen“, gab der Mann dem Gericht zum Abschied mit auf den Weg. „Das dynamische Geschehen war lebensgefährlich“, so die Diagnose von Rechtsmediziner Dr. Detlef Günther von der Medizinischen Hochschule Hannover. Celler Pflegehelfer stellt sich schützend vor Opfer: Christian Sch., radelte durch die Hospitalwiesen. Er nahm zunächst zwei Personen, an einem Holzzaun stehend, wahr. „Eigentlich nichts Ungewöhnliches“, unterstrich der Zeuge am Donnerstag in Lüneburg. Plötzlich eskalierte die Lage. Das Schwert blitzte auf. Der 41 Jahre alte Pflegehelfer warf sein Fahrrad in die Ecke, stellte sich schützend vor den Senior und versorgte die Schnittwunden. Plötzlich tropfte Blut vom Schwert: „Mama, Mama, da wird ein Mann mit einem Stock geschlagen“, riefen die Töchter. Christina J. lief aus dem Haus. Die Erzieherin dachte erst an ein Mittelalterspiel zweier Männer. Als plötzlich Blut vom Schwert tropfte, wählte die 40-Jährige den Notruf. Der Beschuldigte drehte sich zu der Frau um. Der war „nicht Herr seiner Sinne gewesen, lachte seltsam“, berichtete die Cellerin dem Schwurgericht. 30-Jähriger attackiert auch Celler Polizisten: Die Polizei stöberte nach längerer Fahndung René Manfred W. in einem Gebüsch auf dem verzweigten Schrebergartengelände auf. Der Flüchtende dachte nicht ans Aufgeben, zeigte sich weiter renitent. Einem Schutzmann versetzte der 30-Jährige einen Schlag in die Magengegend. Eine Beamtin gab daraufhin einen Warnschuss ab. Weitere Streifenwagen trafen ein und brachten die Situation unter Kontrolle. Stimmen gehört und Marihuana konsumiert: Angaben zum Tatablauf bekam der Vorsitzende Richter Franz Kompisch nicht serviert. „Kann mich an nichts erinnern“, gab der gebürtige Hamburger und Vater von drei Kindern im Alter zwischen vier und zehn Jahren zu Protokoll. Auf die weitere Befragung erzählte W., regelmäßig Stimmen zu hören und Marihuana zu konsumieren. „Die letzten Wochen nicht mehr, mein Dealer war weggezogen.“ Psychische Erkrankung in Verbindung mit Alkoholisierung: Die Schuldfähigkeit von René Manfred W., davon geht die Staatsanwaltschaft aus, war wegen einer psychischen Erkrankung in Verbindung mit der Alkoholisierung im Tatzeitraum aufgehoben. Letzte Gewissheit dazu liefert ein Psychiater. Beim nächsten Prozesstag am 4. Februar berichtet der Mediziner über seine Untersuchungsergebnisse. Von Benjamin Reimers