Vocaldente gefällt Publikum im Grooden Hus in Winsen

A-cappella-Gesang mit Hits der Unterhaltungsmusik vorwiegend aus den letzten gut 100 Jahren, dieser wird heutzutage zumeist mit einer umfassenden elektroakustischen Tontechnik vorgetragen, die es ermöglicht, alle möglichen Effekte mit einzubinden. Wer Ensembles sucht, die auf derlei verzichten, der wird unweigerlich relativ schnell beim hannoverschen Ensemble Vocaldente landen, das inzwischen schon bald 20 Jahre alljährlich auf Tour ist und inzwischen auch regelmäßig im Celler Raum auftritt. Dieses Mal im Winser Grooden Hus. Fünf Individualisten treten gemeinsam auf: Auffallend war an diesem Abend die unangestrengte, dabei aber bis in Detail durchgestaltete Art der Darbietungen dieser Formation. Jeder der fünf Sänger, die alle vertraulich nur mit Vornamen genannt werden, tritt in einem ausgeprägt eigenständigen Kostüm auf, das wohl erkennbar werden lassen soll, dass hier fünf Individualisten zusammen auftreten. Und dann gibt es eine perfekt einstudierte und höchst gekonnt vorgetragene Moderation, die bis in den letzten Halbsatz ausgeklügelt zu sein scheint. Jede vermeintlich erwartbare Reaktion des Publikums ist schon bedacht und kann nicht mehr überraschen. Durchgestylte Choreografie mit augenzwinkernder Ironie: Bei diesem Ensemble erscheint alles hoch professionell vorbereitet, was seinen Gipfel dann auch in einer gemeinsamen Bewegungschoreografie findet, die ihren Höhepunkt vielleicht in einem frei Bollywood nachempfundenen Stück hat. Hier tragen die Fünf angeblich tatsächlich einen ihnen in keiner Weise nachvollziehbaren indischen Text sängerisch so gekonnt vor, dass man doch staunt, wie das möglich ist, wenn man selbst keine Silbe versteht. Und dann die bis in den Beifall durchgestylte Choreografie, die sogar noch Platz ließ für augenzwinkernde Ironie! Alles ohne technischen Aufwand: Ähnlich gekonnte Show-Acts zeigten die meisten anderen Stücke auch, ganz gleich ob Heavy-Metal-, Udo-Lindenberg- oder Comedian-Harmonist-Nummer, Country Song oder das das offizielle Programm abschließende „Whiskey in the Jar“. Und das alles ohne technischen Aufwand, sozusagen unplugged, einfach mit den gegebenen Stimmen. Wie schön, dass es zumindest noch eine Minderheit an musikalischen Gruppierungen in diesem Bereich gibt, die ohne technischen Schnickschnack auskommen. Feinabstimmung und Intonation zeigen Schwächen: Dieser Auftritt von Vocaldente war als Kombination von Show Act und Comedy sehr gelungen. Als musikalisches Ereignis jedoch wurde der Abend doch etwas zur Enttäuschung. Sängerisch kann das inzwischen teilweise umbesetzte Ensemble nicht mehr ganz mithalten mit wirklich erstklassigen Gruppierungen. Die Stimmen haben nicht übermäßig viel Substanz oder wirken in der Höhe immer wieder angestrengt, was durch die knochentrockene Akustik im Grooden Hus noch verstärkt wird. Und sowohl die klangfarbliche Feinabstimmung unter einander als auch die Intonation hatten zeitweise Schwächen. Das war ein wenig schade, aber das so außerordentlich gekonnte Auftreten, ließ diese Mängel letztlich gar nicht so stark zur Geltung kommen. Vocaldente gefiel auch so bestens. Von Reinald Hanke