Stand der „Hamlet“ zur Spielzeit-Eröffnung schon seit geraumer Zeit fest? Oder war das eine vergleichsweise kurzfristige Entscheidung? Und: Vor einiger Zeit haben Sie in einem Interview die rhetorische Frage gestellt, warum Hamlet nicht auch von einer Frau gespielt werden könne – wird das der Fall sein?
Das haben wir tatsächlich sehr kurzfristig – und auch ganz bewusst – entschieden. Das Zögern und Zaudern, das Ringen um die richtige Aktion und der Umgang mit Gewalt werden hier brillant verhandelt. „Hamlet“ passt in unsere Zeit. Was die Besetzung betrifft: Wir gehen am Schauspiel Hannover grundsätzlich sehr frei mit Geschlechterzuordnungen um, das gibt manchen Texten ganz neue Bedeutungshorizonte. Diesen konkreten „Hamlet“ wird aber ein Mann spielen, ganz gegen unsere Gewohnheit...
Apropos: Hat sich Ihre Einstellung zu dem, was feministisches Theater ist oder sein kann, seit Ihrem Amtsantritt in Hannover geändert? Wie ist das diesbezügliche Feedback des Publikums?
Die Rückmeldungen, die uns erreichen, sind unterschiedlich, aber immer sehr diskursiv, was ich typisch für Hannover finde. Wir arbeiten ja daran, unser Theater machtkritisch und divers aufzustellen, im Hinblick auf unser Programm und auch das Personal, und das wird registriert und gutgeheißen. Als Theaterschaffende sind wir in einem Lernprozess, auf dem wir unser Publikum mitnehmen möchten. Wir predigen keine Manifeste, sondern fassen uns zuallererst an die eigene Nase. Das ist zwar mühsam, aber der einzig richtige und lohnende Weg.
Ich wäre dankbar für kurze Anmerkungen zu zwei Stücken der kommenden Spielzeit: „Der nackte Wahnsinn“ − wie stark steht bei dieser virtuosen Angelegenheit der Unterhaltungsfaktor im Vordergrund? Und wie komisch ist „Tartuffe“?
Jeder Komödie liegt eine große Tragik zugrunde. In „Der nackte Wahnsinn“ spielen die Figuren buchstäblich um ihr Überleben, auf und hinter der Bühne. Und trotzdem: Es tut allen gut, mal herzhaft zu lachen. Vielleicht ist es sogar eines der anarchistischsten Momente im Theater. „Tartuffe“ bringen wir als Open-Air-Produktion im Theaterhof heraus, ein Spiel um Narzissmus und Selbstbetrug, über das hoffentlich auch gelacht wird!
Es gibt diesmal einen besonders großen personellen Umbruch im Ensemble. Behindert das die Planungen?
Ja, einige unserer Spielerinnen und Spieler sind inzwischen sehr gefragt bei Kino-, Fernseh- oder Streaming-Produktionen und wechseln zum Film. Dann gibt es noch einige Schwangerschaften, was wirklich schön ist und ein gutes Zeichen. Und so verstärken wir unser Ensemble, woraus wiederum neue Konstellationen entstehen, über die ich mich sehr freue!
Von Jörg Worat