Historische Siegelpresse in Celle wiederentdeckt

Die vielen Jahrzehnte, die dieser altertümliche „Druckapparat“ in einer Ecke im Celler Haus der Ritterschaft beinahe vergessen überdauerte, sind vorbei. Der Beharrlichkeit der Leiterin des Residenzmuseums, Juliane Schmieglitz-Otten, ist es zu verdanken, dass das aus Holz und Eisen gefertigte Möbel genauer untersucht wurde. Nach einer spannenden Recherche und der sachkundigen Restaurierung hat die wiederentdeckte historische Siegelpresse jetzt ihren Platz in der neuen Dauerausstellung „Herrschaft und Landschaft – Macht und Teilhabe“ eingenommen – Objekt und Symbol für das Wirken des Ritterschaftlichen Kreditinstitutes Fürstentum Lüneburg. Geheimnisvoller unterer Schrank: Da das Möbel auf den ersten Blick einem historischen Druckstock ähnlich sah, wurde es lange Zeit für eine Art Schriftdruckpresse gehalten - möglicherweise für Einladungen zu den Versammlungen der Landschaft. Geheimnisvoll blieb auch der verschlossene untere Schrank, zu dem kein Schlüssel existierte. So stand es unbemerkt im Haus Schloßplatz 6 – dem Gebäude der Historischen Lüneburger Landschaft. Bis das Objekt im Zuge der Vorbereitungen der neuen Dauerausstellung – die die Bedeutung der historischen Landschaften als einstige Ständevertretungen deutlich machen wird – in den Focus als mögliches Ausstellungsstück geriet. Juliane Schmieglitz-Otten: „Wir zogen es in Erwägung und ließen die vermeintliche Papierdruckpresse in die Restaurierungswerkstatt des Museums bringen. Bei einem genaueren Blick wurde klar, dass deren Funktion eine andere sein musste. Ich suchte in der Fachliteratur und kontaktierte Spezialisten für historische Drucke. Ein Fachmann aus dem Gutenberg-Museum Mainz brachte mich auf das Thema Siegelpresse. Tatsächlich befindet sich im Reichskammergerichtsmuseum in Wetzlar ein Objekt, das in seiner Funktion ganz der Celler Presse ähnelt ...“. "Rothe Siegeloblaten“: Holzrestaurator Christian Lühning-Reger gelang es inzwischen, den unteren Schrank unbeschädigt zu öffnen. Darin befanden sich unter anderem diverse Siegeloblaten sowie die Deckel von ehemaligen Kartons, in denen diese Siegeloblaten (in unterschiedlichen Größen) wohl einst geliefert und aufbewahrt worden waren. Darauf weist auch die handschriftliche Aufschrift auf dem Deckel „12 mal Nr 18 (oder Nr 10) … rothe Siegeloblaten“ hin. Solche Siegel wurden im notariellen und amtlichen Bereich genutzt, um offizielle Dokumente, Urkunde und weitere wichtige Schriftstücke zu bestätigen. Zum Aufbringen dieser Siegel wurden Siegelpressen, wie die in Celle wiederentdeckte, genutzt. Die gefundenen Siegeloblaten bestätigten die Funktion – aber ohne den passenden Prägestempel, der in die obere Pressfassung gesetzt wurde, blieb die Frage offen, was nun genau mit dieser Presse im Haus der Ritterschaft gesiegelt worden war. Juliane Schmieglitz-Otten: „Ohne diese Antwort wäre der Fund zu wenig aussagekräftig für die Ausstellung gewesen. Also machten Graf von Bernstorff (Syndikus der Landschaft) und ich uns noch einmal gezielt auf die Suche im Haus – und wurden in einem Wandschrank tatsächlich fündig. Ein fast unglaublicher Glücksfall“. Bankgeschäfte „besiegelt“: Der Prägestempel gehört zum Siegel des Ritterschaftlichen Kreditinstitutes des Fürstentums Lüneburg (1790 gegründet mit Genehmigung des damaligen Landesherrn, Georg III). Es gehört in eine Reihe ähnlicher Einrichtungen, die seit 1765 in den welfischen Territorien gegründet wurden, um Kapitalanlegern, aber eben auch Leihwilligen finanzielle Hilfestellung leisteten. Es galt die matrikelfähigen Güter vor den finanzwirtschaftlichen Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges zu sichern. So entstand das Ritterschaftliche Kreditinstitut mit zweifacher Aufgabe - Anlagegewährung und Kreditbeschaffung. Mit dem Siegel wurden also früher Bankgeschäfte „besiegelt“. Von Doris Hennies